Gelsenkirchen. Auch in Ückendorf fühlen sich Gelsenkirchener wegen Zuwanderern aus Südosteuropa unwohl. Was sie konkret stört - und wie die Behörden reagieren.

Unweit des Lidl-Supermarktes an der Ückendorfer Straße war sie gerade erst wieder im Einsatz, die Allianz aus Kommunalem Ordnungsdienst (KOD), Baubehörde und Wohnungsaufsicht, Arbeitsverwaltung, Polizei, Stromversorger und Sprachmittlern. Abermals ging es für das sogenannte „Interventionsteam EU-Ost“ darum, inakzeptable Wohnverhältnisse und möglichen Sozialbetrug zu unterbinden.

Ückendorfer berichten von „unerträglichen Zuständen“

Auf dem Hof des „Problemhauses“ an der Metzer Straße – wie die heruntergekommenen und oft überbelegten Gebäude im Ruhrgebiet genannt werden – entdeckten die Kontrolleure einen größeren Rattenbefall, der auf Müllablagerungen in der Garage und auf dem Hof zu zurückzuführen ist. Durch den Stromanbieter wurden wegen ausgebliebener Zahlungen zwei Stromzähler ausgebaut. Darüber hinaus wurde der Vermieter zur Schadnagerbekämpfung aufgefordert - Ausgang ungewiss.

Denn nicht selten reagieren die Eigentümer, die aus der Not der Zuwanderer hohe Gewinne mit heruntergekommenen Gebäuden machen, nicht oder erst sehr spät, wie Mitarbeiter der Stadtverwaltung leidlich zu berichten wissen.

Probleme mit Zuwanderern aus Südosteuropa

Doch Probleme gibt es in Ückendorf – und einigen anderen Gelsenkirchener Stadtteilen – nicht nur mit skrupellosen Vermietern, sondern auch mit den Mietern aus Bulgarien und Rumänien selbst.

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So berichten nicht nur Nachbarn an der Metzer Straße immer wieder von Lärm, Müll, Streitereien, von einschüchternden Gruppenbildungen und Belästigungen. Insbesondere in den Straßen rund um den Lidl-Markt – etwa im Bühlweg – liegen die Nerven bei manchen Anwohnern inzwischen blank.

Den Vorwurf fürchtend, zu Unrecht als Rassist verunglimpft zu werden, berichten einige Ückendorfer der Redaktion, ohne dass sie ihre Namen veröffentlicht wissen wollen, dass „die Zustände inzwischen unerträglich“ seien. „Unsere dreizehnjährige Tochter läuft nicht mehr am Parkplatz des Supermarktes vorbei“, berichtet ein besorgter Vater. Eigentlich müsste sie dort entlang, um zum Kommunionsunterricht zu gelangen.

Zu oft aber habe der Teenager anzügliche Sprüche und unangenehme Situationen erlebt, wenn dort schon kleine Jungs und junge Männer in großen Gruppen zusammenstünden „und sich aufführen, als gehöre ihnen die Straße“.

Hoffen auf Kontrolle der Regeleinhaltung und Angeboten zur Integration

Die Diskussionen um die Klagen einiger Anwohner und Händler am Heinrich-König-Platz in der Stadtmitte haben sie in Ückendorf aufmerksam verfolgt, wie sie sagen. Mitunter hätten sie ihre eigenen Sorgen und Nöte darin wiedererkannt.

Am Heinrich-König-Platz wurde reagiert. Nicht nur die Präsenz von KOD und Polizei wurde erhöht, auch haben Streetworker der katholischen Jugendsozialarbeit versucht, die dort pöbelnden Jugendlichen mit Sportangeboten zu erreichen. Ein Boxtraining wurde angeboten, ein mobiles Fußballfeld sollte aufgebaut werden - aber dann kam der Regen dazwischen.

Streetworker müssen von Ückendorf abziehen, um am Heinrich-König-Platz zu helfen

Holger Ott, Geschäftsführer der katholischen Jugendsozialarbeit, berichtet von Erfolgen. „Letztendlich“, sagt er, „handelt es sich um normale pubertierende Jugendliche mit normalen Biografien, die sich durch den Tag langweilen und auf größtmögliche Effekthascherei setzen.“ Natürlich dürfe man so ein Verhalten nicht akzeptieren - aber Kontakt zu den Jugendlichen aufzubauen, sei ohne Frage möglich.

Doch das Problem ist: Wenn die Streetworker nun regelmäßig am Heinrich-König-Platz unterwegs sind, fehlen sie an anderer Stelle. „Wir haben nicht die Ressourcen, um überall zur gleichen Zeit zu sein“, sagt Ott. In Ückendorf, dort wo die Arbeit der Streetworker auch dringend gebraucht wird, treten sie nun zeitweise ab.

Wird sich die Lage mit dem vor wenigen Wochen auf jenem Lidl-Parkplatz vorgestellten „Pilotprojekt Integrative Präventionsarbeit“, das mit Bürgersprechstunden wie verschärften Kontrollen, direkter Ansprache wie auch Repressionen auffährt, etwas verändern? Skeptisch bis vorsichtig optimistisch blicken die Ückendorfer bislang noch auf das Projekt.

KOD bestätigt Problemlage am Supermarktparkplatz

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Konfrontiert mit den Beschwerden der Ückendorfer, heißt es aus dem Rathaus schließlich, dass die beschriebene Lage im Umfeld des Lidl vom Ordnungsdienst bestätigt wird und deshalb bereits täglich KOD-Streifen in den Abendstunden den Bereich im Auge hätten. Darüber hinaus, so Martin Schulmann, Sprecher der Stadt, gebe es jeden Mittwoch von 15 bis 17 Uhr gemeinsame Sprechstunden des KOD, der Polizei und der Caritas-Sozialarbeiter auf dem Parkplatz.

Präsenz im Viertel: Darauf setzen Stadt, Polizei und Caritas gemeinsam in Gelsenkirchen-Ückendorf. Es geht um Prävention und konsequentes Vorgehen gegen Fehlverhalten. Polizeipräsidentin Britta Zur (rechts im Bild) und Oberbürgermeisterin Karin Welge stellten das Pilotprojekt mit den weiteren Akteuren entsprechend „auf der Straße“ vor.
Präsenz im Viertel: Darauf setzen Stadt, Polizei und Caritas gemeinsam in Gelsenkirchen-Ückendorf. Es geht um Prävention und konsequentes Vorgehen gegen Fehlverhalten. Polizeipräsidentin Britta Zur (rechts im Bild) und Oberbürgermeisterin Karin Welge stellten das Pilotprojekt mit den weiteren Akteuren entsprechend „auf der Straße“ vor. © Heinrich Jung | Heinrich Jung

„Die gemeinsame Arbeit und Präsenz des KOD, der Polizei und der Sozialarbeiter wird gut angenommen, das Projekt ist gut gestartet“, zieht Schulmann aus Sicht der Stadt ein erstes positives Fazit.

Überzeugt ist der Vater der Dreizehnjährigen noch nicht, noch könne er keinen positiven Effekt auf die Situation vor Ort erkennen. Nach wenigen Wochen habe er diesen aber auch ehrlicherweise nicht erwartet. Er hofft, sagt er, dass das Pilotprojekt „nicht nur Kosmetik“ ist, sondern ernsthaft etwas bewirken kann. „Bevor dieser Teil Ückendorfs kippt.“

„Das wäre unheimlich bedauerlich“, sagt eine andere Ückendorferin, die so gerne in diesem Stadtteil lebt. Nicht allein wegen der Revitalisierung der Bochumer Straße sei Ückendorf ansonsten „ein so lebenswerter Stadtteil“. Auch darüber hinaus gibt es so viele schöne Ecken, schwärmt die 50-Jährige. „Aber in der Nähe der Problemhäuser ist das Leben inzwischen ein Dauerärgernis. Dort muss etwas geschehen.“