Essen. Die Familie hat Urlaub, das Haustier hat das Nachsehen: Jedes Jahr werden in den Sommermonaten besonders viele Tiere ausgesetzt. Tierheime wie das Essener platzen aus allen Nähten. Manche Tiere landen auch in der freien Wildbahn. In Teichen in der Stadt ziehen Schildkröten ihre Kreise.
Die Schildkröte zieht ihre Bahnen im Stadtgarten-Teich. An warmen Tagen liegt sie auf einem Stein am Ufer und genießt die Sonnenstrahlen. Doch wie ist die Schildkröte in den Teich gekommen?
Ihre Besitzer haben sie offenbar dort ausgesetzt. „Schildkröten sind überall in den Teichen im Stadtgebiet zu finden“, sagt Karina Nickel-Hiedels, Reptilien-Expertin im Verein „Schildkrötenfreunde Horst ‘95“. Unproblematisch sei diese Entwicklung nicht: „Schildkröten gehören hier nicht hin“. Die Tiere könnten das sensible Gleichgewicht im „Ökosystem See“ stören, so Nickel-Hiedels, denn mit ihrem Wachstum steige auch der Futterbedarf – auf dem Speiseplan großer Schildkröten stünden Insekten, Fische, Fischlaich und sogar Entenküken.
Schildkröten für taschengeldfreundliche 20 bis 30 Euro
Wasserschildkröten, kritisiert Nickel-Hiedels, seien ein „Mitnahme-Produkt“ geworden. Zoohandlungen verkaufen Schildkröten für taschengeldfreundliche 20 bis 30 Euro. Die Käufer vergäßen aber zuweilen, dass die Tiere in Gefangenschaft bis zu 50 Jahre alt werden können. Sie wachsen schnell, und die Pflege eines Aquariums ist recht arbeitsintensiv. Das wachse manchen Besitzern über den Kopf.
„Unser Verein erhält vermehrt Anfragen, ob wir nicht Tiere aufnehmen können.“ Das ginge aber nicht, schließlich seien auch die Möglichkeiten der Schildkrötenfreunde begrenzt. Da erscheint vielen Wasserschildkröten-Besitzern die Möglichkeit, das Tier in einem öffentlichen Teich auszusetzen, wohl recht verlockend.
Die Überlebenschancen in Essens Teichen
Doch kommen die Tiere in Essens Teichen über die Runden? „Ja“, sagt die Schildkröten-Expertin. „Ausgesetzte Schildkröten können in unseren Breiten überleben. Und bevor eine Wasserschildkröte in einem Aquarium sitzt, nicht gepflegt wird und sich kaum umdrehen kann, ist sie in einem Teich vielleicht sogar besser dran.“
Das Tierheim ist voll - Die Auslastung liegt bei mehr als 100 Prozent
Dass Menschen ihre „lästigen“ Tiere loswerden wollen, ist nicht neu. Besonders zur Ferienzeit schießen die Zahlen der ausgesetzten Tiere in die Höhe. „Verantwortungsbewusste Tierbesitzer sollten sich daher unmittelbar nach der Wahl ihres Urlaubsziels Gedanken über die Betreuung ihres Haustieres machen“, sagt Bärbel Thomassen, die Leiterin des Albert-Schweitzer-Tierheims in Essen.
265 Katzen, 80 Hunde und 180 Kleintiere
Aktuell leben im Tierheim 265 Katzen, 80 Hunde und 180 Kleintiere. Die Mitarbeiter der Einrichtung sind besonders mit der Betreuung von Katzen beschäftigt – die Samtpfoten werden am häufigsten abgegeben. Darunter sind auch viele Fundkatzen, oft Nachkommen von unkastrierten Tieren.
Die Tierheim-Chefin erzählt von einem Fall, der sich auch zur Urlaubszeit zugetragen hat: Eine Katzenbesitzerin sagte, sie fliege am nächsten Tag nach Mallorca. Die Katze könne nicht mit, daher wolle sie das Tier loswerden.
Nicht gut darauf zu sprechen
Erfolgreich war die Katzen-Besitzerin mit dieser Taktik nicht. „Es hat sich wohl herumgesprochen, dass unsere Mitarbeiter nicht gut darauf zu sprechen sind, wenn Tiere abgegeben werden, nur weil sie ihren Besitzern zur Last fallen.“
Ideal sei es, das Tier mit in die Ferien zu nehmen. Ginge dies nicht, solle man sich über Tierpensionen informieren oder Freunde, Bekannte oder Nachbarn um Hilfe bitten. Eines jedenfalls ist keinesfalls möglich: das tierische Familienmitglied im Tierheim zu „parken“. „Wir sind voll“, sagt Thomassen. „Unsere Auslastung liegt bei über 100 Prozent.“