Gelsenkirchen. Weiterhin stellt die Zuwanderung aus Rumänen und Bulgarien Städte wie Duisburg und Gelsenkirchen vor Herausforderungen. Was den Städten fehlt.
Nicht nur Gelsenkirchen hat mit den Folgen der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien seit einigen Jahren zu kämpfen. Auch Städte wie Duisburg oder Dortmund etwa stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Sehr deutlich hatte dies Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) 2015 bei einer Flüchtlingskonferenz der SPD auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte“. Link musste in der Folge angesichts seiner Wortwahl Kritik einstecken, in der Sache erfuhr der Sozialdemokrat aber auch viel Zuspruch.
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Auf Nachfrage der WAZ erklärt er heute, dass sich die Problemlage nicht geändert habe und verweist darauf, dass Rumänen und Bulgaren als EU-Bürger ohne Beschränkungen für maximal sechs Monate herkommen können - zur Arbeitsaufnahme. Für Duisburg könne Link jedoch sagen, dass dies „in einer Vielzahl von Fällen“ nicht funktioniere und die Menschen nicht von ihrer Arbeit, „wenn sie denn überhaupt eine finden“, leben könnten.
Diese Menschen würden oft Opfer krimineller Organisationen, die sie dazu anstiften, Sozialhilfebetrug zu begehen, indem sie Scheinarbeitsverhältnisse eingehen oder Kinder beim Amt anmelden, die sie nicht haben, oder die nicht bei ihnen leben, um Hartz-IV-Aufstocker-Zahlungen oder Kindergeld zu bekommen, berichtet der OB und macht deutlich: „Wenn das EU-Recht Schlupflöcher hat und der deutsche Gesetzgeber akzeptiert, dass man mit einem Minijob Arbeitnehmer ist, fördert er Scheinselbstständigkeit. Solange den betroffenen Kommunen weder mit praxisnahen Gesetzen noch mit dauerhafter Finanzierung der Folgekosten bei dieser Problematik geholfen wird, wirken die meisten unserer Bemühungen nur an der Oberfläche.“
Bundestagsabgeordneter Markus Töns: Land NRW ist unfähig oder nicht willens zu helfen
Über mangelnde Hilfe der Bundes- und Landesregierungen klagt auch der Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete Markus Töns (SPD), der in Berlin nicht zuletzt als stellvertretender Vorsitzender des Europaausschusses mit der Zuwanderung aus EU-Ost zu tun hat.
„In der vergangenen Legislaturperiode habe ich an verschiedenen Stellen angesetzt, um den Folgen der Zuwanderung aus Südosteuropa zu begegnen. Auf meine Einladung hin hat sich eine Delegation der Europäischen Kommission in Gelsenkirchen mit Vertretern der Stadt zu arbeitsmarktpolitischen und integrationspolitischen Fragen ausgetauscht. Zentrales Ergebnis dieser Gespräche war, dass auch innerhalb des Schengenraums ein längerer Aufenthalt in einem anderen EU-Land in der Regel nur zur Arbeitssuche oder -aufnahme befristet erlaubt ist. Die Städte stehen aber vor der Herausforderung, diese Voraussetzung bei den Zugewanderten zu prüfen“, so Töns.
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Der 57-Jährige wirft der Landesregierung in Düsseldorf vor, nicht in der Lage oder Willens zu sein, die Kommunen bei dieser Aufgabe „ausreichend zu unterstützen“. Auch auf bundespolitischer Ebene sei es nicht möglich, weitere Unterstützung speziell für die betroffenen Kommunen zu mobilisieren. „Insbesondere der von Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister initiierte Staatssekretärsausschuss sollte aus unserer Sicht wiederbelebt werden. Doch weder das Wirtschaftsministerium noch das Innenministerium haben diese Idee aufgegriffen“, zieht Töns eine ernüchternde Bilanz der vergangenen Jahre.
Integrationsministerium verweist auf Unterstützung
Die Vorwürfe will das Düsseldorfer Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration so indes nicht stehen lassen. Menschen aus anderen Ländern bestmöglich in NRW zu integrieren, sei ein zentrales Anliegen der Landesregierung. Hierbei unterstützen 54 Kommunale Integrationszentren die Kommunen, heißt es in einer Stellungnahme auf Nachfrage der WAZ.
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Um die kommunale Integrationsarbeit für Menschen aus Südosteuropa weiter zu stärken, erhalten seit Mai 2020 darüber hinaus 21 Orte mit hoher Zuwanderung aus Südosteuropa bis 2022 insgesamt fünf Millionen Euro jährlich, darunter auch Gelsenkirchen, berichtet eine Ministeriumssprecherin.
Dass es zudem inzwischen Förderprogramme für Stadterneuerungsprojekte und zum Abriss von Schrottimmobilien sowie das Programm zur Verhinderung von Kindergeld-Betrug gibt, seien wichtige Bausteine und Beweis für die Unterstützung der Landesregierung, wenn es um die Folgen der Zuwanderung aus Südosteuropa gehe.
Frühere und amtierende Oberbürgermeister, Abgeordnete und Kommunalpolitiker sind sich hingegen einig: Diese Maßnahmen sind wichtig und willkommen, „aber noch nicht genug.“
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