Gelsenkirchen. Die Grundschulen sind seit gut einer Woche für Wechselunterricht geöffnet. Wie es läuft und welche positiven Erkenntnisse das mit sich bringt.

Die Grund- und Förderschüler sind zurück in der Schule. Wie geht es Ihnen damit? Wie läuft es? Zum Beispiel an der Grundschule Kurt-Schumacher-Straße. . .

Den Pausenhof teilt ein Flatterband. Auf dem Bolzplatz üben sich sechs Schüler – mit Maske – im Fußball, sichtbar entspannt. Ricardo steht am Rand und sein Strahlen ist durch die Maske hindurch sichtbar. Wie er es findet, wieder in der Schule sein zu können? „Suuuuper“, versichert er. Und Lehrerin Gabriele Gärtner ergänzt: „Er hat buchstäblich einen Luftsprung gemacht, als die Nachricht kam, dass die Schulen wieder öffnen. Er selbst war einer von den Kindern, die schon einige Zeit vorher hier betreut lernen durften. Aber jetzt ist das natürlich noch etwas anderes.“

Zuhause abends gelernt, weil es dann ruhig war

Von Gärtners Klasse 4c sind heute sieben Kinder da. Nach der Spielpause draußen ist Sachkundeunterricht an der Reihe, es soll um die 16 Bundesländer gehen. Alle Kinder tragen medizinische Masken, auf dem Tisch vor ihnen liegen selbstgenähte Masken mit Stickmotiven. Die Kinder haben sie im Lockdown daheim bestickt, mit Symbolen ihrer Wahl. Bei Sana (9) waren es Blumen, „weil die so freundlich sind“. „Zuhause war es langweilig“, klagt Esila (10). Yussef schließt sich ihrem Urteil an. Die Hausaufgabenpakete habe er immer abends gemacht, „weil es dann wenigstens ruhig war zuhause.“

Das frühe Aufstehen fällt noch schwer

Sich an die Schulzeiten gehalten – lernen vormittags, Hausaufgaben nachmittags – haben sich vor der Rückkehr in die Schule offenbar eher weniger Kinder. Den regelmäßigen Rhythmus haben sie zwar vermisst, das frühe Aufstehen aber eher nicht. Trotzdem ist die Gruppe sich einig: Schule an fünf Tagen in der Woche mit allen wäre am Schönsten.

Thorsten Seiß würde das Leinen in Kleingruppen gern dauerhaft anbieten können. Ab Sommer soll an seiner Schule das jahrgangsübergreifende Lernen in Klasse eins und zwei eingeführt werden, um die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen besser auffangen zu können.
Thorsten Seiß würde das Leinen in Kleingruppen gern dauerhaft anbieten können. Ab Sommer soll an seiner Schule das jahrgangsübergreifende Lernen in Klasse eins und zwei eingeführt werden, um die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen besser auffangen zu können. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Fahrradprüfung und Schwimmen stünden jetzt eigentlich auf dem Plan. Haval und Lucas vermissen das Schwimmen besonders, Yussef und Mohamad Rashed fehlt der Sport generell, bei Sana und Esila ist es der Kunstunterricht: doch all das findet gerade nicht statt. „Die Kinder sind stiller als vor dem Lockdown“ hat die Lehrerin beobachtet. Aber sie tauten langsam wieder auf und „sie lernen derzeit sehr konzentriert.“ So könne man viel nachholen. Die Zeit drängt: Der Schulwechsel steht im Sommer an.

Unterricht in großen, heterogenen Gruppen ein ewiger Spagat

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Auch Thorsten Seiß, Leiter derGrundschule an der Kurt-Schumacher-Straße, ist heilfroh, die Kinder wieder in der Schule zu haben. Er ist ebenso wie Gabriele Gärtner begeistert vom intensiven Lernen in den Kleingruppen. „Mein Kollegium hat sich gewünscht, die Schülerzahl zu dritteln, aus pädagogischen Gründen. Das heißt: Die Kinder kommen nur jeden dritten Tag in die Schule. Tatsächlich ist das ein ganz anderes Lernen als in den 28er-Klassen, es ist sehr bereichernd,“ schwärmt der Pädagoge. Bei den sonst extrem heterogenen, großen Gruppen sei der Spagat, den man beim Stoff machen müsse, enorm groß. Jetzt sei viel Feedback möglich; genau das komme beim digitalen Lernen viel zu kurz. Für „seine“ Schüler in Schalke-Nord ist die Rückmeldung beim Lernen besonders wichtig, viele Eltern können nicht helfen.

Gutes Lernen braucht emotionales Element mit Bezugsperson

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„Jahrelang haben wir geforscht, wie unser Gehirn lernt. Wir wissen: Gerade junge Kinder brauchen das emotionale Element beim Lernen und eine Bezugsperson live gegenüber. Das kann das Digitale nicht ersetzen“, ist er sicher. Dass das Digitale in diesen Zeiten dennoch hilfreich ist, bestreitet er nicht. Das geforderte Festhalten an der normalen Stundentafel verbunden mit der Erwartung, dass die Kinder nach diesem Schuljahr die gleichen Kompetenzen wie im normalen Unterricht erreichen könnten, hält er für wenig realistisch. Gerade bei Kindern, deren Eltern ihnen nicht helfen können.

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Wie es Montag weitergeht, ist offen

Die Schulöffnungen in der aktuellen Form mit Wechselunterricht und dem eingeschränkten Betreuungsangebot sind eigentlich nur bis zum 8. März terminiert. Ob und wenn ja, was sich ab nächstem Montag oder auch später ändert, ist am Mittwoch noch offen.

Nach den Beratungen der Ministerpräsidenten am Mittwoch entscheidet die Schulministerin über das weitere Vorgehen. Wann diese Entscheidung den Schulen vorliegt, ist offen. Die Schulen müssen dann das Problem lösen, die Eltern rechtzeitig zu informieren, falls ihr Kind Montag wieder in die Schule kommen soll. Dass Eltern Nachrichten verfolgen oder die Homepage der Schule lesen, ist vor allem in Brennpunktgebieten wie Schalke-Nord nicht selbstverständlich, weiß Schulleiter Thorsten Seiss.

Dass Lehrer und Schüler froh sind, wieder im Präsenzunterricht zu sein, meldeten ihm die Grundschulleiter in Videorunden immer wieder zurück, trotz der gleichzeitigen Sorge um die Gesundheit, bestätigt Friedtjof Unger. Er ist jetzt im Schulamt für die Schulaufsicht der Grundschulen zuständig, gemeinsam mit Petra Bommert. Die meisten Grundschulen in Gelsenkirchen hätten sich für den täglichen Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht entschieden, erläutert er.