Essen. . Kurz vor der Sommerpause des Middelhoff-Prozesses erzählen seine Ex-Vorstandskollegen, weshalb sie seiner Einladung nach St. Tropez folgten und was sie dort erwartete. Von Freizeit könne keine Rede sein, behaupten sie: „Zu 80 Prozent Arbeit!“

Dass Thomas Middelhoff, Ex-Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor, sich vor dem Landgericht Essen wegen teurer Wochenenden in St. Tropez verantworten muss, können seine früheren Vorstandskollegen nicht verstehen. Als Zeugen vermitteln sie der XV. Strafkammer den Eindruck harter Arbeit an der südfranzösischen Küste. Middelhoff muss sich wegen Untreue von rund einer Million Euro verantworten, weil er den später insolventen Konzern mit privaten Kosten belastet haben soll. Dazu gehören Charterflüge, eine Festschrift und die Wochenenden mit Vorstandskollegen in seinem Domizil in St. Tropez.

Richter Jörg Schmitt hält den Zeugen die Einladung an die Herren, die ihre Partnerinnen mitbringen durften, vor. „Powershopping“ steht da, auch „Drinks, Dinner, Lunch“, Nachtleben in fetziger Kleidung oder schlicht „faulenzen auf dem Boot“. Den Eindruck einer Freizeittour weisen sie zurück.

Brutal, harte Arbeit

Am deutlichsten formuliert es am Freitag Ex-Finanzvorstand Peter Diesch (59). Von „brutal, harter Arbeit“ spricht er, auch St. Tropez sei „zu 80 Prozent“ Arbeit gewesen. Beim „Powershopping“ sei nichts gekauft worden: „Wir haben nur über Finanzierungen geredet.“ Und an ein Nachtleben in fetziger Kleidung könne er sich gar nicht erinnern: „Das hätte auch nicht zu den Typen gepasst.“ Ein anderer Zeuge hatte dem Gericht erklärt, warum auch die Ehefrauen mit ans Mittelmeer gereist waren: „Die sollten mal sehen, wie hoch unsere Arbeitsbelastung ist.“

Es sind keine gewöhnlichen Zeugen, die kurz vor der dreiwöchigen Sommerpause vom Gericht vernommen werden. Es wirkt immer wieder eine Spur überheblich, wenn die früheren Konzernlenker der Strafkammer Einblick in die Welt der Führungsebene gewähren.

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Wie bei einer Vorstandssitzung

Das fing schon bei der Einlassung von Thomas Middelhoff zu Beginn des im Mai gestarteten Verfahrens an. „Lassen Sie mich erklären“, sagte er oft, oder „Wenn ich Ihnen das mal verdeutlichen darf“. Manchmal hatten Zuhörer den Eindruck, Middelhoff leite eine Vorstandssitzung, etwa wenn er nach einer seiner Erklärungen ein knappes „Und? Haben sie’s?“ in Richtung Richterbank fallen ließ. Schnell korrigierte er sich damals: „Ich meine, haben Sie es verstanden, so wie ich es erklärt habe.“

Seine früheren Vorstandskollegen rücken mit ein oder zwei Rechtsanwälten als Rechtsbeistand an. Weil die Bochumer Staatsanwaltschaft auch gegen sie wegen Untreue zu Lasten Arcandors ermittelt, wollen sie am liebsten vor Gericht schweigen. Richter Schmitt sieht das Auskunftsverweigerungsrecht aber nur in einigen Punkten gegeben und deutet kurz die Möglichkeiten des Gerichtes an: Zwangsmaßnahmen.

Die Anwälte werden ihren Mandanten anschließend erklärt haben, was der Richter damit meint, nämlich bis zu sechs Monate Beugehaft. Danach stellen sie sich den Fragen, haben verstanden, dass im Gerichtssaal andere Regeln gelten als an der Konzernspitze.