Essen. . Die Verwaltung der Stadt Essen plant, drei der 16 städtischen Förderschulen aufzulösen. Es geht um die Bernetalschule im Nordviertel, die Friedrich-Fröbel-Schule in Kray und die Ruhrtalschule in Fischlaken. Der Grund: Inklusion führe zu einem verstärkten Rückgang der Schülerzahlen. Die Betroffenen vermissen jedoch ein Gesamtkonzept.
Die Verwaltung in Essen plant, drei der 16 städtischen Förderschulen aufzulösen. Hintergrund ist vor allem die Orientierung hin zu einem Schulsystem, in dem Kinder mit und ohne speziellen Förderbedarf flächendeckend gemeinsam lernen sollen – Stichwort Inklusion. Nordrhein-Westfalen gilt als besonders entschieden unterwegs auf diesem Kurs.
Die veränderten Rahmenbedingungen führten schon jetzt dazu, dass Eltern sich für ihre Kinder zunehmend einen Besuch der Regelschule wünschten, sagt Essens zuständiger Dezernent Peter Renzel (CDU). Verbunden mit den ohnehin sinkenden Schülerzahlen sorge das für ein auffallend schnelles Schrumpfen der Förderschulen. „Der Rückgang der Schüler ist dort überproportional groß.“ Die Stadt müsse reagieren.
Unmittelbar betroffen von den nun geplanten „schulorganisatorischen Maßnahmen“, wie es im Verwaltungsdeutsch heißt, sind die Bernetalschule im Nordviertel, die Friedrich-Fröbel-Schule in Kray und die Ruhrtalschule in Fischlaken (alle mit dem Förderschwerpunkt Lernen, emotionale und soziale Entwicklung). Sofern der Stadtrat den Vorschlägen zustimmt, würden die beiden letzteren zum Ende des Schuljahrs aufgelöst und als Dependancen anderer Schulen weitergeführt. Die Friedrich-Fröbel-Schule wäre dann ein Ableger der Schule am Hellweg in Freisenbruch, die Ruhrtalschule gehörte künftig zur Theodor-Fliedner-Schule in Frohnhausen. Die Bernetalschule soll auslaufen, sie nähme keine neuen Schüler mehr auf.
„Für Eltern und Kinder ergibt sich nächstes Jahr faktisch keine Änderung“, so Peter Renzel, der die Pläne Mitte der Woche den Leitern der Förderschulen vorstellte. Die Kollegien hätten mit noch tieferen Einschnitten gerechnet, so Renzel, schließlich lägen weitere Schulen unter der Mindestschülerzahl und liefen nur mit Ausnahmegenehmigung. 144 Kinder braucht es für den Betrieb einer Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen, so hat es die Bezirksregierung verfügt. Zehn der Essener Förderschulen haben diesen Schwerpunkt, bei sieben davon rangiert die Schülerzahl unter der Marke von 144.
„Wir waren sehr überrascht“
An den drei betroffenen Schulen hält sich das Verständnis für den Vorschlag der Verwaltung dennoch in engen Grenzen. „Wir waren sehr überrascht“, heißt es unisono. Schließlich habe man in den vergangenen Jahren intensiv an Konzepten für den Übergang zu einer inklusiven Bildungslandschaft mitgearbeitet. Dieses Ziel trage man ausdrücklich mit. Drei Schulen einfach abzuschneiden, sei ein Schnellschuss. „Ich vermisse ein Gesamtkonzept, das alle Schulen umfasst“, sagt Gerhard Seth, Leiter der Friedrich-Fröbel-Schule.
Ulrike Oberreuter von der Bernetalschule bemängelt, die Verwaltung habe zu sehr auf Schülerzahlen und Gebäudekosten und zu wenig auf Inhalte geschaut. „Die Pädagogik, die uns auszeichnet, kann durch eine Auflösung nicht eins zu eins auf eine Regelschule übertragen werden“, so die Schulleiterin. Daran ändere auch nichts, dass die Verwaltung nun betont, der Weg zum inklusiven System sei eine langfristige Entwicklung, in die man alle Beteiligten einbinden wolle. „Wir haben Angst, dass unsere Schülerschaft hintenüber fällt.“
Eltern sprechen sich gegen eine Dependance-Lösung aus
„Ich halte es für nicht hinreichend, nur isoliert sukzessiv die kleineren Schulen zu schließen“, sagt auch Ludger Dornebeck, Leiter der Ruhrtalschule, der zudem auf deren Bedeutung als einzige Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen im Essener Süden verweist. Dass es dort künftig nur einen Abzweig geben soll, sei unangemessen. Kritik kommt auch von den Eltern. „Wir werden eine Dependance-Lösung nicht mittragen. Das kann nicht im Sinne der optimalen Förderung unserer Kinder sein“, so der Schulpflegschaftsvorsitzende der Ruhrtalschule, Dietmar van Beem.
Nun ist die Politik am Zug. Die SPD-Fraktion im Rat befürworte in jedem Fall das Ziel Inklusion, so die schulpolitische Sprecherin Janine Laupenmühlen in einer ersten Reaktion. Standortschließungen alleine seien aber „kein Schulentwicklungsplan“. Man müsse die Landschaft insgesamt im Blick haben.
Schuldezernent Peter Renzel:„kein vorauseilender Gehorsam“
In Essen gibt es 16 städtische Förderschulen, zudem drei Förderschulen des Landschaftsverbands Rheinland, die Franz-Sales-Förderschule in kirchlicher Trägerschaft, die Waldorfschule mit ihrem Förderangebot.
Die Zahl der Schüler an Förderschulen sinkt schneller als an anderen Schulen. Besuchten im Schuljahr 2006/2007 noch 3645 Kinder in Essen eine Förderschule, waren es 2010/2011 laut Stadt 3434. Das macht einen Rückgang um 5,8 Prozent. An den Regelschulen verzeichnete man im gleichen Zeitraum 3,6 Prozent weniger Bedarf. „Dies ist einerseits bedingt durch die demografische Entwicklung, aber insbesondere auch durch die verstärkte Wahl der allgemeinbildenden Schulen als Förderort“, so die Verwaltung.
Man handele nicht in vorauseilendem Gehorsam
Die rot-grüne Landesregierung will die Entwicklung hin zu flächendeckender Inklusion weiter forcieren. Der Entwurf für ein entsprechendes Schulrechtsänderungsgesetz liegt vor. Man handele aber „nicht in vorauseilendem Gehorsam“, so Schuldezernent Peter Renzel, „wir setzen mit unseren Plänen auf der aktuellen Gesetzgebung auf“.