Essen. Im Untreue-Prozess um den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff hat am Montag dessen langjähriger Chauffeur ausgesagt: “Stau war das Schlimmste für ihn.“ Middelhoff hatte mehrere Dutzend Male Privatjets und Hubschrauber für den Weg zur Arbeit genutzt - und über die Firma abgerechnet.

Das Gesicht gebräunt von der südfranzösischen Sonne, ein selbstbewusstes Lächeln im Gesicht: Thomas Middelhoff zeigt sich am Montag im Essener Landgericht gut aufgelegt. Der 61-Jährige witzelt über seine Flucht vor den Fotografen und seinen Sprung vom Garagendach. Seine Kinder seien stolz auf ihn gewesen, sagt er. Dabei kann Middelhoff nicht sicher sein, ob nicht in einer Verhandlungspause wieder ein Gerichtsvollzieher auf ihn wartet.

Es ist der 17. Prozesstag im Untreue-Prozess gegen den Manager. Der 61-Jährige hatte ursprünglich gehofft, das Verfahren nutzen zu können, um sein Image in der Öffentlichkeit aufzupolieren. Schon am ersten Verhandlungstag hatte er angekündigt: "Ich werde heute und während des Prozessverlaufs entschieden um meinen Ruf und gegen Vorverurteilungen kämpfen."

Ehemalige Geschäftspartner fordern Millionen

Das Verfahren findet inzwischen vor fast leeren Zuschauerbänken statt. Unangenehm für Middelhoff dürfte dabei vor allem gewesen sein, was sich in zahlreichen Verhandlungspausen abspielte. Mehrfach nutzten Gerichtsvollzieher die Anwesenheitspflicht des Managers, um ihn mit Millionenforderungen ehemaliger Geschäftspartner oder des Arcandor-Insolvenzverwalters zu konfrontieren. Und fast immer fand dies den Weg in die Öffentlichkeit. Middelhoffs Interview mitsamt der Offenlegung seiner komplizierten finanziellen Situation am Wochenende war deshalb wohl auch ein Befreiungsschlag.

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Denn auch am 17. Prozesstag kann der Manager nicht vor einer unangenehmen Überraschung sicher sein. Schließlich hat auch Middelhoffs früherer Vermögensverwalter Josef Esch inzwischen einen Gerichtsvollzieher in Marsch gesetzt, um seinen Millionenforderungen gegen den Manager Nachdruck zu verleihen, wie ein Sprecher der Esch-Gruppe am Montag bestätigt.

Spektakuläre Flucht über Garagendächer

Im Saal 101 des Essener Landgerichts selbst geht es an diesem Tag allerdings weder um die spektakuläre Flucht des Managers über die Garagendächer von Essen, noch um seine finanzielle Situation. Einmal mehr ist nüchterne Faktensuche angesagt. Middelhoffs Arbeitsvertrag wird verlesen, sein Fahrer als Zeuge gehört. Das Ergebnis kurz zusammengefasst: Middelhoff arbeitete als Arcandor-Chef viel, verdiente gut und hasste Staus.

Der Fahrer berichtet von 15-Stunden-Tagen des Arcandor-Chefs. Auch während der Fahrten im Dienstwagen habe der Manager praktisch ununterbrochen gearbeitet. "Es gab eigentlich keine persönlichen Gespräche", erzählt der langjährige Mitarbeiter. Middelhoff habe zu arbeiten angefangen, wenn er ins Auto gestiegen sei. Er habe Akten gelesen und telefoniert. Meist habe er noch beim Aussteigen das Handy am Ohr gehabt. Es habe sogar ein Fax-Gerät im Wagen gegeben.

Middelhoff verdiente 47.000 Euro monatlich - plus Boni

Allerdings wurde Middelhoff dafür auch gut bezahlt. Sein Dienstvertrag sicherte ihm ein Monatsgehalt von 47.000 Euro, sowie Tantiemen von mindestens 180.000 Euro im Jahr und darüber hinaus Bonuszahlungen von bis zu 900.000 Euro zu.

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Der Fahrer berichtet auch, dass Staus für Middelhoff ein rotes Tuch gewesen seien. "Stau war das Schlimmste für ihn", sage der Fahrer. Einmal sei Middelhoff sogar aus dem stehenden Fahrzeug gestiegen, um nach einer Möglichkeit zu suchen, anders ans Ziel zu kommen. Das klingt nach einer allzumenschlichen Schwäche, könnte für das Verfahren aber noch eine Bedeutung haben. Schließlich wird Middelhoff auch zur Last gelegt, auf Firmenkosten mit Hubschraubern und Privatjets von seinem Haus in Bielefeld über die Staus hinweg zur Firmenzentrale geflogen zu sein.

Schon am Mittag ist der Verhandlungstag vorbei. Middelhoff steigt mit seinen Rechtsanwälten in seine Limousine. Ein Gerichtsvollzieher wurde diesmal nicht gesichtet. (dpa)