Essen. . Die Büros HascherJehle und HPP, beide Drittplazierte des Messe-Architektenwettbewerbs, halten den teilweisen Neubau für grotesk unterfinanziert. Das ist ein Eindruck, den in Essen mittlerweile viele teilen.
„Alle sieben Architekturbüros, die Preisträger geworden sind, haben uns gesagt, dass sich das Projekt im vorgegeben Rahmen realisieren lasse.“ So ließ sich der Baubevollmächtigte der Messe Essen, Roland Weiss, am 13. Dezember 2012 zitieren, als ihn die WAZ mit Zweifeln konfrontierte, ob 123 Millionen Euro für die „Ertüchtigung“ der Messe Essen ausreichen. Offenkundig ist diese Aussage falsch. Denn die Architekturbüros „HascherJehle“ aus Berlin und „HPP“ aus Düsseldorf - sie teilten sich beim Wettbewerb den dritten Platz - haben frühzeitig und belegbar darauf hingewiesen, dass das der Stadttochter zur Verfügung stehende Geld für die ambitionierten Pläne bei weitem nicht reicht. Damit bekommen die in Essen rumorenden Sorgen, ob der teilweise Neubau der Messe zu stemmen ist, neue Nahrung.
Um 30 Millionen Euro unterfinanziert
Der Architekt Prof. Rainer Hascher legt sich gegenüber der WAZ jedenfalls fest: „Für 824 Euro Baukosten pro Quadratmeter – diese Zahl ergab sich aus den Auslobungsunterlagen - bekommen Sie vielleicht Gewerbehallen auf der grünen Wiese, aber keine Messe, wie sie Essen haben will und wie sie der Öffentlichkeit präsentiert wurde – mit neuem Eingangsbereich, Kongresszentrum und der Verglasung entlang der Gruga.“ Nach seinen Berechnungen seien die Pläne „um rund 30 Millionen Euro unterfinanziert“, so dass die Gesamtkosten tatsächlich gut 150 Millionen Euro betrügen. Hascher: „Das wäre eine seriöse Zahl“. Eine Zahl, die in Essen politisch allerdings nicht mehr vermittelbar wäre.
Im Nachhinein Stunk verbreiten
Nun könnte man mutmaßen, hier will nur jemand im Nachhinein Stunk verbreiten, weil nicht er, sondern das Büro SOP aus Düsseldorf mit dem ersten Preis zum Zuge kam kam. Rainer Hascher kann allerdings belegen, dass er schon während des Verfahrens warnend darauf hinwies, dass das Geld nicht ausreicht. „Vor der Entscheidung des Preisgerichts wurden wir nochmals zur Abgabe einer Kostenschätzung aufgefordert“, berichtet Hascher. Dem sei man gefolgt - „und wir haben geschrieben, dass wir den vom Auslober festgelegten Rahmen um 30 Millionen zu niedrig halten“. Das Papier liegt der WAZ vor.
"Das Budget reicht nicht"
Auch Gerhard Feldmeyer, Architekt beim ebenfalls drittplatzierten Büro HPP, sagt: „Wir haben frühzeitig deutlich gemacht: Das Budget reicht nicht.“ Feldmeyer kam zwar nur auf eine fehlende einstellige Millionensumme, hält das aber nicht unbedingt für das Ende der Fahnenstange: „Wenn die Unterfinanzierung so klar ist wie hier, kann das durchaus in die Zweistelligkeit gehen.“ Auch Feldmeyer sagt: „Einfache Hallen könnte man für das Geld vielleicht bauen, aber damit ist es ja hier nicht getan - nicht in dieser sensiblen Lage, direkt am Grugapark.“
Beide Architekten sagen, empört habe sie, als bei der Pressekonferenz zum Ergebnis des Wettbewerbs kritische Fragen zu den Kosten abgebügelt wurden - mit Hinweis auf die Architekten, die angeblich alle das Projekt im Kostenrahmen für realsierbar halten würden. Rainer Hascher: „Ich habe da wirklich mit dem Arm gezuckt, weil mir das zu dreist war, aber ich habe dann doch geschwiegen.“ Der Kragen sei ihm dann geplatzt, als er die oben zitierten Aussagen von Roland Weiss in der WAZ las: „Das entspricht nicht ganz dem, was man landläufig unter Wahrheit versteht“.
„Politische Preise zu nennen ist fast üblich“
Das Niedrigrechnen selbst überrascht beide Architekten nicht. „Politische Preise zu nennen und Risiken klein zu reden, damit ein solches Projekt erst mal durchgewunken wird – das ist keine Essener Spezialität“, so Hascher. Vielmehr sei diese Vorgehensweise bei großen Bauvorhaben fast üblich. „Das macht den Essener Fall natürlich nicht besser.“ Viele Architekten ließen sich darauf ein, um erst mal den Auftrag zu bekommen, so Hascher. Wenn die ganze Vergabe und Baumaschine liefe, würden spätere Kostensteigerungen von den Politikern notgedrungen akzeptiert. „Es ist unseriös, was da gemacht wird.“
Messe-Baubevollmächtigter Roland Weiss hält dessen ungeachtet an seiner Aussage fest: Alle Büros seien im Kostenrahmen geblieben, der in dieser Phase des Projekts durchaus „plus/minus 20 Prozent“ über der Bauherrn-Vorgabe liegen könne. Allerdings relativiert er: „Ich weiß derzeit nicht, ob es reicht und habe auch nie gesagt, dass die Kostenvorgabe auskömmlich wäre“. Insbesondere sei tatsächlich fraglich, ob das Geld für die gläserne Front zur Gruga oder die Tiefgarage reiche.