Vegane Schocker-Doku "Earthlings" – Lasst die KZ-Vergleiche!
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Essen. Fast jeder Veganer dürfte den Film “Earthlings“ kennen. Die Schocker-Doku mit Hollywood-Star Joaquin Phoenix als Erzähler soll die Grausamkeiten der Nutztierhaltung aufzeigen. Unseren Autor im veganen Selbstversuch konnte der Film nicht überzeugen. Das liegt auch an unsäglichen KZ-Vergleichen.
Die Dicke Bertha war eines der schwersten Geschütze, das je gebaut wurde. Im Ersten Weltkrieg sollte es die stark gesicherten, dicken Betonwände französischer Festungen zum Einsturz bringen. Das Geschütz sprengte seinerzeit jede Größenordnung, allein die verschossenen Patronen wogen über eine Tonne. Die Munition der Dicken Bertha flog über 14 Kilometer weit, der Abschussknall der Waffe zerstörte angeblich Fensterscheiben im Umkreis von einem Kilometer. Die Waffe war so gewaltig, dass sie noch heute ein Synonym für extreme Maßnahmen ist. Auch Tierrechtler haben ihre eigene Dicke Bertha im Angebot, ein Sturmgeschütz des Veganismus - die Schocker-Dokumentation "Earthlings".
Seit dem Beginn meines Selbstexperiments schreiben mir immer wieder Veganer von diesem Film. Sie erzählen davon, wie sehr Earthlings sie beeinflusst hat. Mein "Vegan Buddy", Henriette Kortekamp, wurde durch die Dokumentation sogar zum Veganer.
Vegane Stars stehen hinter Earthlings
Die Produzenten haben 2005 reichlich Prominenz aufgefahren um Earthlings groß raus zu bringen. Den Soundtrack hat der vegane Musik-Star Moby produziert, als Sprecher fungiert der vegane Hollywood-Star Joaquin Phoenix (Gladiator). Auch der Titel ist wohl gewählt. Denn Earthlings (zu deutsch: Erdlinge), das sind eben nicht nur Menschen, sondern alle Lebewesen auf der Erde. Allerdings werden nach Ansicht der Produzenten längst nicht alle Lebewesen gleich behandelt. Im Gegenteil: Tiere werden von Menschen gequält und ausgebeutet. Earthlings ist eine Anklage.
Veganes LebenDie Dokumentation ist im Prinzip eine Ansammlung schlimmer Tierquälereien, die von Joaquin Phoenix trauriger Stimme erläutert werden. Die gezeigten Bilder sind ohne Frage grausam. Sie sollen aufzeigen, wie sehr die moderne Industrie Tiere als Ware behandelt, denen der Status als Lebewesen längst aberkannt wurde.
Vögel, denen die Schnäbel abgeschnitten werden, Schweine, die bei lebendigem Leib verbluten, und um Hilfe schreiende Rinder, die durch den Schlachthof gezogen werden. Streunende Hunde, die zusammengepfercht und mit Gas umgebracht werden. Es sind Szenen, die sich ins Hirn brennen und dem Zuschauern sicherlich für einige Tage die Lust auf Steaks und Würstchen nehmen.
Unangebrachter KZ-Vergleich
Earthlings wirft aber auch die Machtfrage auf. Dürfen wir Menschen Tiere für Fleisch, Kleidung und Unterhaltung (etwa in Zoos) benutzen, nur weil wir mehr Macht als sie haben? Was gibt uns das Recht dazu? Es sind wichtige Fragen, doch leider merkt man Earthlings zu sehr an, dass die Produzenten keinen Wert auf eine differenzierte Auseinandersetzung mit dieser Frage legen.
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Außerdem erfährt der Zuschauer an keiner Stelle, wo und wie die gezeigten Schocker-Bilder zustande gekommen sind. Manche Szenen sehen sogar aus, als seien sie mehrere Jahrzehnte alt. Offen bleibt auch, ob die angeprangerten Zustände Normalität sind - oder schlicht und einfach verboten. Und dann ist da noch die Sache mit den KZ-Vergleichen.
Holocaust, Rinderzucht, andere Verbrechen. Alles irgendwie das selbe
Denn zu Beginn des Films werden Aufnahmen einer großen Rinderfarm kurz nach Bildern eines Konzentrationslagers gezeigt. Anschließend bekommt der Zuschauer weitere Verbrechen zu sehen, diesmal wieder an Menschen. Wo und aus welchen Gründen diese geschehen sind bleibt offen. Konzentrationslager, nicht genauer benannten Menschenrechtsverletzung und Massentierhaltung in einer Szene. Das wirkt nicht nur wie ein billiger Versuch Aufmerksamkeit zu erhaschen, sondern ist auch gefährliche Gleichmacherei.
Denn die politische Verfolgung von Millionen Juden hat rein gar nichts damit zu tun, dass Menschen viele Tiere als günstige Nahrungsquelle ausnutzen. Der Holocaust, Rinderzucht, irgendwelche anderen Verbrechen. Bei Earthlings ist das alles irgendwie das selbe. Das ist schade.
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Denn natürlich gehen wir Menschen teilweise mehr als grausam mit Tieren um, auch in Deutschland. Diese Missstände dürfen und sollen angesprochen werden. Anschließend kann dann jeder selbst entscheiden, was er essen möchte. Zum Aufklärungsfilm in Sachen Tierhaltung taugt Earthlings jedoch nicht. Die Dokumentation ist eher ein Quell der Selbstbestätigung für Veganer. Noch in diesem Jahr soll mit der Dokumentation "Unity" übrigens ein Nachfolger veröffentlicht werden. Es wäre dem Film zu wünschen, dass er ohne KZ-Vergleiche auskommt.
Haben Sie Earthlings gesehen und vielleicht eine komplett andere Meinung zum Film? Schreiben Sie mir eine E-Mail an vegan@derwesten.de oder melden Sie sich via Twitter bei @laurenzvegan.
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