Gelsenkirchen. Politik und Verwaltung wollen klären, warum so viele Schülerinnen und Schüler in Gelsenkirchen ihre Gymnasien und Realschulen verlassen müssen.

142 Schülerinnen und Schüler zwischen zwölf und 14 Jahren mussten in diesem Sommer in Gelsenkirchen ihre Schule verlassen, weil ihre Leistungen laut Beurteilung nicht ausreichten. 88 mussten von den Gymnasien gehen, etwa gleich viele aus den großen Nord-Gymnasien wie aus den Süd-Gymnasien, wo allein das Schalker Gymnasiums das Abschulungs-Instrument kaum nutzte. 54 Jungen und Mädchen mussten ihre Realschule verlassen. Auf diesem Niveau liegt die Zahl der „Abgeschulten“ von Gymnasien und Realschulen in Gelsenkirchen seit Jahren.

Gelsenkirchen: Parteien einig beim Handlungsbedarf

Eine Ausnahme machte lediglich der vergangene Sommer. Da waren „nur“ 62 Heranwachsende betroffen, wohl vor allem, weil 2020 für NRW-Schüler sitzenbleiben verboten war laut Ansage des Bildungsministeriums. SPD und CDU fragten nun im Bildungsausschuss, woran es liege, dass es trotz dem Gebot individueller Förderung immer wieder zu so vielen „Schulformwechslern“ kommen könne. Grüne und FDP begrüßten die Initiative der Gelsenkirchener „Groko“ ausdrücklich.

Für Markus Karl (CDU) ist es schlicht „unsolidarisch gegenüber den aufnehmenden Schulen“, bei denen es dadurch extreme Engpässe und Mehrklassenbildungen geben müsse. Zumal die Gesamtschulen, die ja häufig zwangsläufig die aufnehmenden Schulen sind, ohnehin mehr Zusatzaufgaben stemmen bei der Inklusion und Internationalen Förderklassen als etwa die Gymnasien. Man müsse klären, warum es zu den hohen Abschulungszahlen kommt und wie gefördert wird, fordert Karl. Ulrich Jacob (SPD) sprach im Ausschuss von „traumatischen Erfahrungen in so jungen Jahren, nicht gut genug zu sein“ und appellierte an die Verantwortung der Schulen.

10.000 Euro für wissenschaftliche Analyse zu Gründen und Gegenstrategien

Bei der Verwaltung rannte die Politik mit ihrem schließlich gemeinsamen Antrag von Groko und Grünen offene Türen ein: 10.000 Euro sollen für eine wissenschaftliche Analyse der hohen Zahl von „Schulformwechslern“ und Strategien zur nachhaltigen Senkung dieser Zahl in den Haushalt 2022 eingestellt werden. Bildungsdezernentin Anne Heselhaus, seit einem Jahr im Amt, hatte ebenfalls bereits auf die konstant hohen Zahlen reagiert und das Gespräch mit der Schulaufsicht zum Thema gesucht. Spekulationen, Gymnasien etwa nähmen auch Kinder auf, die nicht geeignet erscheinen, um nach der Erprobungsstufe und den „Abschulungen“ in den Jahrgängen sieben und acht mit kleineren Klassen arbeiten zu können, wies Heselhaus im Ausschuss allerdings als Gesprächsgrundlage zurück. Man wolle zunächst im Einzelnen analysieren, woran es liege, dass alljährlich so viele gehen müssen. Dazu soll auch erforscht werden, wie der Bildungsweg abgeschulter Heranwachsender in den vergangenen Jahren weiter verlief. Sprich, wie viele nach dem Wechsel noch ihr Abitur oder den mittleren Abschluss geschafft haben.

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Zwei Vertreterinnen von Gymnasium und Realschule erläuterten im nichtöffentlichen Teil der Ausschusssitzung die Situation aus ihrer Sicht. Seitens des Gymnasiums wurde auf eingeschränkte Fördermöglichkeiten angesichts eines deutlich strikteren Lehrplans und damit weniger Luft für Extra-Förderung als für Gesamtschulen verwiesen. Die Realschul-Vertreterin hingegen führte das Ungleichgewicht von Gymnasien und Realschulen in der Stadt an. Vier Realschulen müssten Schulformwechsler von sieben Gymnasien aufnehmen – das sei aber rein räumlich gar nicht möglich, weshalb die Gesamtschulen mit einspringen müssten, eigentlich entgegen den Regeln.