Essen. Er baute nicht nur im Team die Theater von Münster und Gelsenkirchen. Auch dem Essener Grillo-Theater verpasste Werner Ruhnau sein heutiges Inennleben beim Umbau 1989. Am Mittwoch feiert der gebürtige Königsberger und Wahl-Essener seinen 90. Geburtstag.
In seiner Wahlheimat Essen - genauer: Kettwig - gilt Werner Ruhnau als graue Eminenz für Kunst und Architektur. Selbst beim umstrittenen Umbau des Hauptbahnhofs war seine - eher kritische - Meinung dazu Stadtthema. Stadtthema war auch sein damals wie heute umstrittener Umbau des alten Opernhauses zum heutigen Grillo-Theater. Vielen missfiel 1989 der drastische Eingriff in die geschlossene Nachkriegsarchitektur. Dennoch: Das Grillo-Theater steht auch exemplarisch für die Kunst-, Theater und Architekturauffassung des gebürtigen Königsbergers, der heute seinen 90. Geburtstag feiert.
Das Zusammenspiel der Künste als sich gegenseitig befruchtende Disziplinen, die Ausrichtung allen Bauens auf den Menschen und der Gedanke des Spiels: Dies sind Grundhaltungen, die Ruhnaus Arbeit bis heute beeinflussen. Ideenreich und vor allem variabel sollten sie sein, seine Theater. Den Zuschauerraum des Grillo entwarf er als Raumtheater, mit wandelbaren Podien und ebensolcher Spielfläche. In dieser Saison kam die Raumbühne in der Inszenierung des Shakespeare-Stücks „Coriolan“ nach langer Zeit wieder zum Einsatz.
Geprägt vom Bauhaus
Klare Linien und Transparenz prägen seine Bauten. Das Bauhaus, das bei Ruhnaus Geburt noch in Weimar lag und nach der Verlegung nach Dessau von den Nazis geschlossen wurde, prägte ihn. In Karlsruhe, wo er nach Studien zunächst noch in Danzig, später in Braunschweig, 1950 seinen Abschluss als Diplom-Ingenieur machte, traf er noch auf Walter Gropius.
Als er Anfang der 50er Jahre mit Harald Deilmann, Ortwin Rave und Max von Hausen das Architektenteam im Baubüro der Landwirtschaftskammer Münster gründete, war das zugleich der Grundstein für spätere Arbeiten, mit denen man bekannt wurde. In Münster bauten Ruhnau und seine Kollegen das neue Stadttheater - in den Ruinen des kriegszerstörten historischen Hauses. Schon damals hatte Ruhnau ein Faible für Ruinen. „Dass man mit Altem entspannt umgehen kann, lernte ich durch meine Mutter kennen, die viel in Italien lebte“, erinnert sich der Architekt. „Stellen sie sich Rom ohne Ruinen vor, geht gar nicht“, sagt Ruhnau.
"Warum lässt man Bauten nicht in Würde verfallen?"
Hier erleben wir das Gegenteil. „Selbst Kirchen werden abgerissen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Warum lässt man manche Bauten nicht einfach in Würde verfallen?“. Die Städte hätten einen ganz anderen Charme, davon ist der Architekt überzeugt. „Denken sie an die Kreuzeskirche in der City. Wenn die nicht gehalten werden kann, was glauben sie, wie schnell die weg ist und das Grundstück vermarktet.“
Das passiert seinen Theatern wohl nicht. Das Meisterwerk Ruhnaus, das Musiktheater Gelsenkirchen, renovierte man erst vor drei Jahren zum 50-jährigen Bestehen. Mit seinen riesigen Foyers und den lapislazuliblauen Schwammbildern von Yves Klein zählt das Haus bis heute zu den spektakulärsten Theaterbauten der weiteren Region.
Mit den Erben von Ives Klein im Clinch
Das Klein-Blau reklamiert er als Ruhnau-Blau. Denn: „Die Farben die Yves mitbrachte hielten nicht, also machten wir uns an eine neue Zusammensetzung, die die Gipsreliefs wenigstens abdeckte“, erinnert sich Ruhnau. Dass er mit den Klein-Erben bis heute im Clinch liegt, verschweigt der alte Ostpreuße nicht. Sein Name sei aus allen Yves Klein-Dokumentationen herausgenommen worden, ärgert sich Ruhnau schon seit Jahren. Er nimmt wie so oft kein Blatt vor den Mund.
Das städtebauliche Umfeld des Gelsenkirchener Theaters habe gelitten. „Die 60 Jahre alten Bäume verdecken zum Teil die Architektur und die Blickbezüge zu den anderen wichtigen Bauten der Stadt, vor allem den Kirchen sei zum Teil zerstört worden“. Gerade daran war Ruhnau aber viel gelegen. Das Theater bedeutet für den Architekten so etwas die „ästhetische Kirche“ im Sinne Hölderlins. „Theatergemeinde ist für mich ein ähnlich öffentlicher Raum, wie die Kirchengemeinde, die Fan-Gemeinde, aber auch der Stadtraum, in dem man sich zeigt und aufhält.“ Wenn alles nur zu gerümpelt und dem Kommerz geopfert werde, gehe damit nicht nur ein Stück Kultur sondern auch echte Lebensqualität verloren.
Umbau am Münsteraner Theater
Ein wenig ruppig wird Ruhnau, wenn er sich ärgert. Aber er ist kein Meckerer und immer für einen konstruktiven Gegenvorschlag zu haben. Auch wenn es dann heißt: Weg mit dem Baum, wenn er ein Baudenkmal oder gute Architektur verdeckt. „Ein Stadtraum ist eben kein Wald.“
Während er spricht, blickt er auf Zeichnungen und Skizzen. Originale von Günter Grass. „Der hatte immer schon eine große Klappe, kommt ja aus Danzig, ist also Ostpreuße wie ich.“ Aber dass er jetzt Teheran die Stange hält, versteht Ruhnau nicht. „Wenn überhaupt, dann verdienten die ja einen Denkzettel“. Aber dann ist der Architekt schon wieder bei seiner Arbeit. In Münster baut er um, am Theater. Mit einem seiner vier Söhne. Schön, dass er es nicht lassen kann.
Der Kunstverein Ruhr im Forum für Kunst und Architektur am Essener Kopstadtplatz veranstaltet zum heutigen Geburtstag Werner Ruhnaus um 19 Uhr einen Gesprächsabend mit dem Jubilar und Peter Friese. Thema: „Theaterkonzepte, Spielräume und das Gelsenkirchener Blau“.
Am Samstag, 12 Uhr, gibt es einen Empfang im Gelsenkirchener Musiktheater.