Essen. Nicht immer fährt die Evag, wie es der Fahrplan an den Haltestellen ausweist. Der Fünf-Minuten-Takt im Berufsverkehr bleibt derzeit regelmäßig auf der Strecke. Nach diversen Unfällen stehen aktuell noch sechs Bahnen in den Werkstätten. Hinzu kommt eine Personaldecke, die inzwischen so dünn ist wie ein Strickjäckchen.
„Starke Frauen gehören nach vorne - Männer aber auch.“ Mit diesem Slogan wirbt die Essener Verkehrs-AG (Evag) derzeit um neues Personal. Gesucht werden Straßenbahnfahrer und Omnibusfahrer. Für eine Einstellung vorausgesetzt werden Einsatzbereitschaft und Flexibilität. Letztere ist bei der Evag gefragter denn je, seit Straßenbahnen nach diversen Unfällen gleich reihenweise ausgefallen sind. Aktuell stehen noch sechs Bahnen in den Werkstätten. Die Folge: Nicht immer fährt die Evag, wie es der Fahrplan an den Haltestellen ausweist. Der Fünf-Minuten-Takt im Berufsverkehr bleibt regelmäßig auf der Strecke. „Wir versuchen irgendwie sicherzustellen, dass der Verkehr auf die Strecke kommt“, sagt Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Hausmann. Schon spricht man bei der Evag von einem Notfahrplan.
73 Neueinstellungen
Hinzu kommt eine Personaldecke, die inzwischen so dünn ist wie ein Strickjäckchen unterm Winterpelz. Wären alle Bahnen einsatzbereit, stünde die Evag vor der Frage, wer sich ans Steuer setzen soll. „Unerwartete Personalabgänge“ hätten die Lage noch verschärft, heißt es. Zahlen nennt die Evag nicht. Nur soviel: Bis zum Jahresende sollen 73 Fahrer eingestellt werden, 29 davon für Straßenbahnen. Nach eigenen Angaben trägt die Evag damit dem demographischen Wandel im Unternehmen Rechnung. Der Altersschnitt liegt im Fahrbetrieb bei 45 bis 50 Jahren. Gefahren wird im Drei-Schicht-Betrieb. Dass gerade Ältere diesem Leistungsdruck nicht stand halten könnten, liege auf der Hand.
Wolfgang Hausmann wird deutlicher: Die Personalplanung der vergangenen Jahre ist „auf Verschleiß ausgelegt“. Die Neueinstellungen reichten gerade einmal aus, um die altersbedingte Fluktuation aufzufangen.
In der Chefetage scheint die Botschaft angekommen, dort denkt man darüber nach, die so genannten Wendezeiten zu verlängern, um zu verhindern, dass Fahrer Verspätungen auf Kosten ihrer Ruhepausen wieder reinholen.
Grenze sei erreicht
Längere Wendezeiten - das bedeutet im Umkehrschluss mehr Fahrzeuge, mehr Fahrer und höhere Kosten. Legt die Evag beim Sparen etwa den Rückwärtsgang ein? „Wir müssen uns fragen, ob wir die Schraube nicht überdreht haben“, sagt Betriebsratschef Hausmann. Evag-Sprecher Nils Hoffmann will so weit nicht gehen. Die Grenze sei aber sicherlich erreicht.
Die Zeiten, als auf den Betriebshöfen noch eine Personalreserve auf ihren Einsatz wartete, sind jedenfalls längst Vergangenheit. 827 Fahrer zählt das Unternehmen aktuell. Vor zehn Jahren waren es mehr als tausend.