Essen. Seit Jahren schon sollen die Situation Alleinerziehender und deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden. Jetzt zeigt eine Studie: Das Gegenteil ist passiert.
Armut in Essen ist jung, weiblich und hat Kinder. Das haben die Politik und städtische Sozialexperten bereits vor zwei Jahrzehnten erkannt und angekündigt, die Lebenssituation Alleinerziehender entscheidend verbessern zu wollen. Daraus ist anscheinend nicht viel geworden: Der Ausbau der Kinderbetreuung und das gewollte Mehr an Unterstützung beim Berufseinstieg hat offenbar nicht mithalten können mit zunehmend höheren Scheidungsraten.
Die Zahl der Einzelkämpfer(innen) mit Nachwuchs, die morgens die Kleinen in die Kita bringen, dann halbtags arbeiten und zudem den Haushalt schmeißen, ist in den vergangenen Jahren merklich gestiegen. Aber auch die Gruppe der Arbeitslosen, die mit Kindern kaum eine Chance auf dem Jobmarkt haben, hat zugenommen.
Zu diesen alarmierenden Ergebnissen kommt eine Analyse der NRW Regionalagentur MEO auf der Grundlage statistischer Daten und Interviews im Rahmen des Bundesprogramms „Netzwerke wirksamer Hilfen für Alleinerziehende“.
21.000 Kinder sind betroffen
Demnach wird in Essen fast jeder dritte Haushalt mit Kindern von Alleinerziehenden geführt, die zu 87 Prozent weiblich sind. In den 15.000 Ein-Eltern-Familien leben über 21.000 Kinder. Das ist mittlerweile fast jedes vierte Essener Kind. Auffällig im Vergleich mit den Nachbarstädten ist der hohe Anteil von Alleinerziehenden bei den 18- bis 25-Jährigen: Sie machen zwei Drittel im Verhältnis zu allen Haushalten mit Kindern aus.
Gerade dieser Befund ist für die Diplom-Sozialwissenschaftlerin und Projektleiterin „MEO für Alleinerziehende“, Beatrix Holzer, ein deutlicher Beleg dafür, dass es in Essen „einen konkreten Handlungsbedarf hinsichtlich einer beruflichen Erstqualifizierung und Einstiegshilfen für junge Alleinerziehende“ gibt. Besonders besorgniserregend sei der hohe Anteil der Kinder, die aufgrund der Erwerbssituation ihrer Mutter von relativer Armut betroffen seien, so Holzer. Das sind inzwischen 44 Prozent aller 26.000 kleinen Essener, die in Hartz IV-Familien leben.
Bei genauerem Hinsehen wird klar: In den oberen Einkommensgruppen sind Alleinerziehende kaum zu finden. Nur 6,7 Prozent verfügen über ein monatliches Nettoeinkommen von 2000 bis 2500 Euro. Obwohl 60 Prozent aller Alleinerziehenden erwerbstätig sind, findet jeder dritte am Monatsende weniger als 1100 Euro auf seinem Konto – Kindergeld und mögliche Unterhaltszahlungen bereits inklusive.
Neue pädagogische Konzepte
Und: Fast jede fünfte Hartz-IV-Familie ist eine Bedarfsgemeinschaft Alleinerziehender, von denen wiederum jede zweite auf Transferleistungen des Staates angewiesen ist. Zwei Drittel dieser Frauen mit einem oder mehr Kindern haben entweder gar keinen Schulabschluss oder es hat allenfalls für die Hauptschule gereicht, weitere 21 Prozent haben die mittlere Reife gepackt. Zwei Drittel der arbeitslosen Frauen stehen allerdings ohne abgeschlossene Berufsausbildung da.
Gemessen an allen Haushalten mit Kindern sind besonders viele Alleinerziehende in der Innenstadt und ihren Anrainer-Vierteln zu finden. Überproportional betroffen sind auch die Stadtteile Altendorf, Frohnhausen, Holsterhausen, Altenessen-Süd, Vogelheim und Kray.
Um die Situation der Betroffenen ändern zu können, ist eine ausreichende Zahl von Kinderbetreuungsplätzen unabdingbar, so Holzer. Neue pädagogische Konzepte, Ferienöffnungszeiten und insgesamt mehr flexible Angebote seien notwendig. Zudem regt die Studie eine zentrale Anlaufstelle für die Alleinerziehenden an, wo sie Hilfen aus einer Hand bekommen können.