Essen. Philipp Janert ist 33, hat sein Studium geschmissen und macht nun eine Lehre zum IT-Systemkaufmann. Junge Erwachsene wie er könnten eine wichtige Zielgruppe für Unternehmen werden, um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen. Doch was sich so einfach anhört, stößt in der Praxis auch auf Vorbehalte.

Philipp Janert war bereits im 18. Semester seines Wirtschaftinformatik-Studiums, als er die Reißleine zog und noch einmal eine Ausbildung begann. Mit 33 Jahren keine leichte Entscheidung. Drei Scheine hätten ihm bis zum Abschluss gefehlt, aber es war nicht abzusehen, wann er diese schafft. „Wenn das Pferd tot ist, sollte man absteigen“, gestand er sich schließlich ein.

Bei der Essener Firma Base-T, einem Softwareentwickler, bekam der Bottroper im Herbst 2013 eine Lehrstelle. Geschäftsführer Roland Orlik hat gute Erfahrungen mit Studienabbrechern. „Diese Bewerber kommen bei mir immer in die engere Wahl.“ Denn häufig hätten sie sich schon mit dem Berufsfeld beschäftigt und sich bewusst für die Ausbildung entschieden. „Experimente kann ich mir in meiner kleinen Firma nicht leisten“, sagt Orlik.

Jeder vierte bricht das Studium ab

Studienabbrecher wie Philipp Janert rücken in der aktuellen Fachkräfte-Debatte stärker in den Fokus. Es ist auch einer der Schwerpunkte, den sich die Industrie- und Handelskammer (IHK) Essen sowie die Arbeitsagentur vergangenes Jahr in ihrer gemeinsamen Fachkräfte-Initiative gelegt hatten. Noch gebe es in der Region zwar keinen drängenden Fachkräftemangel, stellte die IHK in einer Analyse fest. Das könne sich aber in 10 bis 15 Jahren ändern. Schon heute aber klagen Firmen vermehrt, dass geeignete Bewerber um einen Ausbildungsplatz fehlen würden.

Das unterstreicht auch der aktuelle Berufsbildungsbericht der Bundesregierung: Mehr Abiturienten streben an die Unis und fehlen somit dem dualen Ausbildungssystem. Andererseits hätten bildungsferne Jugendliche oft keine Chance. Die Folge: Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. Eine Entwicklung, über die vor allem das Essener Handwerk zuletzt stark klagte.

Im Schnitt brechen etwa 25 Prozent der Studenten ihr Studium ab, in den technischen Fächern sind es sogar 40 Prozent. Hans Michaelsen von der IHK rechnet damit, dass ihre Zahl noch steigen wird. Das Studium werde verschulter und damit merken die Studenten früh, dass das Studium nicht passt.

Der Alterspräsident in der Berufsschule

Im letzten halben Jahr hat die IHK 101 Gespräche mit Studienabbrechern geführt. 40 davon haben eine Ausbildung begonnen. „Die Quote sollte noch gesteigert werden“, meint Käthe Reismann, die das Fachkräfte-Projekt bei der IHK leitet. Deshalb wird es im Herbst eine Infoveranstaltung an der Uni Duisburg-Essen geben.

Vorbehalte, als junger Erwachsener noch mal eine Ausbildung zu beginnen, sind jedoch auf beiden Seiten – Studienabbrecher und Unternehmen – auch da. Philipp Janert hat während des Studiums viel gearbeitet und gutes Geld verdient. In der Ausbildung muss er nun auf einiges verzichten. Und an der Berufsschule ist er der „Alterspräsident“. Das sei gewöhnungsbedürftig. Dennoch bereut er seine Entscheidung nicht. „Ich hab’s nur leider viel zu spät erkannt.“