Essen. Wie lebt es sich ganz ohne Fleisch, Eier und Milchprodukte? NRZ-Reporter Felix Rentzsch hat den Test gemacht und seine Ernährung für sieben Tage umgestellt. Statt Sahnetorte gab es eine Woche lang Sojamilch, Veggie Burger und Bananen.

Um es gleich vorweg zu sagen: Am Tag nach meinem Experiment habe ich mir fünf Würstchen gekauft und in wenigen Minuten mit ganz viel Senf verdrückt.

Ich gebe zu, dass mir das Fleisch in dem Moment nicht richtig schmecken wollte. Irgendwie fehlte der Kick, dabei esse ich so etwas eigentlich gerne. Dass ich meine Ernährung für sieben Tage auf rein pflanzliche Produkte umgestellt habe, ist eigentlich Ihnen geschuldet. In Kommentaren zu den bisherigen Teilen dieser Serie haben nämlich einige Leser gemutmaßt, dass der Verfasser dieser Gesundheits-Texte in jedem Fall Veganer sein muss, weil er hier für seine Lebensweise missionieren will. Ich versichere Ihnen, dass mir nichts ferner liegt, im Gegenteil: Ich habe mich selbst bekehrt und auf viele Dinge verzichtet, die ich gerne esse. Kuchen zum Beispiel.

90 Prozent aller Waren fallen weg

Fangen wir mit meinem ersten veganen Einkauf an, der in etwa so ablief: Ich betrete einen großen Supermarkt in der Innenstadt, und während ich mit meinem Körbchen durch die Gänge schreite, wird mir klar, dass ich mir über 90 Prozent aller Waren keine Gedanken zu machen brauche, denn sie stehen auf dem Index.

Von Veganern habe ich später oft gehört, dass sie gerade dies als sehr entspannend empfinden, da sie nicht von irgendwelchen Sonderangeboten abgelenkt werden. Ich dagegen bin ziemlich überfordert. Ich überlege sogar Oma anzurufen, um sie zu fragen, was ich überhaupt einkaufen kann. Dann fällt mir ein, dass die 81-Jährige gar nicht weiß, was vegan ist. In genau dem Moment spricht mich eine Frau an, die meine Situation offenbar noch gut aus eigener Erfahrung kennt.

Eine Frage der Motivation

Zwei Stunden später entschließe ich mich, Tofu-Würstchen für alle Zeiten von meinem Speiseplan zu streichen. Geschmacklich war das einfach ein Reinfall, auch wenn die Würstchen ziemlich echt aussehen. Den Rest des Abends frage ich mich, warum das Ganze unbedingt Würstchen heißen muss. Irgendwie inkonsequent von der Lebensmittelindustrie. Aber das ist eine andere Debatte.

Als Nachtisch gibt es vegane Schokokekse und Sojamilch mit Vanille. Von da an geht es bergauf: Obst esse ich auch so gerne, Saft ist immer gut und Nudeln mit Tomatensauce können nicht schlecht sein. Eigentlich essen wir ständig vegane Sachen, ohne dass wir es merken: Kartoffeln etwa oder Reis mit Gemüse.

Sieben Tage reichen nicht für Gewichtsverlust 

Bereits nach zwei, drei Tagen wird mir klar, dass vegane Ernährung nicht nur eine moralische Frage ist. Wo immer ich auch Veganer treffe, höre ich, dass es den Leuten viel besser geht, seit sie auf tierische Fette verzichten. Einige behaupten, sie fühlen sich plötzlich 20 Jahre jünger, seien nie mehr krank und hätten keine Rückenschmerzen mehr. Ich hätte auch gerne ein paar Kilo verloren, aber irgendwie wollte das in nur sieben Tagen nicht klappen.

Die Kollegen in der NRZ- Redaktion hatten wegen der ganzen Geschichte schon befürchtet, dass ich eine Woche lang schlecht gelaunt zur Arbeit erscheinen würde. Ein Redakteur erzählt mir täglich, dass er sich in der Kantine ein Schnitzel bestellt hat – und fragt, ob er mich mit Bananen füttern soll. Ich ergreife daraufhin die Offensive und biete ein paar Käsehäppchen oder Chips an – jeweils die vegane Variante. Die Begeisterung hält sich in Grenzen.

2,20 Euro für einen Liter Sojamilch

Beim Mittagessen mache ich anfangs noch einige Fehler: An einem der ersten Tage bestelle ich mir einen großen Salatteller mit Balsamico-Dressing. Grundsätzlich keine schlechte Sache, aber der Kollege gegenüber isst Reis mit Tomatensauce und Hühnchenbrust. Hätte ich das Geflügel weggelassen, hätte ich das gleiche Menü bestellen können. Merke: Wenn man das System erst einmal verstanden hat, ist die Auswahl ziemlich groß. Einen Tag später ist es genau umgekehrt: Als hätte ich mich mit dem Küchenchef abgesprochen, gibt es einen saftigen Kichererbsen-Burger mit Mango-Kokos-Dip. Davon will dann plötzlich jeder kosten...

Im Supermarkt sieht es mit dem Angebot schon wieder ganz anders aus. Während es im Einkaufszentrum zwei gesonderte Regale mit veganen Produkten gibt, bietet der Discounter in Steele lediglich sechs Produkte, die speziell auf meine Ernährungsweise abgestimmt sind – von Obst und Gemüse mal abgesehen. In anderen Geschäften sieht es nicht viel besser aus: Mal gibt es veganes Cevapcici und ab und zu ein paar Tüten Sojamilch. Gewöhnliche Produkte haben meistens irgendeinen Makel. Selbst Dinge, die unbedenklich erscheinen, können tierische Fette enthalten. Selbst beim Zucker gibt es solche und solche Sorten.

Als ich mit einer Erkältung zu kämpfen habe, mache ich mir einen Tee mit Bienenhonig. Mir ist klar, dass Veganer keinen Honig essen, aber es ist spät abends, und ich habe schlicht keine Lust, erst eine Viertelstunde zu recherchieren, was sich da als Ersatzprodukt anbietet. In solchen Momenten kann vegane Ernährung anstrengend sein. Auch an der Supermarktkasse mache ich mir so meine Gedanken: Für einen Liter Sojamilch bezahle ich 2,20 Euro. 150 Gramm Käseersatz kosten 2,99 Euro, und für ein wirklich kleines Gläschen mit Schnittlauch-Aufstrich muss ich 2,49 Euro hinlegen.

Mit 3,95 Euro waren die fünf Würstchen dagegen fast geschenkt.