Gelsenkirchen. Was blieb von der Buga? Was wird die IGA bringen? Auf jeden Fall einen Park, der Gelsenkirchen Wege in die Zukunft zeigt, glauben die Macher.

Vier Jahre nach dem Zechen-Aus wurde eine ausgezehrte, 100 Hektar große Industrielandschaft ein Park. Es kam: Die Bundesgartenschau. Im Sommer 1997 lockte sie 1,7 Millionen Menschen in den Nordsternpark. 30 Jahre später soll es dort wieder einen neuen Publikumsmagneten geben. Die IGA, die Internationale Gartenbauausstellung öffnet 2027. Und Gelsenkirchen wird einer der Haupt-Orte. Gründe genug für den Blick zurück und weit nach vorne.

Ohne die Buga 1997, da sind sich die Macher von einst sicher, gäbe es Vivawest am Nordstern-Standort und etliche andere Unternehmen samt Hunderten neuen Stellen nicht. Auch Heiner’s Parkhotel samt Biergarten würde wohl niemand kennen.

Buga in Gelsenkirchen: „Der modernste Landschafts-, Gewerbe- und Wohnpark Europas“

Gewerbe- und Bürostandort wurde die frühere Zeche Nordstern Zug um Zug nach der Bundesgartenschau 1997. Das Wohnungsunternehmen Vivawest hat hier seinen Sitz. Der Herkules, eine Monumentalstatue des Künstlers Markus Lüpertz, wurde 2010 auf den Turm gestellt.
Gewerbe- und Bürostandort wurde die frühere Zeche Nordstern Zug um Zug nach der Bundesgartenschau 1997. Das Wohnungsunternehmen Vivawest hat hier seinen Sitz. Der Herkules, eine Monumentalstatue des Künstlers Markus Lüpertz, wurde 2010 auf den Turm gestellt. © www.blossey.eu | Hans Blossey

„Kein Bergmann konnte sich damals vorstellen, dass hier eine Blümchenschau stattfindet“, bekannte Reinhold Adam, Ex-Kumpel und Gründer des Geschichtsforums Nordsternpark zum 20. der Buga 2017. Entstanden sei, lobte der damalige Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) bei der Buga-Eröffnung am 19. April 1997, der „modernste Landschafts-, Gewerbe- und Wohnpark Europas“. „240 Millionen DM wurden in Horst und Heßler am Rhein-Herne-Kanal investiert – aus heutiger Sicht kann man feststellen: Höchst nachhaltig und zukunftweisend.

Das sind auch die Stichworte für die IGA 2027. Neben Duisburg und Dortmund wird Gelsenkirchen einer der Hauptschauplätze der Internationalen Gartenausstellung sein. Geplant wird diesmal ein ganzes Stück kleiner: Lokal werden der Nordsternpark mit dem „Green Tower“ und die Emscherinsel das Kernstück der IGA bilden.

Die Zukunftsinsel am Rhein-Herne-Kanal wird ein Kernbereich der IGA

Der Siegerentwurf für die Zukunftsinsel im Nordsternpark stammt vom Büro des Berliners Paul Giencke. Er gewann den freiraumplanerischen Realisierungswettbewerb für den 30 Hektar großen IGA-Bereich. Die Illustration zeigt die Gestaltung des Wendebeckens.
Der Siegerentwurf für die Zukunftsinsel im Nordsternpark stammt vom Büro des Berliners Paul Giencke. Er gewann den freiraumplanerischen Realisierungswettbewerb für den 30 Hektar großen IGA-Bereich. Die Illustration zeigt die Gestaltung des Wendebeckens. © Paul Giencke | FUNKEGRAFIK NRW Denise Ohms

Zumindest optisch und inhaltlich ist klar, wohin die Reise gehen soll: Das Berliner Büro „gm0 13“ gewann 2021 den freiraumplanerischen Realisierungswettbewerb für das Dekaden-Projekt: Ein „hervorragendes, spannungsreiches“ Konzept für eine „wunderbare Parklandschaft“ liege vor. Ein nach und nach entstehender Waldsaum entlang der Emscher werde zum Co2-Speicher, Luftreiniger, Lebens- und Naturerfahrungsraum im Wechselspiel mit der gestalteten Parklandschaft, wertete die Jury den Siegerentwurf des Teams um Paul Giencke für den 30 Hektar großen IGA-Bereich. Gewürdigt wurde die Idee eines klimaneutralen und energieautarken Parks, der im Entwurf gekonnt „das ruppige Potenzial des Bestandes, den Nordsternpark und die zukunftsorientierte Programmierung des Geländes“ verbinde.

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Rund um den „Green Tower“, den ehemaligen Kohlebunker der Zeche Nordstern, soll als Wahrzeichen und zentrale Anlaufstelle zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal eine Zukunftsinsel entstehen. Am Amphitheater wird ein neues Entree, die IGA-Plaza, für den gesamten Bereich geschaffen. Das Wendebecken des Hafens der ehemaligen Zeche soll erstmals überhaupt zugänglich und ein attraktiver Freizeitort werden. Die Schwarzbachmündung soll zudem ökologisch umgestaltet, neue Park- und Ausstellungsflächen geschaffen werden.

Ein Zukunftsentwurf für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen

„Dreißig Jahre nach der Bundesgartenschau in Gelsenkirchen zeigen wir auf der Insel zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal einen Zukunftsentwurf für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen: Klimawandel, Klimaanpassung, Biodiversität“, glaubt Nina Frense, Beigeordnete für Umwelt und Grüne Infrastruktur beim Regionalverband Ruhr (RVR). Als Geschäftsführerin der IGA 2027 gGmbH ist sie maßgeblich an der Realisierung beteiligt.

Der Eingangsbereich zum Amphitheater im Nordsternpark soll aufgewertet werden. Hier soll die IGA-Plaza entstehen.
Der Eingangsbereich zum Amphitheater im Nordsternpark soll aufgewertet werden. Hier soll die IGA-Plaza entstehen. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Für Christoph Heidenreich, den Gelsenkirchener Stadtbaurat, geht es bei der IGA generell darum, Parks zu erneuern und aufzuwerten und „gemeinsam etwas zu erreichen, das bundesweit Ausstrahlung hat“. Aber auch im Detail hegt er Hoffnungen: „Ich habe die Vorstellung, dass wir den ein oder anderen vielleicht zur Umgestaltung seines Gartens oder Grundstücks animieren“.

Insgesamt, findet Heidenreich, sei die Buga ein Bereich, „der sehr gut angenommen wird. Aber wir haben gesehen, dass der ein oder andere Punkt noch besser werden könnte“ – wie den Kohlebunker und das Wendebecken. „Menschen streben ans Wasser. Das können wir hier ermöglichen. Auch den Übergang nach Essen, der bisher etwas stiefmütterlich ist, werden wir verbessern. Das ist ein interkommunales Projekt.“

Die IGA-Plaza wird den Bereich um das Amphitheater deutlich aufwerten

Ein weiterer wichtiger Punkt für Heidenreich ist das Amphitheater. „Wir haben hier bislang das Problem mit den Containerlösungen. Das wollen wir beenden durch einen neu geschaffenen Eingangsbereich,“ eben ein Entree mit Sanitäranlagen, mit Lager-und Büroräumen, mit einem Kassenbereich.

Für die Gestaltung des Empfangsgebäudes ist ein Wettbewerb ausgeschrieben worden. Die Vorbereitung für die Umsetzung läuft. Für das mit öffentlichen Mitteln geförderte Projekt Kohlebunkerensemble ist das Wettbewerbsverfahren bereits auf der Ziellinie: Zur Bewertung stehen rund 20 Entwürfe. Das Preisgericht wird am 24. Juni tagen.

Kernbereich für die Zukunftsinsel wird – die Emscherinsel. Für die IGA wird das frühere Wendebecken (r.) des Zechenhafens am Rhein-Herne-Kanal erschlossen und zugänglich gemacht, auch die Schwarzbachmündung wird umgestaltet.
Kernbereich für die Zukunftsinsel wird – die Emscherinsel. Für die IGA wird das frühere Wendebecken (r.) des Zechenhafens am Rhein-Herne-Kanal erschlossen und zugänglich gemacht, auch die Schwarzbachmündung wird umgestaltet. © RVR

Für die IGA läuft die Feinabstimmung. Die Ausführungsplanung ist in Arbeit. Die Ansprüche an die Gartenschau sind hoch – weil sie eben weit mehr werden soll als eine Blumen- und Leistungsschau. Sie soll nicht weniger als ein Gartentor in die Zukunft werden und über die Themengärten und Bepflanzungen im eigentlichen IGA-Jahr hinaus zeigen, wie wir künftig leben können. Es sind „Themen, die uns alle interessieren und von denen alle profitieren können“, findet Heidenreich. Ein Schwerpunkt sind Klimawandel und Klimaresilienz, also die Fähigkeit, Auswirkungen und Belastungen des Klimawandels abzumildern. Für Planer Paul Giencke ist zudem die Frage, wie man den Menschen postindustrielle Flächen „als Naturerfahrungsraum zurückgibt“ wichtig.

Urbane Produktion von Lebensmitteln mit Pflanzen auf Dachgärten oder an Fassaden

Ein großes Feld werde der Umgang mit der Ressource Wasser, aber auch mit Starkregenereignissen sein. Heidenreich nennt ein Beispiel: „Den Parkplatz am Amphitheater werden wir von der Entwässerung entkoppeln und in die geplante Wasserachse ableiten.“ Urbane Produktion von Lebensmitteln, die Pflanzenzucht auf Dachgärten oder an Fassaden – auch das sind große Themen, für die die IGA Anregungen liefern könnte. Idealerweise am Bunkerensemble. „Abwarten, was der Wettbewerb da an Ideen hervorbringt“, sagt der Baudezernent.

Die Ausrichtung des bisherigen Parkplatzes soll in Ost-West-Richtung verlagert werden, die Oberfläche wird neu gestaltet. Der Eingriff in den Untergrund wird nicht ganz ohne. Dort schlummern noch – bislang sicher überdeckt – Altlasten. Eine Erinnerung an die schwerindustrielle Vorzeit und eine Herausforderung für den Umbau. Auch das Kohlebunkerensemble ist belastet. Alltag für Planer in einer Industrieregion, zumal auf einem ehemaligen Zechen- und Kokerei-Standort. Entsprechend sieht Heidenreich „nichts, was uns wirklich große Kopfschmerzen bereiten“ dürfte.

Anteil an kommunalen Mitteln wurde vorsorglich aufgestockt

Der Stadtbaurat hofft, schon 2023 mit ersten Arbeiten anfangen zu können. „Wir kennen ja alle die Problematik, wie schwer Handwerker und Baufirmen zu bekommen sind“ – und wie sehr die Preise in die Höhe geschnellt sind. Die Politik wurde bereits über die „allgemeine Kostensteigerung“ informiert. 14.805 Millionen Euro werden aktuell für die Freianlagen samt IGA-Plaza kalkuliert, der städtische Eigenanteil hier wird von 2,08 auf 6,5 Millionen Euro steigen. Für den Kohlebunker werden nun wohl 11,3 statt 9,8 Millionen Euro fällig. Der Fördermittel-Anteil ist bislang auf 6 Millionen Euro beschränkt. Ob es reicht? „Vor wenigen Monaten hätte ich noch gesagt, damit sind wir auf der sicheren Seite“, sagt Heidenreich. Aber seit dem Ukraine-Krieg ist nichts mehr sicher. Seither haben wir eine ganz verrückte Preisentwicklung.“

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Die IGA, verspricht Heidenreich, „wird insgesamt ein Highlight und den Nordsternpark noch einmal nach vorne bringen. Das wird langfristig zu der Attraktivitätssteigerung führen, die wir uns alle wünschen und die an dieser Stelle in diesem intensiv genutzten Park auch gewollt ist.“ 20 Jahre Buga wurden groß gefeiert. Der Stadtbaurat ist sicher, dass man sich „in 25 Jahren in jedem Fall auch an die IGA insgesamt erinnern wird. Vielleicht werden wir irgendwann auch mal ein Format finden, bei dem man die Buga und die IGA gemeinsam feiert. Wenn das selbstverständlich ist, dann haben wir unsere Arbeit gut gemacht.“