Essen-Rüttenscheid. Egal ob Zweibar, Eule, De Prins oder Zucca: Die Corona-Krise geht den Betreibern der Rüttenscheider Kneipen an die Substanz. Was sie nun fordern.
Sie ist das Herz der Rüttenscheider Straße, lässt sie pulsieren und macht aus ihr erst die Ausgehmeile, für die sie bekannt ist: Aktuell aber wird die inhabergeführte Gastronomie nur mit Mühe am Leben gehalten. Wo bei frühlingshaften Temperaturen sonst hunderte Menschen kaffeeschlürfend in die Sonne blinzeln würden, bieten Flatterband und zusammengestellte Stühle nun seit Wochen ein Bild der Tristesse.
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Wie lange das Herz noch schlägt, das hänge nun von der Politik ab, glaubt etwa Brauereichef Dr. Thomas Stauder. Die Kunden aus der Gastronomie erlebe er zwischen „Frustration und Verzweiflung“, sagt er und fordert „Es ist existenziell, dass Hoteliers, Gastronomen und Veranstaltern unbürokratisch und schnell geholfen wird. Entscheidend ist außerdem eine zeitliche Perspektive mit klaren Regeln für alle.“
Phil Hinze (Zweibar): „Das Geld aus der Startnext-Kampagne zahlen wir an unser Team“
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Das hofft auch Phil Hinze, dessen Zweibar vor der Corona-Krise zu den beliebtesten Cafés an der Rü gehörte. Am vergangenen Wochenende hat er zum ersten Mal ein paar Gerichte zum Mitnehmen angeboten. Weniger, weil er sich davon den großen Umsatz verspricht sondern vielmehr, um wieder präsent zu sein und einige Stammgäste zumindest auf Distanz zu sehen. „Das ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein im Moment“, sagt er – und ist gleichzeitig dankbar für die große Solidarität seiner Gäste.
Mehr als 5.000 Euro hat die Zweibar über die Crowdfunding-Kampagne auf „Start Next“ einnehmen können. 161 Menschen haben „No Life without Zweibar-Coffee“ unterstützt und damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Hinze bereits im März Kurzarbeit anmeldete. „Das Geld aus der Kampagne zahlen wir zu einem Großteil an unser Team aus. Dadurch soll die Lücke etwas kleiner werden, die durch den Verdienstausfall entsteht“, erklärt Hinze.
Weggebrochene Trinkgelder belasten Mitarbeiter der Gastronomie besonders
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Vor allem die komplett weg gebrochenen Trinkgelder belasteten seine Mitarbeiter: „Das ist ein großer Teil ihrer monatlichen Einnahmen“, weiß Hinze, den ebenfalls Zukunftssorgen plagen. Zwar habe er die beantragte Corona-Soforthilfe zügig und unbürokratisch bekommen.
„Nur darf ich die ja nicht für meine privaten Aufwendungen nutzen und muss sie am Jahresende versteuern. Und selbst wenn die Gastronomie unter Auflagen wieder öffnen darf, werden sich die früheren Umsätze zunächst nur schwer erzielen lassen, die ich brauche, um meine Lebenshaltungskosten zu decken“, sagt der zweifache Vater. Daher fordert er ebenso wie etwa der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) einen gesonderten Rettungsschirm für die Gastronomie sowie eine Mehrwertsteuersenkung. Denn, so Hinze: „Mit dem To-Go-Geschäft allein werde ich nicht monatelang meine Familie ernähren können.“ Vor allem aber brauche es eine zeitliche Perspektive der Politik: „Wir müssen irgendwie wieder unternehmerisch planen können.“
Muzzi Kök (Zucca & Zizou): „Wir brauchen einen Rettungsschirm wie bei den Banken“
Auf ein Datum pocht auch Muzzi Kök, der an der Rü die beiden Cafés „Zucca“ und „Zizou“ sowie das „Bootshaus“ am Baldeneysee betreibt. In dem Glauben, Ende April wieder öffnen zu können, hatte er im März zunächst keine Kurzarbeit beantragt, was er nun nachgeholt habe, sagt Kök. Es gehe nun in erster Linie darum, das Personal nicht im Regen stehen zu lassen: „Wie damals bei den Banken braucht es jetzt auch einen Rettungsschirm für die Gastronomie“, fordert Kök, der vom To-Go-Angebot allein den Betrieb nicht wird aufrecht erhalten können.
Sollte die Gastronomie wieder öffnen, sei das sicher an strenge Auflagen geknüpft, glaubt Kök: „Daher braucht es selbst dann Hilfen, wenn die Gastronomie schrittweise wieder öffnet – da wir sicher allein etwa durch Abstandsregeln weniger Gäste bewirten können als zuvor.“
Gabriel Gedenk: „Sinn einer Bar wird mit Maske und Abstand ins Absurde geführt“
Vor solchen Auflagen graut es Gabriel Gedenk, der die Bar „Banditen wie wir“ an der Kahrstraße betreibt. Der Gastraum der hippen Bar misst gerade einmal 60 Quadratmeter: „Der Sinn und Zweck dieser Bar würde ins Absurde gezogen, wenn man sich hier künftig nur mit Maske und Abstand treffen könnte“, fürchtet Gedenk, der sich dabei jedoch einer treuen Stammkundschaft sicher sein kann.
Mehr als 6000 Euro sammelte er durch eine Startnext-Kampagne ein, verkaufte etwa Poster, Jutebeutel und hochprozentigen „Mexikaner“, um einen Teil seiner Kosten zu decken. Wie lange der Betrag sowie die gezahlte Corona-Soforthilfe seine monatlichen Fixkosten noch tragen, sei fraglich. Große finanzielle Polster suche man in der inhabergeführten Gastronomie jedenfalls oft vergeblich, weiß Gabriel: „Vor allem die kleineren Läden haben es nicht leicht. Viele denken jetzt über Kredite nach, um ihre Kosten irgendwie zu decken. Daher finde ich die Forderung nach einer zeitlich begrenzten Umsatzsteuersenkung auch richtig.“
Sven Dülfer vom De Prins: „Vorm Aufmachen habe ich Schiss“
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Eine solche Steuersenkung hält auch Sven Dülfer von der holländischen Szenekneipe De Prins am Isenbergplatz für einen gute Lösung: „Damit wäre vielen mehr geholfen als mit günstigen Krediten, die sie im Zweifel nicht zurück zahlen können.“ Dülfer gehört selbst zur Risikogruppe und würde seinen Laden lieber zu spät als zu früh wieder öffnen, wie er sagt: „Ganz ehrlich, vorm Aufmachen habe ich Schiss.“
Gleichwohl habe er großes Verständnis für alle Kollegen, die nun auf einen Zeitplan drängen. „Da hängt ja oft sehr viel dran. Bei mir ist das zum Glück etwas anders: Viele aus meinem Team sind gerade anderweitig untergekommen, etwa als Erntehelfer. Außerdem habe ich das Glück einer fairen Pacht. Ich habe unkompliziert die Corona-Soforthilfe bekommen, daher ist die Situation für mich persönlich gerade okay. Da kann ich aber nur für mich sprechen und weiß, wie schwer es die Branche gerade insgesamt hat.“
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Auch er ist von Auflagen fest überzeugt: „Wir sind ein kleiner Laden und bei uns gehört es zum Konzept, dass viele Menschen an einem Tisch sitzen, auch wenn sie sich nicht kennen. Ich werde auf jeden Fall auf Nummer sicher gehen, wenn ich wieder öffne.“ Und selbst dann werde es schwierig, er rechne jedenfalls nicht mit einem Ansturm der Gäste. Durch Corona müssten alle noch für eine längere Zeit sehr vorsichtig sein.
Simon Heidenreich: „Die Eule ohne Thekenbetrieb ist nur schwer vorstellbar“
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Auch deshalb werde es ohne weitere finanzielle Hilfen kaum gehen, davon ist auch Simon Heidenreich überzeugt. Der Wirt aus der Traditionsgaststätte „Eule“ ist enttäuscht, wie sehr die Gastronomie bislang in Gesprächen um Lockerungen und Zuwendungen „untergegangen“ ist. Auch er fordert einen Zeitrahmen: „Öffnen wir schon Anfang Mai? Oder erst nach Pfingsten? Oder sogar noch später? Niemand kann im Moment planen, das ist sehr schwierig. Und wenn wir öffnen, dann sicher nur mit Auflagen. Wie sollen die aussehen? Die Eule ohne Thekenbetrieb etwa ist nur schwer vorstellbar“, sagt Heidenreich.
Zwar haben auch der Eulen-Wirt und sein Team nun an drei Tagen die Woche ein To-Go-Angebot aufgebaut. So müssten Stammgäste samstags etwa nicht länger auf die Eulen-Erbsensuppe verzichten. „Das ist ganz nett und wir freuen uns, einige Gäste so wiederzusehen. Aber mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist das ja nicht, gemessen an unseren Fixkosten“, erklärt Heidenreich, der mit seiner Familie auch noch ein kleines Hotel im gleichen Haus führt. „Je länger dieser Zustand andauert, umso schwieriger wird es für uns alle“, sagt Heidenreich, der sich auch um einige Gäste sorgt: „Da gibt es manche, die allein leben und für die wir eine Art Wohnzimmer-Ersatz waren. Für sie ist die Isolation besonders schwierig.“