Essen. Das Wohnen in der Stadt wird offenbar teurer: Nach einer Auswertung des Immobilienportals Immowelt versuchen die Vermieter, vor allem im Süden deutlich höhere Mietpreise durchzusetzen.

Südbalkon, Kamin, top-saniertes Bad, Aufzug, Tiefgaragenplatz und Erstbezug – wer so eine Wohnung derzeit in Rüttenscheid sucht, kann schon mal bis zu zehn Euro Kaltmiete locker machen. Auch wenn diese Kaltmiete, wie sie aktuell im Internet aufgerufen wird, sicherlich eine am oberen Ende der Skala ist, scheint sie einen Trend zu unterstreichen: Wer eine gut ausgestattete Wohnung in einer bevorzugten Lage im Süden der Stadt mieten will, muss immer tiefer in die Tasche greifen.

Das Immobilienportal Immowelt hat 5000 Essener Mietangebote auf seiner Internetseite ausgewertet. Das Ergebnis ist durchaus überraschend: Die Preise für Mietwohnungen sind dort in den ersten drei Monaten um elf Prozent gestiegen – verglichen mit den Mieten, die im gleichen Zeitraum vor einem Jahr in dem Portal aufgerufen wurden.

Essen liegt über dem Durchschnitt

Mit dieser Entwicklung liegt Essen deutlich über dem Bundesdurchschnitt (plus zwei Prozent). Selbst in München, Frankfurt oder Berlin haben die aufgerufenen Mietpreise nicht so stark zugenommen, wie in Essen. Allerdings: Mit durchschnittlich 6,40 Euro Nettokaltmiete für den Quadratmeter, die Immowelt ermittelt hat, lebt es sich im Vergleich der deutschen Großstädte in Essen immer noch vergleichsweise preiswert.

Beim Eigentümerverband Haus und Grund warnt man zwar: Die Immowelt-Zahlen sind nicht repräsentativ. Schließlich handele es sich bei den Angeboten im Internet nur um private Neuvermietungen. Und ob letztlich diese Mieten, wie sie dort inseriert werden, auch durchgesetzt werden, stehe auf einem anderen Blatt.

Werden besonders teuer

Aber - und diesen Trend bestätigt auch Christian Zerres, stellvertretender Geschäftsführer bei Haus und Grund in Essen: Die Vermieter versuchen durchaus häufiger, höhere Mietpreise durchzusetzen. „Die Frage nach Mieterhöhungen war in unseren Beratungsgesprächen lange Zeit kein Thema. Jetzt wird sie von Vermietern öfters gestellt“, so Zerres, der seit 23 Jahren die Entwicklung auf dem Essener Wohnungsmarkt verfolgt.

Mietpreisspiegel

Im aktuellen Mietpreisspiegel liegen die Spannen zwischen 5,25 Euro Nettokaltmiete für den Quadratmeter und 6,80 Euro - je nach Alter des Hauses. Die Preise können aber je nach Ausstattung und Lage auch höher ausfallen.

Zuletzt wurde der Mietpreisspiegel der Stadt Essen am 1. Juli 2011 verfasst. Damals gab es gegenüber 2009 keine Veränderung bei den Mieten. Der nächste Mietpreisspiegel kommt wohl erst 2014.

Glaubt man den Zahlen von Immowelt, ist das Wohnen besonders in Werden, Rüttenscheid und den Stadtteilen der Ruhrhalbinsel teurer geworden. Für eine Mietwohnung in Werden ermittelte Immowelt eine durchschnittliche Nettokaltmiete von 8,40 Euro (plus 11 Prozent). In Rüttenscheid verlangten die Vermieter im Schnitt 8,20 Euro (plus 16 Prozent) und in den Stadtteilen der Ruhrhalbinsel immer noch 7,30 Euro (plus 6 Prozent). Aber auch in Stadtmitte und in West, wo das Univiertel bebaut wird, ziehen die im Netz verlangten Mietpreise deutlich an. Makler Alexander Raves hält diese Preise jedoch für zu hoch. „Acht Euro Kaltmiete in Rüttenscheid ist schon oberstes Niveau.“ Grundsätzlich deckt sich aber der Trend mit seinen Erfahrungen: „In den südlichen Stadtteilen steigen die Mieten seit ein, zwei Jahren .“ Während Vermieter im Essener Norden modernisieren müssen, um überhaupt konkurrenzfähig zu bleiben , können Wohnungsinhaber im Süden durchaus nach einer Modernisierung höhere Mieten durchsetzen, berichtet Raves.

„Lila Fliesen will keiner mehr“

Die Experten sehen viele Gründe für die Entwicklung: „Ich glaube , die Attraktivität Essens als Wohnstadt ist gestiegen“, so Zerres. Die Neuansiedlung großer Unternehmen wie Eon oder Thyssen-Krupp habe dem Wohnungsmarkt gut getan. Barbara Schmid, Sprecherin bei Immowelt, meint: Besonders in Städten mit Unis und Forschungseinrichtungen seien die Mieten geklettert. Hinzu komme, dass Essen wohl für Kapitalanleger interessanter werde. „Hier ist der Markt noch nicht so überhitzt.“

Zudem investieren Vermieter in den Top-Lagen mehr in ihre Wohnungen - mit der nunmehr guten Aussicht, sie für einen höheren Preis vermieten zu können. Das müssen sie auch, denn die Ansprüche der Wohnungssuchenden sind gestiegen: „Lila Fliesen und einen Durchlauferhitzer will heute keiner mehr“, weiß Makler Rainer Post.