Essen. Immer häufiger reichen Hausbesitzer Räumungsklagen gegen säumige Mieter ein; im vergangenen Jahr stieg die Zahl um 273 auf 2792. Doch rechtskräftiges Urteil nebst Räumungstitel gipfeln für Mieter nicht zwangsweise im Wohnungsverlust – denn der letzte Schritt zur Räumung kommt auch den Vermieter teuer.
Zusätzlich zum Klageverfahren und ausgebliebener Miete muss der Hausbesitzer rund 5000 Euro für ein Umzugsunternehmen und die Dienste des Gerichtsvollziehers vorschießen. „Darum sind manche Hausbesitzer einverstanden, das Mietverhältnis fortzusetzen, wenn die ausstehenden Mieten gezahlt werden“, sagt Bodo Kolling, der die städtische Fachstelle zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit leitet.
495 000 Euro gab seine Behörde 2011 zur Tilgung von Mietschulden aus. „Wir zahlen allerdings nur, wenn der Mieter anschließend in der Wohnung bleiben kann“, sagt Kolling. Für die Begleichung privater Schulden sei die Stadt nicht zuständig – für die Verhinderung von Obdachlosigkeit schon.
"Den Mietern zu drohen wäre der falsche Weg"
Eine Räumung kommt für Mieter nicht unerwartet. „Es gibt vorher Mitteilungen des Vermieters, von Anwälten und Gerichten“, sagt Amtsgerichtssprecher Niklas Nowatius. Doch die Erfahrung von Schuldnerberatern zeigt: Je tiefer Betroffene in den Miesen sind, umso mehr verdrängen sie schlechte Nachrichten, öffnen die Post teils gar nicht mehr.
So weit will es die Allbau AG, die mit 18 000 Wohnungen größte Wohnungsgesellschaft in Essen, nicht kommen lassen. „Wir nehmen persönlichen Kontakt auf, wenn Mieten ausbleiben“, sagt Allbau-Prokurist Samuel Serifi. Konstruktive Lösungen wie Ratenzahlungen wolle man anbieten. „Den Mietern zu drohen wäre der falsche Weg“, sagt Serifi. Eine Mühe, die sich auszahlt, „wenn wir klagen, zieht sich das Verfahren meist über Monate und wir bleiben zu 99 Prozent auf den Kosten sitzen.“ Umgehen lassen sich Räumungen aber nicht immer, „in 35 Fällen haben wir 2011 keinen anderen Weg gesehen“, erklärt Serifi.
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Alleinstehende Männer bilden Großteil der Klienten
Sozialarbeit, die viele Großvermieter scheuen. Während die Zahl der Klagen privater Vermieter mit rund 480 konstant blieb, wurde bei Wohnungsgesellschaften ein Plus um 240 auf 933 Räumungsklagen verzeichnet. Als einen Grund für den Anstieg nennt ein Branchenkenner den Großverkauf von Wohnungen an Investoren-Gruppen, die neben dem Gewinn kaum Interesse an den Immobilien zeigten.
Mehrheitlich (86 Prozent) betroffen sind von drohenden Räumungen Single-Haushalte; Alleinstehende Männer im Alter von 30 bis 65 Jahren führen dort die Rangliste an. Was mit ihnen geschieht, wenn Vermittlungsversuche scheitern und die Wohnung geräumt werden muss? „Dann helfen wir, eine neue Wohnung zu finden“, sagt Kolling.
Gerade bei dem häufig sozial schwachen Klientel machten Vermieter dann oft zur Bedingung, dass Mietbeihilfen, etwa des Jobcenters, künftig direkt an den Hausbesitzer überwiesen würden. „Rechtlich ist das kein Problem“, sagt Kolling, „wenn es um Menschen geht, die bereits Probleme wegen Mietrückständen hatten“.