Gelsenkirchen. Kein Frühstück, kein Pausenbrot, auch wegen Armut: Zwei Vereine springen in Gelsenkirchen ein, damit 600 Kinder satt in den Tag starten können.

Abgetragene Kleidung, kaum Schul- und Bastelmaterial, keine Nachhilfe und privater Musikunterricht erst recht nicht: Kinderarmut hat viele Facetten. Oft genug sind es aber auch die grundlegendsten Dinge, die fehlen – ein Frühstück etwa oder das Pausenbrot. Genau da setzen Hilfsangebote zweier Vereine in Gelsenkirchen an: Damit Mädchen und Jungen nicht hungrig lernen müssen.

Eine gut gefüllte Butterbrotdose oder genügend Geld für den Snack vom Bäcker: Das findet sich bei weitem nicht in jedem Tornister, weiß Hartwig Szymiczek als Geschäftsführer der Tafel nur zu gut. „In manchen Schulen bringen mehr als 40 Prozent der Mädchen und Jungen kein Pausenbrot mit, einige haben nicht einmal zu Hause gefrühstückt.“ Gegen das Knurren im Magen konzentriert dem Unterricht zu folgen, sei aber „untragbar“ und mit dem Anliegen, mehr Chancengleichheit herzustellen, nicht vereinbar.

Gelsenkirchener Tafel fragt nicht, warum Kinder kein Brot dabei haben – sie serviert es

Dass Kinder nichts zu essen dabei haben, habe verschiedene Gründe. „Oft ist es nicht oder nicht nur die finanzielle Situation, sondern auch Vernachlässigung oder Gleichgültigkeit der Eltern“, so Szymiczek. Was genau jeweils dahinter steckt, sei für das Engagement der Tafel aber letztlich unerheblich. „Mit unserer Initiative Pausenbrot richten wir uns grundsätzlich an alle Kinder ohne mitgebrachtes Frühstück. Wir sind überzeugt, dass diese nicht darunter leiden dürfen, wenn es Eltern nicht möglich ist, etwas mitzugeben.“

2006 gegründet, versorgt die Kindertafel derzeit elf Gelsenkirchener Grund- und Förderschulen mit frisch belegten Broten, Obst oder Gemüse. „550 Portionen sind es täglich, die von 15 Ehrenamtlichen an unserem Standort Claire-Waldoff-Haus in der Altstadt zubereitet und rechtzeitig zur ersten Pause per Fahrzeug ausgeliefert werden.“

Lehrende kaufen Frühstück, damit bedürftige Schüler nicht hungrig sind

Nach welchen Kriterien die elf Schulen ausgewählt wurden? „Es sind die Lehrer bzw. Schulleitungen, die sich bei uns melden, wenn sie feststellen, dass eine größere Zahl von Schülerinnen und Schülern wiederholt kein Frühstück mitbringt.“ Oft genug hätten einige Pädagogen auch von ihrem privaten Geld für die bedürftigen Kinder etwas zu essen besorgt, bevor die Kindertafel einsprang.

Finanziert werden Lebensmittel, Fahrzeug- und Raumkosten ausschließlich durch Spenden, wobei die frischen Zutaten Brot, Käse, Geflügelwurst, Obst und Knabber-Gemüse jeweils zugekauft werden. Der Bedarf an Pausenbroten jedoch, er wachse, so Szymiczek. „Allein in den vergangenen Jahren sind vier Schulen hinzu gekommen, so dass wir langsam an unsere Kapazitätsgrenzen kommen. Unsere Helferinnen und Helfer schnibbeln Kohlrabi und Möhren im Akkord.“

Akteure sind frustriert, dass Politik das Problem Kinderarmut nicht in den Griff bekommt

Während die Akteurinnen und Akteure einerseits frustriert seien, dass die Politik das Problem Kinderarmut offenbar nicht in den Griff bekomme und die Initiative der Tafel nach wie gebraucht werde, freuen sie sich andererseits über die positiven Rückmeldungen vor Ort: „Es ist schön, die Mädchen und Jungen zu unterstützen und unsere Arbeit so geschätzt zu sehen“, meint Szymiczek. Letztlich gehe es darum, Solidarität zu zeigen mit Kindern, die an ihrer Situation keine Schuld trügen, aber Gefahr liefen, die Armutsspirale weiterzudrehen. Eben da müsse die Politik ansetzen.

Eine wachsende Nachfrage nach einem kostenlosen gesunden Frühstück sieht auch der Verein „brotZeit“, der 2009 von der Schauspielerin Uschi Glas in München gegründet wurde und seit Ende 2021 an der Gelsenkirchener Turmschule aktiv ist: Insgesamt vier Seniorinnen und Senioren bereiten werktags Brote, Obst und Gemüse für etwa 40 Kinder zu, das eine halbe Stunde vor Beginn des Unterrichts in Büffetform angeboten wird.

Münchener Verein „brotZeit“ sorgt in Gelsenkirchen bald für 180 Kinder-Frühstücke

„Dabei geht es nicht nur darum, den Magen zu füllen, sondern auch wesentliche Aspekte gesunder Ernährung, Tischmanieren und generationenübergreifendes Verständnis zu vermitteln. Unsere Ehrenamtlichen nehmen sich Zeit für sie und einen Austausch, der in manchen Elternhäusern zu kurz kommt“, so Marie Sedlmayr, Leitung Fördermittelmanagement und Fundraising bei „brotZeit“.

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Auch diese Initiative fragt nicht nach den Gründen des Hungers. „Wenn wir in Kooperation mit den Schulämtern eine Schule als bedürftig eingestuft haben und dann vor Ort sind, darf jedes Kind sich am Büffet bedienen.“ Denn wenn alle gleichermaßen etwas zu essen bekommen, so der Ansatz, trage dies auch dazu bei, soziale Ungleichheiten etwas auszugleichen.

Zwei weitere Gelsenkirchener Schulen stehen bei „brotZeit“ bereits in den Startlöchern: Ab Ende April serviert der Verein sein Frühstück etwa 80 Kindern an der Grundschule Marschallstraße, nach den Osterferien dann rund 60 Mädchen und Jungen der Grundschule an der Erzbahn. Die ehrenamtlich tätigen Seniorinnen und Senioren erhalten eine Aufwandsentschädigung für die Anreise zu den Schulen, wo die Büffets zumeist schon vor 7 Uhr morgens vorbereitet werden.

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