Essen-Kettwig. In den Kitas in NRW herrscht nach wie vor akuter Männermangel. In insgesamt 9500 Einrichtungen sind lediglich 1403 männliche Erzieher angestellt, aber 58 417 Frauen. Das bedeutet im Klartext: Der Männeranteil liegt bei 2,33 Prozent - Tendenz fallend.
Mehr Männer in die Kitas - das haben zahlreiche Kampagnen zum Ziel, und auch die zuständige Ministerin Ute Schäfer (SPD) hat sich des Problems bereits angenommen.
In Kettwig ist man der Zeit weit voraus. Männer in Kitas sind seit vielen Jahren Normalität - und ihr Anteil liegt weit über dem Durchschnitt. In den vier Einrichtungen, die zum Kinder- und Familienzentrum Kettwig gehören, arbeiten 22 Erzieherinnen und sechs Erzieher. Der Männeranteil beträgt damit fast 22 Prozent.
Heike Kappert, Leiterin der Kitas St. Matthias und St. Joseph, sieht die derzeitige Entwicklung mit gemischten Gefühlen, denn „der Beruf soll, um mehr Männer in die Kitas zu bekommen, aufgewertet werden. Das war längst überfällig, denn es ist ein sehr anspruchsvoller Beruf. Aber ich hätte mir diese Anerkennung ohne die Männerdiskussion gewünscht. Die Erzieherinnen machen schon immer einen tollen Job und werden dafür nicht sonderlich gut bezahlt.“
Ob Frau oder Mann - bei der Besetzung offener Stellen gehe es ausschließlich um die Qualifikation und ob jemand ins Team passe. Mann oder Frau? Egal. Heike Kappert: „Bei uns machen die Männer keine geschlechtsspezifischen Arbeiten. Sie müssen das ganze Paket mittragen, das der Arbeitsalltag bietet. Von der Hauswirtschaft bis zu den pflegerischen Tätigkeiten und den Dokumentationen.“ Eines müsse man allerdings im Team immer wieder klarstellen: „Erzieher sind in einer Einrichtung nicht die Hausmeister. Eine Glühbirne auswechseln kann wohl auch jede Frau.“
Für das Klima in einer Kita sei es gut, wenn Männer mitarbeiten, denn „sie haben eine andere Sichtweise auf die Dinge, und sie sind ein bisschen unkomplizierter“, sagt Heike Kappert und lacht. Für alle Kinder sei es wichtig, von Frauen und Männern erzogen zu werden - „allein wegen des Rollenbildes. Kinder müssen die Wahl haben, müssen sich entscheiden können, an wen sie sich in einer bestimmten Situation wenden.“ Die Anforderungen seien an alle Erzieher gleich - ob Mann oder Frau. Einfühlsam, liebevoll und konsequent müssen sie sein, eine hohe Flexibilität und Motivation mitbringen.
Das erfüllen die Männer, die in St. Joseph, in der Kita Arndtstraße, in St. Matthias und in der Evangelischen integrativen Kita Rheinstraße arbeiten:
Robin Bouchard (21), Erzieher im Anerkennungsjahr:
„Ich habe relativ früh gemerkt, wie viel Spaß die Arbeit mit Kindern macht. Man bekommt sehr viel positives Feedback. Ich gehe jeden Morgen mit einem guten Gefühl in die Kita. Und das ist mir sehr wichtig. Wenn es überhaupt Nachteile gibt, dann ist es der Lautstärkepegel, der oft sehr hoch ist. Und die Eltern, die sind manchmal anstrengend.“
Michael Schweinheim (31), Erzieher:
„Ich habe Drucker gelernt, bin dann zur Bundeswehr gegangen und habe anschließend eine Stelle gesucht. Für das Behindertenreferat habe ich als Integrationshelfer in einer Kita gearbeitet und bin dadurch in Richtung Erzieherausbildung gerutscht. Da es viele Alleinerziehende gibt, ist es für Kinder in der Kita wichtig zu sehen, wie Männer und Frauen miteinander umgehen. Die Diskussion um Männer in diesem Beruf verstehe ich nicht. Man fragt einen Bäcker ja auch nicht, warum er Bäcker geworden ist.“
Patrick Köhler (35), Erzieher:
„Die erste Erzieherausbildung habe ich abgebrochen. 22 Jahre war ich damals alt und mir fehlte wohl die emotionale Reife. Mir war alles zu wuselig, die Anforderung zu hoch. Dann habe ich Bürokaufmann gelernt - und bin aber anschließend wieder zurück. Es ist wichtig, dass Männer in Kitas arbeiten, damit die Kinder nicht nur die weibliche Sicht der Dinge übernehmen. Wir Männer gehen oft weniger emotional an eine Sache heran. Und wir sind oft direkter. Kinder sind fantastisch. Meine Freundin ist auch Erzieherin und in zwei Jahren wollen wir eigene Kinder.“
Jörg Pöllmann (40), Erzieher, stellvertretender Kita-Leiter:
„Ich wollte immer im sozialen Bereich mit Kindern arbeiten. In Bochum habe ich die Fachschule besucht. Wir waren vier Männer und 25 Frauen. Nur ein Kollege und ich haben bis zum Schluss durchgehalten. Die Frage, warum dieser Beruf Spaß macht, kann man sich gar nicht stellen. Schauen Sie sich einfach mal hier in der ‘Bärengruppe’ um...“
Benjamin „Benni“ Bröhling (30), Erzieher:
„Vor einigen Jahren haben die Leute noch dumm geschaut, wenn ich gesagt habe, dass ich Erzieher bin. Mittlerweile hat sich in der Gesellschaft viel getan. Und ich kann Männer nur ermutigen, diesen Beruf zu ergreifen. Man muss sich definitiv um seine Zukunft keine Sorgen machen, denn männliche Erzieher werden einfach dringend gebraucht.“
Johannes Schlitt (27), Berufspraktikant:
„Um das Fachabitur zu machen, habe ich in einem Duisburger Kindergarten ein Praktikum absolviert. Und das hat mir einfach viel Freude gemacht. Was muss ein guter Erzieher mitbringen? Man muss zu den Kindern einen guten Kontakt herstellen, eine angstfreie Atmosphäre schaffen. Denn sie wenden sich auch oft mit ihren Problemen an uns. Wir haben Tag für Tag eine große Verantwortung, und dessen muss man sich auch bewusst sein. Es ist einfach nur toll zu sehen, wie sich die Kinder entwickeln, wie sich alle Fähigkeiten steigern. Das macht mächtig Spaß.“
Die Evangelische integrative Kita an der Rheinstraße leitet Heike Hohendahl-Kuhlmann. Ihre Erfahrungen mit männlichen Kollegen in ihrer Einrichtung: „Es gibt immer mehr alleinerziehende Frauen, da fehlt dann das männliche Gegenüber. Deshalb ist es enorm wichtig, dass auch Männer in den Kitas arbeiten. Auch bei Familien mit Migrationshintergrund ist ein Mann als Ansprechpartner von großer Bedeutung. Und die Kollegen sind oft auch gelassener und entspannter.“