Gelsenkirchen-Buer. Klaus Herzmanatus’ Schullaufbahn war alles andere als gerade. Am Ende sollte der Gelsenkirchener eine Ehrenrunde drehen – und lehnte ab.

Eine Ehrenrunde drehen, sitzen bleiben, das Jahr wiederholen, freiwillig oder gezwungenermaßen: Was für einige Schülerinnen und Schüler gerade bittere Realität ist, ist für viele Erwachsene ein Kapitel der Kindheit oder Jugend, auf das sie heute eher belustigt zurückblicken. In unserer Sommerserie haben wir einige Menschen zu Wort kommen lassen, denen genau das passiert ist, und die heute wissen: Das ist keine Katastrophe, und schon gar kein Weltuntergang.

Eine solche Erfahrung hat auch Klaus Herzmanatus gemacht – auch, wenn die Sache in seinem Fall etwas anders gelaufen ist. „Ich hätte eine Ehrenrunde drehen können, habe sie aber gar nicht angetreten“, sagt Gelsenkirchens Vorzeigebergmann und lacht. Aber der Reihe nach.

Gelsenkirchener war einer der ersten Gesamtschüler in der Stadt

Herzmanatus, Jahrgang 1961, ist in Buer zur Grundschule gegangen und war danach einer der ersten Schüler der damals neuen Gesamtschule Berger Feld – oder „Gesamtschule Gelsenkirchen“, wie sie zunächst hieß. „Damals war das Schulgebäude an der Adenauerallee noch in Bau“, erinnert sich Herzmanatus. In den ersten Jahren waren die Gesamtschüler in Behelfspavillons neben dem Leibniz-Gymnasium untergebracht, als der Neubau fertig war, zog die Schule an den heutigen Standort im Berger Feld.

„Ich habe in der Schule immer nur das Nötigste gemacht“, erinnert sich Herzmanatus. „Am besten war ich noch im Fußball – als mich aber ein Lehrer an die Schalker Jugend weitervermitteln wollte, habe ich das abgelehnt, weil mir dreimal Training pro Woche zu viel war.“ Irgendwann sei es so schlimm geworden, dass der Schulpsychologe dazu geholt werden musste. „Das war in der neunten Klasse, und mein Hauptschulabschluss war gefährdet“, so Herzmanatus. Auch seine Eltern waren beim Gespräch dabei. „Danach habe ich mich zusammengerissen und den Abschluss gemacht“, sagt er. Weiter zur Gesamtschule gehen wollte er aber nicht mehr: „Ich bin abgegangen und habe auf der Zeche mit der Ausbildung angefangen.“

Lehrer stellt fest: „Du bist zu jung“

Bergmann aus Leidenschaft: Klaus Herzmanatus in jungen Jahren.
Bergmann aus Leidenschaft: Klaus Herzmanatus in jungen Jahren. © Unbekannt | Privat

Seine Schullaufbahn ganz an den Nagel hängen wollte Herzmanatus aber auch nicht. „Das kann ja nicht alles sein“, stellte er schon zu Beginn der Ausbildung fest – und entschloss sich, die zehnte Klasse parallel zur Ausbildung auf der Abendschule nachzuholen. „Mein Ausbildungsleiter hatte mir dazu geraten, nach der Ausbildung das Fachabitur zu machen und danach Bergbau zu studieren“, sagt er. Diese Möglichkeit bot damals die Schule der Westfälischen Berggewerkschaftskasse in Recklinghausen.

„Aber einigen Lehrern, die dort unterrichteten, war ich wohl noch zu jung“, berichtet Herzmanatus heute – man war dort gewohnt, dass „gestandene“ Bergleute auf dem zweiten Bildungsweg ihr Abitur nachholten. „Mein Mathelehrer hat mir das gleich zu Beginn gesagt“, erinnert sich der Bueraner. „,Sie sind erst 17 – dann sehen wir uns im kommenden Jahr wieder, sammeln Sie erst einmal Lebenserfahrung’: Damit hat er mich begrüßt“, erzählt er.

Darum ist Herzmanatus nicht zur Ehrenrunde angetreten

Das Verhältnis der beiden besserte sich auch nicht, als der Mathelehrer ihn „bat“, am Wochenende in seinem Garten Platten zu verlegen – und Herzmanatus mit Blick auf eine wichtige Klausur am Montag, für die er lernen musste, ablehnte. „Spätestens da war ich unten durch. Nach dem Wochenende hat er mich an die Tafel geholt und mich mit viel zu schwierigen Aufgaben vorgeführt“, erinnert sich der Bergmann. Für die Abschlussarbeit paukte er mit Freunden und war sich sicher, bestanden zu haben – stattdessen bekam er eine „6“ und fiel durch die Prüfung. „Ich hätte ihm am liebsten eine reingehauen“, bekennt Herzmanatus freimütig.

Dazu kam es nicht – aber auch nicht zur eigentlich fälligen Ehrenrunde. „Diese Art von ,Gnadenbrot’ wollte ich nicht. Ich habe mich stattdessen entschlossen, nicht zu studieren, wieder zur Zeche zurückzugehen und mich für andere einzusetzen“, sagt Herzmanatus: Er engagierte sich, zunächst als Jugendsprecher, dann in Betriebsrat und Gewerkschaft. Ihm war die „verweigerte Ehrenrunde“ eine Lehre fürs Leben: „Man muss auch mal den Mut haben, zu sagen: ,Okay, das hat nicht geklappt, dann mache ich halt etwas anderes’.“