Erfolgsmeldung für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV): Der Anteil am Gesamtverkehr ist in den letzten Jahren von 16 auf 19 Prozent gestiegen, der Evag-Anteil (Bus und Bahn) liegt derzeit bei 14 Prozent. Aber: Um ihre Fahrgastzahlen in Zukunft zu halten, wird das Verkehrsunternehmen in den nächsten Jahren viele neue Kunden werben müssen, weil Stammkunden wegsterben und wegziehen werden.

Die 19 Prozent sind im bundesweiten Vergleich gar nicht so schlecht, auch wenn die entsprechenden Zahlen zuletzt 2008 erhoben wurden. Im Schnitt der westdeutschen Großstädte lag der ÖPNV-Anteil bei rund 15 Prozent. Hamburg hat 2011 frische Zahlen vorgelegt. Da lag der ÖPNV-Anteil bei 18 Prozent - in der City. Im Umland liegt er bei bescheidenen acht Prozent. Mainz bejubelte sich ebenfalls 2008 für einen Anteil von 18,8 Prozent.

Evag-Mobilitätsforscherin Ute Jansen hat sich die Ergebnisse der Bürgerbefragung 2011 angesehen und mit den soziologischen Trends abgeglichen. In der Mitarbeiterzeitung „Viazett“ der Evag-Konzernmutter Via rechnet sie vor: „Will die Evag im Jahre 2030 die gleiche Anzahl an Fahrten bei den Einwohnern generieren, wäre bei gleich bleibender Wegeanzahl eine weitere Steigerung des Modal Split (Anteil am Gesamtverkehr) um einen Prozentpunkt notwendig.“

Zwei Ursachen gibt es für diese etwas sperrig daher kommende Berechnung. Erstens: Essen schrumpft weiter. Die Evag rechnet mit minus 20 000 Bewohnern auf 551 000 Essener bis 2030. Zweitens greift ein so genannter Kohorteneffekt. Der beschreibt die Beobachtung, dass sich auffällig viele Menschen eines Jahrgangs oder einer Altersgruppe in bestimmten Situationen ähnlich verhalten. Zum Beispiel waren sich viele junge Menschen der so genannten 68er-Generation einig in ihrer Ablehnung von Autoritäten als Folge der Debatte um die Notstandsgesetze und der Studentenproteste. (Bitte setzen Sie diese Erklärung nie einem Sozialwissenschaftler vor, aber als Beispiel funktioniert sie). Auf den Nahverkehr bezogen: Ältere Jahrgänge, die für Bus und Bahn aufgeschlossen sind, werden abgelöst von einer Generation, die stark aufs Autofahren fixiert ist. Aktuell ist es die Altersgruppe der Menschen zwischen 30 und 64 Jahren, die von Bus und Bahn den geringsten Gebrauch machen.

Fazit der Mobilitätsanalyse: In dieser Altersgruppe der 30- bis 64-Jährigen muss massiv geworben werden für die Alternative Bus und Bahn. Und die Jüngeren muss die Evag bei der Stange zuhalten versuchen. Bei Schülern und jungen Erwachsenen (18 bis 29 Jahre) liegt der ÖPNV-Anteil bei mehr als 30 Prozent. Ute Jansens Ansatz heißt „vernetzte Gesamtmobilität“, wie es mit dem Projekt Metropolrad Ruhr versucht wird: Leih-Räder und -Autos an Verkehrsknotenpunkten als Ergänzung.