Essen. . Hutmacher sind selten geworden. In NRW gibt es gerade einmal noch 48 Modisten-Betriebe, wie das Traditions-Handwerk heute heißt. Ulrike Strelow aus Essen-Rüttenscheid führt es mit Leidenschaft aus. Sie schafft individuelle Kopfbedeckungen, meist für private Hüte-Fans.

Wenn es um ausgefallene Hüte geht, kann Ulrike Strelow mit dem verrückten Hutmacher aus „Alice im Wunderland“ beinahe mithalten. Ansonsten ist die 43-Jährige aber eine ganz bodenständige Frau. Strelow übt ein Handwerk aus, das nur noch wenige Menschen beherrschen. Hutmacher (heute: Modisten) gab es in Deutschland bis Ende letzten Jahres laut Zentralverband des deutschen Handwerks 249, davon 48 Betriebe in Nordrhein-Westfalen.

Meister-Modistin Ulrike Strelow ist eine von ihnen. In ihrer Hutmanufaktur in Essen-Rüttenscheid liegt der Geruch von Stoffen und Wasserdampf in der Luft. Die ehemalige Schusterei war ein Glücksgriff für Strelow. In den gediegenen wandhohen Holzregalen liegen jetzt Matelot Hüte – ein Klassiker mit geradem Kopf und geradem Rand, neben Glockenhut und ausgefallenen Kreationen.

Ohne Leidenschaft geht es nicht

„Die 20er-Jahre-Form liebe ich am meisten, wenn die Hüte noch ein Stück in das Gesicht fallen“, sagt Ulrike Strelow und greift zielsicher zu ihrem Lieblingsstück. Für sie ist die Arbeit als Modistin ein absoluter Traumberuf. „Das ist ein Job, für den man Leidenschaft braucht, ohne die geht es nicht.“ Dabei führte der Weg zum Handwerk über Umwege: Ein Zeitschriftenartikel über Modisten in der „Brigitte“ sollte es sein, der Ulrike Strelow für den Beruf sensibilisierte. „Meine Mutter hat ihn mir damals gegeben und gemeint, ,das wäre doch was für dich’.“

Ein kreatives Handwerk zu lernen, und nicht etwas Bodenständiges, war der jungen Frau aber zu riskant. Also ging es erst mal an die Uni, Betriebswirtschaftslehre studieren. Schnell hat sie dort gemerkt, dass sie dieser Job nicht ausfüllen wird.

Einzelanfertigung auch für Bühnen

Jetzt sitzt die 43-Jährige in ihrer Manufaktur an einem großen Tisch und bearbeitet einen blauen Haarfilzhut. Es ist eine Einzelanfertigung für eine private Kundin – wie die allermeisten ihrer Arbeiten. Aufträge großer Bühnen wie das Aalto-Theater oder das Colosseum in Essen nimmt die Unternehmerin auch entgegen. Das Hauptgeschäft macht sie jedoch mit Hutliebhabern, Individualisten eben. „Das sind meist Frauen ab 30 Jahren, die für besondere Anlässe etwas Schickes haben möchten“, weiß die Modistin. Für Hochzeiten, den Besuch auf der Pferderennbahn, oder einen Blickfang auf dem Abiball. Gerade jetzt im Winter laufen aber auch die normalen Filzhüte gut, Strelow nennt sie „die Alltagstauglichen“.

„Reich wird man mit diesem Geschäft nicht“, muss sie zugeben, aber die Hutmacherei erlebe einen Aufwind. Es seien die kleinen Accessoires, die gut angenommen werden. Die so genannten Fascinators, Kopfschmuck mit extravaganten Aufsätzen, wie Federn oder Tüll – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Der mittlerweile vierten Auszubildenden bringt Ulrike Strelow das Handwerk nun bei, die Gesellenstücke ihrer Schützlinge reihen sich zwischen den anderen Hüten ein.

Modistin arbeitet mit Maschine wie vor 150 Jahren

Der blaue Filzhut wird später solide aussehen, ohne viel Schnickschnack. Ein Zweiteiler, der blaue Filz der Kopf, das graue Filzstück die Hutkrempe. Um den Filz formbar zu machen, stülpt ihn die Modistin über den Dämpfer. Eine Maschine, die so schon für die Hutherstellung vor 150 Jahren benutzt wurde. Das Prinzip ist einfach: Wasser wird in einem Tank erhitzt, aus einem Rohr der Dampf abgeführt. „Wärme, Druck und Feuchtigkeit braucht es, um einen Hut zu formen“, erklärt Ulrike Strelow, während sie das Filzstück vom Dämpfer zieht. Es ist jetzt weich genug. Holzköpfe in verschiedenen Größen geben dem Filzschnitt die richtige Form. Ulrike Strelow zieht den Filz mit viel Krafteinsatz immer wieder straff. „Für die Krempe werde ich das graue Filzstück jetzt auf eine Ringform ziehen.“ Mit Bügeleisen und feuchten Tüchern wird das Material so lange bearbeitet, bis es die gewünschte Form annimmt. Dämpfer, Weiter, Nähmaschine – und die eigenen Hände, das sind die Hauptwerkzeuge der Modisten.

Zwei Tage dauert so eine Hutproduktion im Schnitt. „Das ist eine intensive Arbeit. Die Ideenentwicklung mit dem Kunden, das Produzieren und Anpassen.“ Nähen könne man lernen, „wer den Menschenkontakt aber scheut, der ist für die Arbeit als Modist nicht geeignet“.