Gelsenkirchen-Beckhausen. Imker Ralf Berghane, Mitgründer der NRW-Gruppe des Vereins, praktiziert die wesensgemäße Bienenhaltung. Jetzt besuchte ihn TV-Koch Björn Freitag.
Der Bien? Was wie ein Grammatik- und Rechtschreibfehler wirkt, ist völlig korrekt und für den Horster Ralf Berghane zentral für seine Art zu imkern. Bienen sind für ihn mehr als eine große Anzahl Einzeltiere; er begreift sie als Ganzes, eben als "der Bien". Als Mitbegründer der NRW-Regionalgruppe des Vereins "De Immen" trägt er diese Philosophie der "wesensgemäßen Bienenhaltung" ins gesamte Ruhrgebiet. Der Natur respektvoll ihren Lauf zu lassen, so die Botschaft, zähle mehr als maximale Honiggewinnung.
"Wir begreifen Bienen nicht als Hochleistungs-Produktionsobjekte, sondern als Insekten mit natürlichen Bedürfnissen und Lebensgewohnheiten, für die wir genügend Raum schaffen wollen", so der 55-Jährige, der 2003 das Hobby für sich entdeckte, 2004 Bioland-Imker wurde und 2010 die "De Immen"-Regionalgruppe mit einer Handvoll Gleichgesinnter aus der Taufe hob. "De Immen" stammt aus dem Plattdeutschen und heißt übersetzt "die Bienen".
Gelsenkirchener hält in Sutum 16 Bienenvölker
Mittlerweile zählt die Regionalgruppe rund 35 Mitglieder, die sich regelmäßig in Beckhausen treffen, ohne dass es einen formellen Vorstand gäbe. "Die Nachfrage nach einer wesensgemäßen Bienenhaltung gewinnt immer mehr Anhänger", freut sich Berghane, der seine 16 Bienenstöcke am Rande einer Sutumer Streuobstwiese platziert hat, auf der Schafe und Gänse idyllische Bullerbü-Atmosphäre verbreiten.
Bei ihm dürfen die Bienen ihre Waben selbst bauen. "Sonst ist es üblich, etwa fertig gekaufte Kunststoff-Waben anzubieten oder zumindest Mittelwände aus Wachs; dann kommen die Insekten schneller ans Honig-Produzieren", so Berghane. Er gibt den Tieren lieber zwei bis drei Wochen Zeit, die Holzrahmen selbst zu füllen. "Das entspricht ihrem natürlichen Bautrieb."
Bienen überwintern mit eigenem Honig, nicht mit Zuckerwasser
Der 55-Jährige überwintert die Bienen mit deren eigenem Honig und nicht mit Zuckerwasser. "Es erscheint mir widersinnig, dass wir Menschen von dem gesunden Honig profitieren, den Insekten aber unseren industriell gefertigten Schrott vorsetzen."
Nicht zuletzt verzichtet er auf die gängige Praxis der künstlichen Königinnenzucht, bei der gezielt externe Majestäten mit Eigenschaften wie hohem Honigertrag oder Sanftmut gekauft werden.
Königinnen werden nicht angekauft, sondern natürlich vermehrt
"Bei der wesensgemäßen Haltung erfolgt die Vermehrung über den natürlichen Schwarmtrieb. Wenn der Stock für das größer werdende Volk zu klein geworden ist, fliegt die Königin mit einem Teil der Bienen fort, um ein neues Volk zu gründen", so der Horster, hauptberuflich Verwaltungsleiter in der Pfarrei St. Hippolytus. Er setzt dann auf die Schwarmzellen im alten Stock, aus denen ein neues Volk entsteht und fängt die Ausreißer ein und gibt ihnen ein neues Zuhause.
Berghane ist überzeugt davon, dass diese Form der Bienenzucht die Gesundheit der Tiere stärkt, die in den letzten Jahren durch den Einsatz von Pestiziden und Insektiziden massiv beeinträchtigt wurde. Gerade in Zeiten des weltweiten Bienensterbens sei das wichtig, schließlich seien die Tiere durch ihre Bestäubungsfunktion in der Landwirtschaft unverzichtbar. Der Einsatz rückstandsbildender Chemikalien ist für "De Immen"-Imker ohnehin tabu.
Imkern im Einklang mit Bedürfnissen der Bienen
"Uns geht es darum, im Einklang mit den Bedürfnissen der Bienen zu imkern und die Tiere so zu halten, dass ihre Lebensbedingungen möglichst weitgehend denen in der freien Natur entsprechen. Natur, Biene und Mensch sind da eine Einheit", wertet er die wesensgemäße Haltung auch als aktiven Beitrag zum Naturschutz.
Das dürfte ganz nach dem Geschmack von Revier-Starkoch Björn Freitag sein, der Berghanes Sutumer Streuobstwiese jetzt als Kulisse für eine Folge seiner TV-Sendung "Lecker an Bord" nutzte. Imker-Kollegin Barbara Leineweber, die mit Berghane auch Imker-Kurse in Gelsenkirchen gibt, stellte dort ihre handgefertigten Bienenkörbe aus Stroh vor, welche bei anthroposophischen Züchtern besonders beliebt sind.
Und wer weiß, vielleicht reist der Koch ja noch einmal an, um zu testen, welcher Honig nun intensiver daherkommt - der konventionell hergestellte oder der aus Berghanes wesensgemäßer Bienenhaltung.
>> Die Ursprünge der wesensgemäßen Bienenhaltung
Die Ursprünge der wesensgemäßen Bienenhaltung gehen zurück auf den Anthroposophen Rudolf Steiner und den Imker Ferdinand Gerstung. Steiner hielt 1923 Vorträge über Bienenhaltung, die aber erst in den 1980er Jahren mit dem ersten Bienensterben an Bedeutung gewannen.
Gerstung entwickelte den Begriff "der Bien" als Superorganismus des Bienenvolks. Demnach entwickelt die Gemeinschaft Fähigkeiten, die die einzelne Biene nicht beherrscht.
Kontakt zur "De Immen"-Regionalgruppe: nrw@de-immen.de