Essen. Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff hat Spekulationen widersprochen, er stehe vor dem finanziellen Ruin. Er habe allerdings dem Gerichtsvollzieher Auskunft geben müssen. Nach dem Termin dort sei er aus dem Fenster und über ein Garagendach geflohen, um wartenden Journalisten zu entkommen.
Während 17.000 Mitarbeiter des angeschlagenen Warenhaus-Konzerns Karstadt seit Jahren um ihre Zukunft bangen, rühmt sich ihr Ex-Chef Thomas Middelhoff eines filmreifen Sprungs aus einem Fenster des Essener Landgerichts. Mit dem Stunt wollte er lästigen Journalisten-Fragen entgehen.
Der vermeintliche PR-Gag hat einen gar nicht so lustigen Hintergrund. Middelhoff musste vor einem Gerichtsvollzieher am Freitag seine Vermögensverhältnisse offenlegen, weil sein früherer Geschäftspartner, der Unternehmensberater Roland Berger, 7,5 Millionen von ihm fordert, wie der Manager selbst bestätigt. Rund zwei Millionen Euro davon seien bereits durch Sicherheiten gedeckt. Sein früherer Vermögensverwalter Josef Esch, listet Middelhoff weiter auf, fordere 2,5 Millionen Euro, der Arcandor-Insolvenzverwalter 3,4 Millionen Euro, die allerdings durch seine Managerversicherung abgedeckt seien, und die Bank Sal. Oppenheim rund 70 Millionen Euro. Er selbst fordere umgekehrt über 200 Millionen Euro, betont Middelhoff.
Probleme mit der Liquidität
Obwohl der 61-Jährige am Freitag den Offenbarungseid leisten musste, erwidert er die Frage der Nachrichtenagentur dpa „Sind Sie pleite?“ mit einem Dementi: „Ganz klare Antwort. Nein.“ Sein Problem sei, dass er an seine Liquidität nicht herankomme, die von der Bank Sal. Oppenheim blockiert werde. Dazu erwarte er jedoch noch in diesem Jahr ein erstinstanzliches Urteil. Er müsse deshalb Wege finden, wie er bestehende Forderungen bedienen könne. „Dazu bin ich gerne bereit. Und an der Umsetzung arbeiten wir mit Hochdruck“, sagt Middelhoff und unterstreicht, dass er noch „ausreichend andere Vermögenswerte“ habe.
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In den vergangenen Monaten hatten wiederholt Gerichtsvollzieher den noch laufenden Untreue-Prozess gegen den früheren Arcandor-Chef vor dem Essener Landgericht genutzt, um den Angeklagten abzufangen und ihm Forderungen zu präsentieren. Und schon an diesem Montag, wenn das Verfahren um Hubschrauber- und Charterflüge auf Kosten des 2009 pleitegegangenen Handelskonzerns fortgesetzt wird, könnte es erneut dazu kommen. Denn dem Vernehmen nach hat inzwischen auch sein früherer Vermögensverwalter Esch den Gerichtsvollzieher in Marsch gesetzt.
Drei Meter tief gesprungen
Das Interesse der Journalisten dürfte einmal mehr groß sein. Dem Blitzlichtgewitter am Freitag jedenfalls entging Middelhoff. „Ich bin wie die Katze übers Dach. Ich musste drei Meter tief auf eine Garage springen und dann noch einmal drei Meter auf die Straße.“ Zu der halsbrecherischen Aktion hatte sich Middelhoff entschieden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Leiter, die ihm Justizmitarbeiter in Essen in aller Eile zur Verfügung gestellt hatten, zu kurz war.
„Vor dem Gerichtsgebäude lauerten Journalisten, die mich mit ihren Fotoapparaten abschießen wollten wie Freiwild“, rechtfertigt der sportliche Ex-Karstadt-Chef nicht ohne Stolz seine Flucht. Das habe er sich und seiner Familie nicht antun wollen. Als er davon erfahren habe, habe er erst einmal nach einem Hinterausgang gefragt. Doch es gab offenbar keinen. Da sei er auf die Idee gekommen, aus dem Fenster zu springen und unbemerkt über das Garagendach zu verschwinden. „Dann bin ich durch den Hinterhof, fröhlich pfeifend zu einer Nebenstraße gegangen, habe mir ein Taxi gewunken und bin zu Gesprächen und Verhandlungen geflogen.“