Essen. Die Stimmung im Essener Handwerk ist zwar so gut wie lange nicht mehr. Kreishandwerksmeister Gerd Peters hofft nach der Kommunalwahl aber auf mehr Schwung und Aufträge für einheimische Firmen. Der Stadt wirft Peters vor, die Essener Firmen bei Aufträgen nicht ausreichend zu unterstützen.
Milder Winter, gute Auftragslage. Wenn man die jüngste Konjunkturumfrage der Handwerkskammer sieht, geht es dem Essener Handwerk so gut wie seit langem nicht mehr.
Gerd Peters: Mich hat zwar das positive Ergebnis in dieser Deutlichkeit überrascht. Aber es stimmt: Die Handwerksbetriebe sind zufrieden, zumindest was die Auslastung angeht. Allerdings kann man nicht das ganze Handwerk in einen Topf werfen.
Bekommt man denn derzeit schnell einen Handwerker?
Peters: Das ist unterschiedlich. Ich kenne Dachdecker, die konnten im Winter schon ihre Aufträge abarbeiten, die sie normalerweise erst im Frühjahr bekommen und die jetzt noch Kapazitäten haben. Dagegen gibt es andere Bereiche im Bau- und Ausbaubereich, die voll ausgelastet sind. Dazu gehören beispielsweise die Elektroinstallateure oder die Sanitärbetriebe.
Wie sind die Aussichten für die kommenden Monate?
Peters: Grundsätzlich sind die Unternehmen weiter optimistisch. Allerdings muss man abwarten, was die Zukunft bringt. Je nachdem, wie die Kommunalwahl ausgeht. Ich bin gespannt, ob die Stadt danach regierbarer wird. Derzeit stellen wir eher einen Stillstand fest, wenn ich beispielsweise an die Diskussion um die Messe denke oder an die Sanierung von Schulgebäuden. Wir würden uns wünschen, dass die Handlungsspielräume der Stadt Essen größer werden und hoffentlich die Auftragsvergaben an Essener Handwerksbetriebe deutlich zunehmen.
Wieso knüpfen Sie Ihre Hoffnung an die Kommunalwahl? Die Finanzen der Stadt werden sich dadurch auch nicht schlagartig verbessern.
Peters: Natürlich nicht. Aber ich erhoffe mir zum Beispiel eine bessere Vertretung der Interessen der Stadt beim Bund. Als die Oberbürgermeister der Ruhrgebietsstädte in Berlin waren, um mehr Geld einzuwerben, war unserer Oberbürgermeister leider nicht dabei.
Was stört Sie an der Vergabepraxis der Stadt?
Peters: Wir haben den Verdacht, dass die Stadt Auftragsvergaben zunehmend so kalkuliert, dass eine beschränkte Ausschreibung und damit eine Vergabe an einheimische Handwerksbetriebe rechtlich nicht mehr möglich ist und öffentlich ausgeschrieben werden muss. Unternehmen von außerhalb bieten dann häufig deutlich günstiger als die Essener an. Und das trotz Tariftreuegesetz! Die Stadt Essen gehört zudem zu den Kommunen, die stets dem billigsten Angebot den Zuschlag erteilt, obwohl die Vergabeverordnung das wirtschaftlichste zulässt.
Ist das nicht vernünftig mit Blick auf den angespannten Haushalt?
Peters: Bei kurzfristiger Betrachtung ja, aber auch hier gilt der Spruch: „Bedenke das Ende“. Ich nenne nur die Stichworte Gewährleistung, Gewerbesteuer und Arbeitsplätze in Essen.
Was wäre Ihre Forderung?
Peters: Die Stadt sollte realistischer kalkulieren. Wir drängen schon länger darauf, ein anonymisiertes Auftragslos einmal nachverfolgen zu dürfen. Diese Gelegenheit haben wir bis heute nicht bekommen. Wir werden aber einen neuen Anlauf nehmen.
Unterm Strich hoffen Sie dadurch auf mehr Aufträge für Essener Firmen?
Peters: Ja, gerade im Bereich unserer Bauinnungen. Viele sagen, wir sind nur noch für Absperrungen da, aber Bauaufträge bekommen wir keine mehr. Wir wollen ja nur erreichen, dass die Stadt Essen die Möglichkeiten, die sie rechtlich hat, auch ausnutzt. Das ist uns immer zugesagt worden.
Wieso wirken sich die gute Auftragslage und die guten Aussichten nicht auf die Beschäftigung aus.
Peters: In vielen Betrieben nimmt der Preisdruck zu. Das führt dazu, dass sie zurückhaltend bei Neueinstellungen sind. Der eine oder andere hat aber auch schon Probleme, geeignete Fachkräfte bzw. Lehrlinge zu finden .
Wieso geraten Handwerksunternehmen so unter Preisdruck? Ist die Konkurrenz so groß?
Peters: Das liegt hauptsächlich am Internet. Es kann heute jeder solange suchen, bis er jemanden findet, der eine Leistung preiswerter anbietet. Handwerksbetriebe kalkulieren oft Lohn und Material zusammen. Doch wenn jemand das Material im Internet kaufen kann, dann fehlt dem Handwerksbetrieb dort die Marge.