Gelsenkirchen. Das Ergebnis des freiraumplanerischen Realisierungswettbewerbs zur IGA 2027 in Gelsenkirchen liegt vor. Alles zu Siegern, Plänen und Projekten.

Die Jury-Anerkennung für den Entwurf zur „Errichtung einer Grundschule mit Einfachsporthalle im Oxford-Quartier in Münster“ war im Dezember 2020 der letzte Wettbewerbserfolg für das Berliner Büro „gm0 13 Landschaftsarchitektur“. Seit Freitag darf sich das Team um Inhaber Paul Giencke über einen ungleich größeren Erfolg freuen. „gm0 13“ gewann den freiraumplanerischen Realisierungswettbewerb für ein Dekaden-Projekt: Mit ihrem Entwurf holten sie den ersten Preis für die „Zukunftsinsel mit Nordsternpark“, in Gelsenkirchen das 30 Hektar große Herzstück der IGA, der Internationalen Gartenausstellung 2027.

14 Arbeiten für Gelsenkirchener Realisierungswettbewerb eingereicht

Ausstellung im Wissenschaftspark

Der Entwurf der „bbzl böhm benfer zahiri landschaften städtebau“ (ebenfalls aus Berlin), die den Park mit einem ausgeklügelten Wegesystem erschließen wollen, landete auf dem zweiten Platz. Der dritte Platz wurde an Franz Reschke für sein Konzept „Im Wiesenmeer“ vergeben. Der Anerkennungspreis ging an Mesh Landschaftsarchitekten (Berlin), die Klimawandel, Artensterben oder Digitalisierung thematisiert haben.

Die Ausstellung aller Arbeiten wird in der kommenden Woche sowohl im virtuellen als auch im realen Raum stattfinden. Bis Ende April wird die Ausstellung der Entwürfe im Wissenschaftspark in Gelsenkirchen zu besichtigen sein.

Mit dem Fahrrad war Giencke in Berlin unterwegs, als ihn die Siegernachricht erreichte. „Ich wäre fast vom Rad gefallen“, sagt er am Freitag, nachdem das Jury-Ergebnis bekannt gegeben worden war und Martina Oldengott, Projektleiterin der IGA Metropole Ruhr, zuvor der Begeisterung für den Entwurf („Ihr Büro hatten wir gar nicht auf dem Radar“) freien Lauf gelassen hatte: „Sie haben uns verzaubert mit der Leichtigkeit, aber auch der Gestalt, Qualität und Sorgfalt, mit der sie die von uns gestellten Aufgaben gelöst haben.“ Ein „hervorragendes, spannungsreiches“ Konzept für eine „wunderbare Parklandschaft“ liege vor. Ein nach und nach entstehender Waldsaum entlang der Emscher werde zum Co2-Speicher, Luftreiniger, Lebens- und Naturerfahrungsraum im Wechselspiel mit der gestalteten Parklandschaft, wertete die Jury den Siegerentwurf.

Wendebecken des Hafens der ehemaligen Zeche Nordstern wird zum Freizeitort

Insgesamt hatten sich 30 Büros zur Teilnahme am internationalen Realisierungswettbewerbes akkreditiert, davon acht aus NRW. Insgesamt wurden schließlich 14 Arbeiten eingereicht. Die Aufgabe: Rund um den „Green Tower“, den ehemaligen Kohlebunker der Zeche Nordstern, soll als Wahrzeichen und zentrale Anlaufstelle zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal eine Zukunftsinsel und „Blaue Mitte“ entstehen. So soll zum Beispiel aus dem Wendebecken des Hafens der ehemaligen Zeche Nordstern ein attraktiver Freizeitort werden. Die Schwarzbachmündung soll ökologisch umgestaltet, neue Park- und Ausstellungsflächen geschaffen werden.

Die Aufgabe ist fordernd, hat aber auch einzigartigen Charme in einer einzigartigen Gegend: „Was für eine tolle Region, was für eine besondere Landschaft, die kennen leider noch immer viel zu wenige Menschen“ – die Eindrücke beteiligter Architekturbüros nach einem Besuch vor Ort zitiert Oldengott. Mit allen drei Preisträgern gehen die Stadt und die IGA Metropole Ruhr 2027 nun in die Verhandlungsgespräche. Im Sommer soll feststehen, welcher der drei Entwürfe umgesetzt wird.

Welge: „Die Zeitfolge bis 2027 erscheint lang. Das ist sie aber nicht.“

Im Wettbewerbsbereich wurde der Kostenrahmen für die IGA-Projekte mit zehn Millionen Euro beziffert. Für das Event an sich (Bepflanzung, Kulturveranstaltungen, Programm) wird allein für Gelsenkirchen mit bis zu acht Millionen Euro gerechnet. „Ich hoffe, dass wir nun schnell an das herangehen können, was die eigentliche Herausforderung ist: die Umsetzung des Verfahrens“, betonte Oberbürgermeisterin Karin Welge. „Die Zeitfolge bis 2027 erscheint lang. Das ist sie aber nicht.“

Analoge und digitale Eindrücke und Informationen wollen die Planer des Siegerentwurfs, das Berliner Büro „gm0 13“, miti ihrer Planung  ermöglichen.
Analoge und digitale Eindrücke und Informationen wollen die Planer des Siegerentwurfs, das Berliner Büro „gm0 13“, miti ihrer Planung ermöglichen. © Entwurf Paul Giencke | FUNKEGRAFIK NRW Denise Ohms

Neben Duisburg und Dortmund wird Gelsenkirchen einer der Hauptschauplätze der Internationalen Gartenausstellung 2027 sein. Lokal werden der Nordsternpark und die „Blaue Mitte“ an Kanal und Emscher mit dem Green Tower das Kernstück der IGA bilden, doch das Projekt ist größer gefasst. In Randbereichen spielt es in die Stadtteilerneuerung Schalke Nord, in die Ortsteile Heßler und Horst hinein. Im raumplanerischen Wettbewerb ging es allerdings allein um das 30 Hektar große Herzstück am Kanal (360 Grad-Ansicht).

Zukunftsentwurf für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen

Für Nina Frense, Beigeordnete Umwelt und Grüne Infrastruktur beim Regionalverband Ruhr (RVR) und Geschäftsführerin der IGA 2027 gGmbH, ist die IGA ein wichtiger Baustein der Metropole Ruhr auf dem Weg zur grünsten Industrieregion: „Dreißig Jahre nach der Bundesgartenschau in Gelsenkirchen zeigen wir auf der Insel zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal einen Zukunftsentwurf für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen: Klimawandel, Klimaanpassung, Biodiversität.“ Das Besondere in Gelsenkirchen sei dabei die innovative Verbindung von Tradition und Moderne, „auf ehemaligen Industriearealen wird die Entwicklung des Ruhrgebiets neu geschrieben.“

Sanierungsarbeiten am Kanal kreuzen an einigen Stellen die IGA-Pläne

Kernbereich der Buga 1997 war der neu geschaffene Nordsternpark. Er wird in Teilen auch Herzstück der IGA 2027 sein.
Kernbereich der Buga 1997 war der neu geschaffene Nordsternpark. Er wird in Teilen auch Herzstück der IGA 2027 sein. © www.blossey.eu | Hans Blossey

„Die IGA 2027 wird unserer Stadt einen ähnlichen Schub geben wie die Internationale Bauausstellung Emscherpark“, glaubt Oberbürgermeisterin Karin Welge. Gelsenkirchen ist dabei nur einer von zahlreichen Akteuren. Die IGA wird die erste dezentrale Internationale Gartenausstellung. Sie wird organisiert durch die IGA Metropole Ruhr 2027 gGmbH als Durchführungsgesellschaft, den Regionalverband Ruhr (RVR) sowie die Kommunen und Kreise als Projektträger. Einbezogen sind die Deutsche Bundesgartenschaugesellschaft (DBG), die Ruhr Tourismus GmbH, das Land NRW und auch die Emschergenossenschaft – nicht unwichtig für das Gesamtprojekt, weil deren Umbaupläne für die Emscher in Verbindungen mit langfristig geplanten Sanierungsarbeiten am Kanal an einigen Stellen durchaus die IGA-Pläne kreuzen.

Optimistisch geschätzt werden bis zu fünf Millionen Besucher erwartet

Die IGA Metropole Ruhr 2027 gGmbH hat im Dezember 2019 offiziell ihre Arbeit aufgenommen. Gelsenkirchen ist an der Gesellschaft mit 6,4 Prozent beteiligt, der RVR mit 54,6 Prozent, Dortmund beispielsweise mit 14,4 Prozent. Die Gesellschaft wird die Internationale Gartenausstellung vorbereiten, durchführen und abwickeln. Zudem soll sie Vorschläge entwickeln, wie die von ihr bewirtschafteten Flächen nach Beendigung der IGA genutzt werden.

Leuchtturmprojekt Green Tower

2020 wurde nicht nur mit der Emschergenossenschaft eine Kooperationsvereinbarung für die IGA getroffen, sondern auch ein Förderantrag über zehn Millionen Euro für den Kohlebunker im Nordsternpark auf den Weg gebracht. Der Kohlebunker soll als begrünter Green Tower zum Wahrzeichen des Wandels werden und gleichzeitig ein Stück Geschichte erhalten.

Zuletzt kalkulierte die Stadt Gelsenkirchen ihre Realisierungskosten netto mit rund 8,32 Millionen Euro.

Mit 84 Millionen Euro wird der „Durchführungshaushalt“ angegeben. 35 Millionen davon sollen aus Einnahmen der verkauften Eintrittskarten finanziert werden. Besucherprognosen gehen von etwa 2,6 Millionen Besuchern aus. Im Idealfall könnte die Gartenschau bis zu fünf Millionen Gäste anlocken. Den bislang errechneten Zuschussbedarf von rund 36 Millionen Euro werden sich der RVR und Mitgliedskommunen teilen. Zuletzt kalkulierte die Stadt Gelsenkirchen ihre Realisierungskosten netto mit rund 8,32 Millionen Euro.

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Fördergelder für das Projekt fließen nach Gelsenkirchen: Die Münsteraner Regierungspräsidentin Dorothee Feller hat OB Welge im November 2020 einen Zuwendungsbescheid über rund 8,3 Millionen Euro für den „Zukunftsgarten Gelsenkirchen“überreicht. Mit dem IGA-Projekt leiste die Kommune laut Feller „einen aktiven Beitrag für die Themen Mobilität, Klimaschutz und Klimafolgenanpassung“.