Essen. Berthold Bühlers Restaurant „Résidence“ in Kettwig erhielt zum 25. Mal zwei Michelin-Sterne. Der Patron spricht im Interview über den Überlebenskampf in der Sterne-Küche. Und von den hiesigen Managern wünscht er sich mehr regionale Verbundenheit.

Zwei Michelin-Sterne seit 25 Jahren: Sind Sie heute im siebten Himmel?

Berthold Bühler: Auf der einen Seite freue ich mich richtig. Auf der anderen Seite denke ich: Wo ist nur die Zeit hin? Ich bin im April nächsten Jahres 30 Jahre in Kettwig selbstständig. 30 Jahre Sterne-Gastronomie mit allen Höhen und Tiefen. Viele Restaurants haben auf- und wieder zugemacht. Und wir haben es trotzdem geschafft.

Wie ist es Ihnen gelungen, das Koch-Niveau über so viele Jahre zu halten?

Bühler: Alleine kann man das nicht. Ich vergleiche Sterne-Gastronomie gerne mit dem Fußball. Denn auch Kochen ist ein Mannschaftssport. Und ich hatte in meinen Jahren in der Résidence immer eine sehr gute Crew.

Sie sprachen die Tiefen auf diesem Weg an. Welche waren das?

Berthold Bühler (Mitte) und seine Küchenchefs Erik Arnecke (links) und Eric Werner
Berthold Bühler (Mitte) und seine Küchenchefs Erik Arnecke (links) und Eric Werner © WAZ FotoPool

Bühler: Das sind sicher Zeiten, wenn das Restaurant mal nicht so gut gebucht ist. Aber auch, wenn ich an die vielen Lebensmittelskandale in den letzten 30 Jahren zurückdenke und die Gäste zum Beispiel in der BSE-Krise plötzlich keine Lust mehr auf Fleisch hatten. Und ich kann mich noch gut daran erinnern, als das Ange D’or in Kettwig 1988 einen zweiten Stern bekam. Damals gab es nur ganz wenige Sterne-Lokale und wir dachten, jetzt werden wir lange Zeit keine Chance mehr haben. Das war für uns schon eine Art Depression. Es hat uns aber auch locker gemacht, und ein Jahr später hatten wir auch zwei Sterne.

Das Sterne-Restaurant Nero hat jetzt aus wirtschaftlichen Gründen dicht gemacht. Wie stehen Sie da?

Bühler: Da muss man etwas differenzieren. Das Nero hatte einen Stern, wir haben zwei. Vielleicht sind wir dadurch einen Umweg mehr wert. Fakt ist aber, dass Essen und das Ruhrgebiet als Ganzes kulinarisch nicht so gut aufgestellt sind. Das hat sicher auch etwas mit dem fehlenden Selbstbewusstsein einiger Topmanager in Essen zu tun, lieber nach Düsseldorf oder Köln zu fahren. Da würde ich mir mehr Selbstbekenntnis zum Ruhrgebiet wünschen. Früher haben die SPD-Oberbürgermeister mir Glückwunschkarten geschrieben. Die haben das als Marketing begriffen. Heute hat Essen als sechstgrößte Stadt Deutschlands nur noch zwei Sterne-Lokale. Gegenüber anderen Großstädten sehen wir lausig aus. Das Aus des Nero bedaure ich daher sehr.

Woran liegt das?

Bühler: Es würde uns gut tun, wenn wir alle mehr zum Ruhrgebiet stehen würden. Die Krisen oder Korruptionsfälle bei den großen Unternehmen der Region haben sicher auch dazu geführt, dass sich kein Manager hier mehr traut, mal gut essen zu gehen. Wenn man überlegt, dass wir in Essen zwar mehrere große Dax-Unternehmen haben, man aber davon im Prinzip nix merkt, dann ist das doch bezeichnend. Dazu kommt, dass bei vielen Leuten das Öl im Mercedes oder BMW wichtiger ist, als einmal lecker essen zu gehen.

Andere Ihrer Kollegen sieht man häufig im Fernsehen oder auf großen Werbeplakaten, warum Sie nicht?

Bühler: Fürs Fernsehen muss man wohl eine Spur schräg sein. Ich bin vermutlich zu normal und nicht so extrovertiert. Außerdem leide ich schon, wenn ich mal einen Tag nicht da bin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mein Arbeitspensum schaffen würde, wenn ich ständig auf Trallafitti wäre.

Es gibt mittlerweile gefühlt eine Flut an Sterneköchen. Finden Sie das gut?

Bühler: Nein. Einerseits ist es zwar gut für die öffentliche Wahrnehmung. Aber der Kuchen ist nicht größer geworden.

Also doch gut, dass das Nero zugemacht hat?

Bühler: Nein, für die Attraktivität Essens und des Ruhrgebiets wäre das zu kurzgedacht. Essen könnte gut drei bis vier Sterne-Lokale vertragen.

25 Jahre zwei Sterne - was jetzt?

Bühler: Als nächstes feiern wir im April 30 Jahre Selbstständigkeit. Jetzt aber werden wir erstmal mit unseren Gästen feiern, schließlich haben wir auch denen den Erfolg zu verdanken.

War ein dritter Stern eigentlich jemals Thema?

Bühler: Vielleicht vor zehn Jahren. Da waren wir mal haarscharf dran. In der Zwischenzeit sind die drei Sterne aber weit weggerückt. Das wäre ein Kraftakt, den wir nicht mehr stemmen können.

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Menü von der Tankstelle

Die Aufgabe für Berthold Bühler, den Sternekoch im
Die Aufgabe für Berthold Bühler, den Sternekoch im "Résidence" in Kettwig: ein Weihnachtsmenü, bestehend... © WAZ FotoPool
... aus Zutaten, die an der Tankstelle gekauft worden sind.
... aus Zutaten, die an der Tankstelle gekauft worden sind. © WAZ FotoPool
Ravioli, Gouda, Butterkekse, Bockwürstchen, Eier, Frischkäse, Erdnüsse, Dosenmilch, Weizenmehl.
Ravioli, Gouda, Butterkekse, Bockwürstchen, Eier, Frischkäse, Erdnüsse, Dosenmilch, Weizenmehl. © WAZ FotoPool
Sous-Chef Patrick Speck kümmert sich um den Gruß aus der Küche...
Sous-Chef Patrick Speck kümmert sich um den Gruß aus der Küche... © WAZ FotoPool
Dominosteine vom Roggenbrot mit Frischkäse.
Dominosteine vom Roggenbrot mit Frischkäse. © WAZ FotoPool
Nach den gerösteten Erdnüssen als Aperitif...
Nach den gerösteten Erdnüssen als Aperitif... © WAZ FotoPool
... ist wieder Bühler an der Reihe.
... ist wieder Bühler an der Reihe. © WAZ FotoPool
Dann folgt die Vorspeise: Cordon Bleu von der Bockwurst.
Dann folgt die Vorspeise: Cordon Bleu von der Bockwurst. © WAZ FotoPool
Die Plastiktüte von der Tankstelle ist voller kulinarischer Herausforderungen.
Die Plastiktüte von der Tankstelle ist voller kulinarischer Herausforderungen. © WAZ FotoPool
Die Bockwürste
Die Bockwürste "kann man vielleicht aufschneiden", überlegt Bühler. © WAZ FotoPool
Gesagt, getan.
Gesagt, getan. © WAZ FotoPool
Das Cordon Bleu nimmt Formen an.
Das Cordon Bleu nimmt Formen an. © WAZ FotoPool
"Das hier ist echt eine Herausforderung", sagt der Sternekoch. © WAZ FotoPool
Wurst im Goudamantel.
Wurst im Goudamantel. © WAZ FotoPool
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© WAZ FotoPool
Die Fertigstellung von Gang eins.
Die Fertigstellung von Gang eins. © WAZ FotoPool
Bühler genießt es.
Bühler genießt es. © WAZ FotoPool
"Gegen gute Ravioli oder Tortellini ist nichts zu sagen." © WAZ FotoPool
Das Hauptgericht: Ravioli in Tannenduft.
Das Hauptgericht: Ravioli in Tannenduft. © WAZ FotoPool
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© WAZ FotoPool
Sieht so aus, ...
Sieht so aus, ... © WAZ FotoPool
... wenn es fertig und flambiert ist.
... wenn es fertig und flambiert ist. © WAZ FotoPool
Hochbetrieb in der Küche.
Hochbetrieb in der Küche. © WAZ FotoPool
Das Werk ist vollendet.
Das Werk ist vollendet. © WAZ FotoPool
Und jetzt alles nochmal von vorn.
Und jetzt alles nochmal von vorn. © WAZ FotoPool
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