Essen. Die Sekundarschule am Stoppenberg meldet einen guten Start in den Schulalltag. Die Bedingungen für die Gründung hier besonders günstig gewesen. „Grundsätzlich ist es ein System, das funktioniert“, sagt die Schulleiterin.

Nach Neuland fühlt sich der Weg zur Sekundarschule am Stoppenberg nicht gerade an. Schließlich ist die „Neue“ eingebettet in das seit Jahrzehnten etablierte Schulzentrum des Bistums – eine eigene kleine Bildungslandschaft mit nunmehr vier Schulen, langer Ganztagstradition und guter Infrastruktur, Schwimmbad inklusive. Diese komfortable Lage dürfte einer der wesentlichen Gründe dafür sein, dass die Verantwortlichen gut zwei Monate nach Beginn des Experiments Sekundarschule vermelden können: Wir sind auf Kurs.

Ein Modell mit Leben füllen

„Grundsätzlich ist es ein System, das funktioniert“, bilanziert Adelheid Bohn. Die frühere Realschul-Konrektorin ist Leiterin der ersten Sekundarschule Essens, die nach den Sommerferien den Betrieb aufgenommen hat. 173 Schüler und 14 Lehrer füllen das von der rot-grünen Landesregierung forcierte Modell mit Leben. „Alle Bildungsmöglichkeiten offenhalten und für jeden Schüler den bestmöglichen Weg finden“, referiert Bohn die Theorie, um gleich die Frage hinterherzuschieben: „Wie funktioniert das?“

Konkret etwa durch den persönlichen „Wochenarbeitsplan“, entlang dessen die Kinder lernen, erklärt Bohn. Oder durch die Stunde „Lernen lernen“, mit der hier jeder Tag beginnt. Weil das System auf individuelle Förderung angelegt ist, müssten die Schüler vor allem üben, eigenständig zu arbeiten, respektive mit Hilfe ihrer Mitschüler.

"Wir erfinden das Rad nicht neu"

Neu ist auch der „fächerverbindende Unterricht“. Mehrere Wochen lang beschäftigen sich die Kinder mit verschiedenen Aspekten des gleichen Themas. „Wir erfinden das Rad nicht neu, sondern schneidern bewährte Ideen auf unsere Bedingungen zu“, so Bohn. Anregungen habe man sich bei bestehenden Sekundarschulen geholt, darunter eine viel gelobte Einrichtung im niedersächsischen Vechta.

Längeres gemeinsames Lernen schön und gut – aber was unterscheidet die Sekundarschule in der Praxis denn nun von der Sekundarstufe I der Gesamtschule? „Wir haben mehr Freiheit als die Gesamtschule“, sagt Bohn. Während die Gesamtschule mit der Einteilung in Leistungsgruppen arbeite, „versuchen wir das in individualisierter Form hinzubekommen“. Die Kinder bleiben im Unterricht im Klassenverband, bekommen für Phasen der Einzelarbeit aber verschiedene Aufgaben.

Zwei Lehrer für jede Eingangsklasse 

Jede der sieben Eingangsklassen 5a bis 5g hat zwei Klassenlehrer – jeweils einen ehemaligen Real- und einen Hauptschullehrer. Die Einsatzbereitschaft des Pionier-Kollegiums sei groß, sagt Adelheid Bohn. „So eine Schulgründung gibt eine ungeheure Motivation.“ Und das, obwohl man in den ersten Wochen mangels Zeit Konferenzen auch schon mal um 6.30 Uhr abgehalten habe.

Eitel Sonnenschein also beim Sekundarschul-Debüt? „Natürlich ist es in der Praxis eine Herausforderung, zwei ganz unterschiedliche Systeme zusammenzuführen.“ Gehakt habe es aber vor allem bei praktischen Details wie dem Hofdienst. Da habe nun mal jede Schule eigene Gewohnheiten gepflegt.

Städtische Schulen zögern

Dass es für städtische Schulen ungleich schwieriger sein dürfte, sich zur Sekundarschule zusammenzufinden, davon haben sie hier nach den ersten Erfahrungen eine Ahnung. Der Standort ist eine große Hilfe, dessen ist man sich bewusst. Und so könnte es durchaus sein, dass der Stoppenberger Klassenprimus auch im nächsten Schuljahr einziger Sekundarschul-Anbieter in Essen bleibt. Die Stadt will ihren Schulen das neue Modell nicht von oben herab verordenen, verweist darauf, die Bewegung müsse aus den Schulen heraus kommen. Doch die tun sich schwer mit dem Schritt. Ganz abgesehen davon, dass die Realschulen um ihr Niveau fürchten, wenn sie sich mit einer Hauptschule zusammentun – wer hat schon einen geeigneten Partner gleich nebenan, außerdem die räumlichen Rahmenbedingungen und einen Ruf, der stete Schülerströme sichert, egal, was auf dem Eingangsschild steht?

Am Eingang zur „Sekundarschule am Stoppenberg“ behilft man sich derzeit übrigens noch mit einem Provisorium aus Papier. Das richtige Schild „ist in Arbeit“.