Gelsenkirchen. Wenn es ausweglos scheint: „Kirche für Kinder“ in Gelsenkirchen ermöglicht Nachwuchs gesellschaftliche Teilhabe. Zuschüsse fließen unbürokratisch.

Nur am Rand zu stehen statt mittendrin: Dieses Gefühl kennen viele bedürftige Kinder und Jugendliche. Denn das knappe Budget der Eltern setzt enge Grenzen, ob es sich nun um Geburtstagsgeschenke, Kleidung oder die Mitgliedschaft in einem Sportverein handelt. In solchen Situationen schnell und unbürokratisch zu helfen, ist das Anliegen der „Aktion Kirche für Kinder“, kurz Kiki: Der Arbeitskreis der Katholischen Stadtkirche springt ein, wenn soziale Netzwerke und staatliche Sicherungssysteme nicht greifen. Schließlich geht es um etwas, das zwar nicht zu messen, aber unendlich wertvoll ist: Selbstwertgefühl.

Vor elf Jahren mit einem Kapital des Bistums Essen von 1500 Euro gestartet, haben die derzeit sieben ehrenamtlichen Mitglieder ihre Ohren auf Dauer-Empfang gestellt: Wo sie von materiellen Notsituationen hören, die Kindern und Jugendlichen gesellschaftliche Teilhabe unmöglich machen, werden sie aktiv. Sprich: Sie finanzieren etwa Hausaufgabenbetreuungen, Schul- und Ferienfreizeiten, Kleidung, Schulmaterial oder Sportveranstaltungen. „Und zwar für alle bedürftigen Kinder in Gelsenkirchen, unabhängig von deren Nationalität und Konfession“, betont Arbeitskreis-Mitglied Ursula Beckmann.

Kiki aus Gelsenkirchen setzt auf die Kooperation mit Schulen und Kindergärten

„Voraussetzung ist, dass keine anderen Einrichtungen das Geld zur Verfügung stellen“, sagt Kiki-Mitbegründer Ralf Berghane, hauptberuflich Verwaltungsleiter der Pfarrei St. Hippolytus und Referent für das Katholische Stadtdekanat Gelsenkirchen. Und: „Wir unterstützen nur, wenn Institutionen wie Schulen oder Kitas bestätigen, dass die Familie bedürftig ist. Auf die Anfragen von Betroffenen allein werden wir nicht tätig, weil wir die finanzielle Situation nicht beurteilen können.“

Die in der Stadtgesellschaft und den katholischen Pfarreien gut vernetzten Arbeitskreis-Mitglieder wissen: Es gibt viele Mädchen und Jungen, deren Eltern knapp über den Fördergrenzen liegen – und dann etwa keinen Zuschuss für die ersehnte Ski-Schulfreizeit bekommen. „Oft sind die Bildungsgutscheine von 15 Euro auch zu knapp bemessen“, so Berghane (57).

Zuschüsse für Mitgliedschaft im Box-Verein, Sportschuhe, Brillen und Prothesen

Er erinnert sich noch gut an zwei Heimkinder, die unbedingt in einen Box-Verein gehen wollten. „Also haben wir die 30 Euro Mitgliedsbeitrag übernommen.“ Auch in Sachen Nachhilfe für Heimkinder engagiert sich Kiki, ebenso bei existenziellen Dingen wie Brillen und Prothesen für Zuwanderer aus Südosteuropa.

„Wir hatten auch den Fall eines Jungen, der dauernd eine Entschuldigung für den Sportunterricht vorlegte. Wie sich herausstellte, konnte sich die Familie keine neuen Schuhe leisten. Da sind wir dann eingesprungen“, so Berghane. Im Gedächtnis geblieben sind ihm auch die Tankgutscheine, die jungen Eltern den Besuch ihres krebskranken Kindes in Düsseldorf ermöglichten.

Entscheidend sei dabei nicht, ob die Eltern sich etwa Schuhe oder Bastelmaterial leisten könnten – sondern was die Kinder bräuchten, hebt die Horsterin Beckmann (62) hervor. „Im Mittelpunkt stehen die Kinder und ihre Bedürfnisse.“

Berghane: „Manchmal bekommen wir Dankesbriefe, die zeigen, wie wichtig die Unterstützung für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen ist. Dass sie etwa doch an einer Sportfreizeit teilnehmen konnten, prägt ungemein. So etwas vergessen sie nie. Und wenn wir über Nachhilfe dafür sorgen können, dass Heimkinder eine Ausbildungsstelle bekommen, ist doch viel gewonnen.“

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