Gelsenkirchen-Ückendorf. Abermals klagen Anwohner über Lärm und Müll durch Zuwanderer aus EU-Oststaaten. Polizei und Ordnungsdienst sind beinahe ständig vor Ort.
Die Freizügigkeit für EU-Bürger hat Gelsenkirchen auch eine Menge zusätzlicher Probleme aufgebürdet. Im Zusammenhang mit den Zuwanderern aus östlichen EU-Staaten wie Rumänien und Bulgarien klagen Anwohner in Ückendorf – wie in einigen Straßen anderer Stadtteile auch – über Müll, Lärm und Respektlosigkeiten.
Am Montag (19. Juli) wurde nun auch ein WAZ-Fotograf beleidigt und bedroht, der im Auftrag der Redaktion Bilder von der Ziegelstraße im Stadtsüden machen sollte. Gleich nachdem der Foto-Redakteur mit seinem Auto in die Straße einbog, wurde der erfahrene Journalist schon von Anwohnern beäugt. Noch ehe er mit seiner Kamera hätte Bilder machen können, liefen schon zwei Männer aggressiv auf ihn zu, um ihn zu vertreiben, sie spuckten nach seinem Auto und gaben dem WAZ-Fotografen mit eindeutigen Gesten zu verstehen, dass er verschwinden soll, weil ihm sonst Ärger drohen werde. Von einer Anzeige sah der Journalist, der so etwas zuvor noch nie erlebt hatte, dennoch ab.
Gelsenkirchener Anwohner bezog Prügel - er hatte Zuwanderer um Mäßigung gebeten
Alarm geschlagen hatte zuvor aber ein Ehepaar aus Ückendorf, das sich um Ruhe und Lebensqualität gebracht fühlt durch Bewohner der Häuser Ziegelstraße 1, 2, 3 und Ückendorfer Straße 135. „Uns ist es schon fast peinlich, ständig Polizei und KOD zu alarmieren, aber anders geht es einfach nicht. Wenn wir diese Menschen selbst ansprechen, was wir schon getan haben, werden wir beleidigt und bedroht. Regeln des friedlichen Zusammenlebens sind denen offenbar egal.“ Mehrere Nachbarn, insgesamt sind es ein halbes Dutzend alteingesessene Mieter, bestätigen das.
Sie berichten, dass das Aggressionspotenzial hoch sei, wenn man die Zuwanderer um Mäßigung bitte. Erst im Januar dieses Jahres hatte sich ein Nachbar eine blutige Nase geholt. Er wurde von drei Männern angegriffen, nachdem er sich bei einer Familie darüber beschwert hatte, dass er von deren Kindern mit Schneebällen beworfen worden ist - der Vorfall ist bei der Gelsenkirchener Polizei aktenkundig, wie Sprecher Matthias Büscher sagt. „Es gab eine Anzeige wegen Körperverletzung“.
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Das Seniorenpaar führt mittlerweile Buch über ihre Hilfe-Rufe, 15 mal haben sie in den vergangenen zwei Wochen einen solchen abgesetzt, geht aus den Aufzeichnungen hervor. Die ehemalige Textilarbeiterin und der Stahlarbeiter haben schon über den Verkauf ihrer Immobilie nachgedacht, den Gedanken aber wieder verworfen: „Der Verkauf würde spätestens dann scheitern, wenn sich Interessenten die unmittelbare Nachbarschaft ansähen. Außerdem: Wir sind in diesem Stadtteil seit 70 Jahren verwurzelt. Nicht wir müssen uns anpassen und integrieren.“
Am Mittwoch (20. Juli) um 20.30 Uhr präsentiert sich die Ziegelstraße aufgeräumt und sauber. Ein paar alte Kinderwagen auf den Bürgersteigen, Tonnen am Randstein oder in Reihe an der Hauswand, von Müllbergen keine Spur. Kindergeschrei ist aus den Hinterhöfen der benannten Häuser zu hören, eine Frau hängt im Garten nebenan Wäsche auf. „Die Straßenreinigung war kurz zuvor hier“, sagt das Ehepaar. Bald sähe es wieder anders aus.
Von Menschen belagerte Bürgersteige sind nicht zu sehen. Radau nicht zu hören.
Erst später, kurz nach 22 Uhr ist mehr los. Auch dafür haben die alteingesessenen Anwohner eine Erklärung: „Die Ückendorfer Straße und auch die Ziegelstraße werden beobachtet. Sind Fremde, der KOD oder die Polizei im Anmarsch, so sind alle auf ein Signal hin fix verschwunden und alles ist ruhig.“
Das sei der Grund dafür, warum so wenig Feststellungen gemacht würden seitens der Behörden.
Auch der WAZ-Fotograf berichtete davon, dass am Eingang der Ziegelstraße „eine Art Aufpasser“ im einem Wagen gesessen und ihn beobachtet habe, bevor sich die Situation zuspitze.
Erst am vorletzten Wochenende hat das Paar nach eigenen Angaben die Polizei wegen andauernden Lärms der rumänischen Nachbarn zuletzt alarmiert, weil „wir nachts kein Auge zugekriegt haben.“ Unter der Woche hätten sie zudem noch die mobile Sprechstunde des KOD besucht, und auch der zuständige Bezirksbeamte der Polizei sei ihr regelmäßiger Ansprechpartner. Was sie von den Behördenvertretern zu hören bekämen, wenn sie ihr Leid klagten, stimme sie aber wenig zuversichtlich, dass sich in absehbarer Zeit etwas zum Besseren wende.
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„Uns wird geraten, Vorfälle immer wieder zu melden. Gleichzeitig wurde uns berichtet, dass selbst Ordnungswidrigkeitenverfahren und Strafen wenig Wirkung zeigen. Geldbußen würden ignoriert, Beschuldigte tauchten kurzerhand unter, wenn sie zur Fahndung ausgeschrieben seien.“
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Ein Umstand, der von Behördenseite und Anwohnern gleichermaßen bestätigt wird, denn meist herrscht in solchen Häusern „eine starke Fluktuation“. Nicht selten sind die Zuwanderer nicht angemeldet oder haben sich kurzerhand eine andere Bleibe gesucht. „Das ist auch hier der Fall“, sagt das Ehepaar. Oft stünden in aller Herrgottsfrühe Transporter vor den Tür, würden der Hausstand nebst Kind und Kegel verladen, kurz darauf zögen neue Bewohner ein.
Gelsenkirchener Polizei: 17 Einsätze nach Notrufen in den vergangenen zwölf Monaten
Polizei und Stadt haben die Örtlichkeit seit Langem im Visier. Nach Angaben von Stadtsprecher Martin Schulmann sind die Häuser allein im Zeitraum von 1. bis zum 15. Juli dieses Jahres nach Alarmrufen 15 Mal vom KOD aufgesucht worden. „Hauptsächlich wegen gemeldeter Belästigung durch Rauch, Lärm und Müll“. Acht Mal habe es keine Feststellungen gegeben.
„Bei nahezu allen Kontrollen wurden Gefährderansprachen gehalten und Ordnungswidrigkeitenverfahren bei erneuten Verstößen angedroht“, so Schulmann weiter, der dazu noch dieses Bild der Probleme zeichnete: Zum einen lösten lärmende Kinder, die nach 21 Uhr unbeaufsichtigt auf der Straße spielten Beschwerden aus, nach 22 Uhr seien es Erwachsene, die augenscheinlich durch große Lautstärke auffielen.
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„In den vergangenen zwölf Monaten rückte die Polizei Gelsenkirchen zu 17 Einsätzen an der Ziegelstraße und der Ückendorfer Straße aus“, ergänzt Polizeisprecher Matthias Büscher. Überwiegend sei es um Ruhestörungen gegangen. Teilweise musste die Polizei mehrfach ausrücken, um die Bewohnerinnen und Bewohner zur Ruhe zu ermahnen. „Strafanzeigen oder Ordnungswidrigkeitenanzeigen wurden in diesem Zusammenhang nicht gefertigt“, so Büscher weiter.
Zahl der Polizeipräsenz kann deutlich höher sein, nur registrierte Notrufe werden gezählt
Die Ordnungsmacht kann in Wirklichkeit aber deutlich öfter vor Ort Präsenz gezeigt und eingeschritten sein, wie Büscher weiter erklärt: „Tatsächlich registriert wird behördenseitig nur die Zahl der Einsätze, die über den Notruf 110 ausgelöst worden sind.“
Da auch der Bezirksdienst der Polizei die Örtlichkeit regelmäßig bestreift und bei Bedarf tätig wird, kann es sein, dass Polizistinnen und Polizisten die Bewohner der vier Häuser öfter zur Ordnung ermahnt haben als es die offiziellen Zahlen zeigen.
Stadt und Polizei versprechen sich Besserung, wenn das Pilotprojekt Integrative Präventionsarbeit (IPA) in Ückendorf-Nord im Stadtteil fest verankert ist. Denn noch muss die Immobilie in der Ückendorfer Straße 138 für die Bedürfnisse der Projektpartner umgebaut werden. Nach der Fertigstellung werden dort Polizei, der Kommunale Ordnungsdienst und Sozialarbeiterinnen sowie Sprachmittlerinnen der Caritas unter einem Dach eng zusammenarbeiten, um das soziale Gefüge zu beruhigen. Bürgerinnen und Bürger werden dann eine zentrale Anlaufstelle in Ückendorf-Nord vorfinden. Zurzeit behilft man sich noch mit mobilen Sprechstunden.
Das alteingesessene Paar hat Zweifel an der Wirksamkeit: „Das bringt nur etwas, wenn die Anlaufstelle auch am Abend besetzt ist, denn erst so um 22 Uhr geht es hier rund.“
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