Essen. Der Liebe wegen kam Ernst Kurz vor vier Jahrzehnten ins Ruhrgebiet. Mit seiner neuen Heimatstadt hat der Architekt lange gefremdelt – jetzt schreibt er ein Buch über die Stadt Essen und ihre Superlative.
Nein, es war nicht Liebe auf den ersten Blick: Als Ernst Kurz vor vier Jahrzehnten nach Essen kam, tat sich der junge Architekt und Stadtplaner aus Wien schwer mit der Ruhrgebietsstadt. Inzwischen wirbt er leidenschaftlich für die – architektonischen – Schönheiten Essens. In diesem Jahr will der 73-Jährige ein Essen-Buch veröffentlichen.
Die erste Leidenschaft galt einer Frau und nicht der Stadt. Ernst Kurz, der nach dem Studium in Wien zunächst in Köln und Bochum arbeitete, lernte beim Baden eine junge Frau kennen: „Und Sie wissen ja: Mädchen aus Essen kann man nicht vergessen.“ Bald heiratete das Paar, gründete eine Familie – und blieb in Essen. Gedanklich jedoch war Kurz lange seiner Heimatstadt verhaftet: Er arbeitete schon im Essener Amt für Stadtplanung und Bauordnung, als er seine Doktorarbeit schrieb – über Wien.
Nichts an Modernität verloren
Kurz träumte von Wien, bis ihn in einer Kur ein Arzt ins Gebet nahm: „Sie müssen sich entscheiden: Entweder Sie kehren zurück oder Sie kommen in Essen an.“ Kurz kam an. Befasste sich mit seiner neuen Heimatstadt, mit berühmten Architekten, die in Essen gelebt, gebaut und gelehrt hatten. Angetan hat es ihm das Moltkeviertel, das heute begehrte Wohngegend ist und in seiner Entstehungszeit visionär gewesen sei. Tatsächlich hat auch die Idee des Stadtplaners Robert Schmidt, hochwertigen Wohnraum für das Bürgertum der aufstrebenden Stadt zu schaffen, ein Jahrhundert später nichts an Modernität verloren.
Kurz weiß, dass die Bedeutung des Moltkeviertels längst unbestritten ist, dass Margarethenhöhe oder Zollverein auch Laien geläufig sind. Doch er vermisst in Essen ein selbstverständliches Selbstbewusstsein, zu dem auch das Aalto-Theater oder die von Edmund Körner erbaute Alte Synagoge berechtigen. Das zeige sich etwa im lieblosen Umgang mit dem Hauptbad, das man verkommen ließ, so dass es nun nicht unter Denkmalschutz gestellt werde. Diese Verzagtheit sei auch deutlich geworden, als sich Essen nicht zutraute, allein Kulturhauptstadt zu werden: „Es wäre eine Chance gewesen, hervorzustechen, so ging Essen zwischen 52 Königreichen unter.“
Kurz jedoch, der 2005 in Ruhestand ging, arbeitet seither an einem Buch, das sich allein Essen und „seinen Superlativen“ widmet. Dabei soll es nicht allein um Architektur gehen, sondern auch um die große Zeit als Erstaufführungs-Standort für Filme, um medizinischen Fortschritt und alte Kirchen oder um das Krupp-Archiv. Um Besonderheiten, die diese Stadt auszeichnen: „Rekorde à la Guinness-Buch interessieren mich nicht.“
Ausstellung „Visionäres Essen“ zeigte neues Selbstbewusstsein
Kleinmut ist Ernst Kurz fremd und so fand es der Architekt und Stadtplaner mit österreichischen Wurzeln nur folgerichtig, in Wien für Essen zu werben. Da wurde im Jahr 2002 das Jubiläum „1150 Jahre Stadt und Stift Essen“ gefeiert, und es gab damals in der Reihe „Essen erlebt Architektur“ eine Ausstellung mit dem kühnen Titel „Visionäres Essen“. Sie war in der Sparkasse und im Deutschlandhaus zu sehen.
„Da dachte ich: Wir setzen mal ein Zeichen in Wien“, sagt Kurz. Als Ausstellungsort schwebte ihm die Wiener Planungswerkstatt des Magistrats (MA 18) vor, „wo sich sonst Paris, London oder Prag präsentieren – und da kamen wir mit Essen“, sagt Kurz vergnügt. Er telefonierte, charmierte, bis die Wiener im Frühjahr 2005 ältere städtebauliche Visionen wie Moltkeviertel und Margarethenhöhe kennenlernten, neuere wie das Aalto-Theater und zeitlose wie Zollverein.
Die 800 Besucher, die in drei Wochen ins MA 18 kamen, waren ein Achtungserfolg. Vor allem aber zeigte die vom Amt für Stadtplanung und Bauordnung und vom Bund Deutscher Architekten organisierte Schau ein Selbstbewusstsein, wie es mit der erfolgreichen Kulturhauptstadt-Bewerbung fortgeschrieben wurde. Mit der Folge, dass heute Touristen auf die Margarethenhöhe pilgern. Auch solche aus Wien.