Essen. . Madeleine Schickedanz als Zeugin vor dem Langericht Essen: Einst sagte die Quelle-Erbin Thomas Middelhoff 100 Millionen Euro als Prämie zu, sollte es dem Manager gelingen, einen Investor für Karstadt-Quelle zu finden. Der Plan ging schief. Viele Details dazu waren bislang unbekannt.
Die Zeugin Madeleine Schickedanz bietet ein Bild der Unsicherheit. Die frühere Großaktionärin des mächtigen Karstadt-Quelle-Konzerns wirkt nervös und zerbrechlich, ist blass. Links neben ihr auf der Anklagebank sitzt Thomas Middelhoff, der einstige Konzernchef – braungebrannt und selbstsicher. Madeleine Schickedanz hat sich auf Middelhoff verlassen – und heute gibt es Karstadt-Quelle nicht mehr. Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren meldete der Nachfolgekonzern Arcandor Insolvenz an. Dass Schickedanz nun als Zeugin im Prozess gegen Thomas Middelhoff vor Gericht aussagen musste, war also auch ein Stück Aufarbeitung deutscher Wirtschaftsgeschichte.
Vordergründig ging es darum, ob Middelhoff private Flüge mit Chartermaschinen zu Unrecht auf Kosten des Konzerns abgerechnet hat. Doch nebenbei gewährte das Verfahren vor dem Essener Landgericht auch einen Blick darauf, wie Karstadt-Quelle immer tiefer in die Krise rutschte. Die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz jedenfalls sah sich selbst nicht in der Lage, den Konzern zu retten. Ihr Einfluss im Unternehmen sei nicht groß gewesen. „Ich war nie ehrgeizig“, sagte sie. Als Beruf gibt die 70-Jährige „Hausfrau“ an. Sie habe Middelhoff vertraut – und Josef Esch, ihrem Vermögensverwalter, der gleichzeitig Middelhoffs Vermögensverwalter war.
Quelle-Erbin Schickedanz gesteht, "ich war dumm"
Selbst einen Masterplan („Rotterdam-Papier“), in dem skizziert wurde, Karstadt-Quelle von der Börse zu nehmen und Investoren zu suchen, habe sie vor ihrer Unterschrift nicht gelesen. „Weil ich dumm war“, sagte Schickedanz in bemerkenswerter Offenheit.
Als Karstadt-Quelle in die Krise rutschte und mehr Geld verschlang, verschuldete sich Familie Schickedanz. Esch habe ihnen gesagt, „wenn ihr nicht bei der Kapitalerhöhung mitzeichnet, ist das Unternehmen pleite“, erinnerte sich Leo Herl (71), der Ehemann von Madeleine Schickedanz. „Das war der Zeitpunkt, ab dem wir in der Abhängigkeit waren.“ Middelhoff war der Hoffnungsträger der Familie. Er sollte einen Investor finden, um Schickedanz zu entschulden. 100 Millionen Euro habe man Middelhoff versprochen, wenn es ihm gelingen sollte, einen 500-Millionen-Geldgeber zu finden – 20 Prozent als „Erfolgsprämie“. Dies, erinnert sich Herl, sei besprochen worden, bevor Middelhoff bei Karstadt-Quelle anfing.
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„Wie käme ich dazu?“
Die Staatsanwaltschaft wirft Middelhoff vor, den Konzern zu Unrecht mit Kosten in Höhe von rund 1,1 Millionen Euro belastet zu haben. Der Manager weist die Vorwürfe zurück. Dass sie Middelhoff zugesagt habe, die Bezahlung aller Privatflüge im Charterjet zu übernehmen, bestreitet Schickedanz. „Wie käme ich dazu?“, sagte sie. Ein solcher „Freibrief“ sei undenkbar, betonte Herl. Ob es ihm bekannt gewesen sei, dass Middelhoff von Bielefeld gelegentlich mit dem Hubschrauber zur Arbeit nach Essen gereist sei?, fragte Richter Jörg Schmitt. „Nein“, antwortete Herl.
Ihr Vermögensverwalter Esch habe ihr Middelhoff vorgestellt, erzählte Schickedanz. „Wenn alle Stricke reißen, kann ich dir Herrn Dr. Middelhoff vermitteln“, habe er gesagt. Middelhoff übernahm schließlich den Aufsichtsrats- und später den Vorstandsvorsitz. „Ich habe versucht, dieses Unternehmen in sicheres Gewässer zu bringen“, beteuerte Schickedanz. Doch sie entschied sich ganz offensichtlich für die falschen Männer.