Essen. . Ärgerliche Übergangsregelung für Hartz IV-Empfänger: Die so genannten Weiterbewilligungsanträge, die jeder Empfänger halbjährlich stellen muss, werden in Essen nicht mehr automatisch zugestellt. Die Betroffenen wurden darüber nicht persönlich informiert - ihnen drohen aber Sanktionen, wenn sie den Antrag nicht rechtzeitig stellen.

Die Stadt, die seit Januar das Jobcenter in Eigenregie führt, hat eine alte Regelung der Agentur für Arbeit ad acta gelegt – zumindest vorübergehend: Die so genannten Weiterbewilligungsanträge, die jeder Kunde halbjährlich stellen muss, der Geld vom Staat bekommen möchte, werden nicht mehr automatisch zugestellt.

Darüber seien die Hilfeempfänger aber nicht persönlich, sondern allenfalls über einen Aushang in den Jobcenter-Filialen informiert worden. Wer den übersehen hat, so Miriam Urbat von den Essener Montagsdemonstranten in einem Brief an den Sozialdezernenten Peter Renzel, habe dann wohl Pech gehabt.

Bei Fristversäumnissen drohten Sanktionen und Leistungskürzungen: „Wenn Anträge verspätet gestellt wurden und werden, liegt es an den Fehlern der Behörde und ist kein Vergehen der Betroffenen“, so Urbat. Es gebe „erhebliche Probleme“ bei der Auszahlung der Gelder an Bezieher des Arbeitslosengelds II. In einigen Fällen seien Krankenkassenbeiträge nicht rechtzeitig abgeführt worden, und die telefonische Erreichbarkeit der Mitarbeiter im Jobcenter sei „vielfach nicht gegeben“.

Neue Telefonanlage kommt im Herbst

Wie Sozialdezernent Peter Renzel erklärte, ist der automatische Versand tatsächlich eingestellt worden. Jedoch nur übergangsweise: Im Juli seien die Computer so weit programmiert, dass das alte Verfahren der Agentur für Arbeit wie gewohnt funktionieren soll. An der besseren Erreichbarkeit werde gearbeitet.

Eine neue Telefonanlage gehe im Herbst in Betrieb. Renzel kennt jedoch keinen Fall, in dem Leistungen gekürzt wurden, weil die Frist für die Weiterbewilligungsanträge abgelaufen sei. Und auch bei den Krankenkassenbeiträgen, „sind mir derzeit keine Umsetzungsprobleme bekannt“, so der Sozialdezernent, der einmal mehr alle Kunden bittet, die gesamten Geschäftszeiten zwischen 8 und 16 Uhr und die bekannten E-Mail-Adressen zu nutzen.

Hartz IV - Fluch oder Segen?

"Hartz IV bedeutet für mich, kein Brot Zuhause zu haben - und keins kaufen zu können." Chris, Hartz IV-Empfänger © JSR
"Hartz IV bedeutet für mich, sechs Jahre lang kein Kino mehr von innen gesehen zu haben." Clarissa, Hartz IV-Empfängerin © JSR
"Hartz IV bedeutet für mich, dass ich Zuhause bei meinem Baby bleiben kann." Maria da Silva, Hartz IV-Empfängerin © JSR
"Hartz IV bedeutet für mich, von einer Ecke zu anderen geschickt werden, immer hin und her, von einem Jobcenter zum nächsten. Keiner fühlt sich zuständig." Mandy, Hartz IV-Empfängerin © JSR
"Hartz IV bedeutet für mich, seit zwei Jahren an Ort und Stelle zu hocken. Denn Geld für den Urlaub ist nicht drin." Tina, Hartz-IV Empfängerin © JSR
"Hartz IV bedeutet für meinen Vater, dass er jeden Job annehmen muss, den er kriegen kann - sonst kürzt man ihm die Leistungen." Marcel, Sohn eines Hartz IV-Empfängers © JSR
"Hartz IV bedeutet für meine Frau, meine vier Kinder und mich, dass schon am 6. eines Monats kein Geld mehr da ist." Hassan Ebrahim, Hartz IV-Empfänger © JSR
"Hartz IV bedeutet für meinen Sohn Jason und mich, dass wir seit zwei Jahren Straßenbahn fahren müssen. Ein Auto können wir uns vom Regelsatz nicht leisten." Mike Herlitz, Hartz IV-Empfänger © JSR
"Hartz IV bedeutet für mich, dass ich seit vier Jahren nicht mehr shoppen war. Ich trage mit 49 Jahren noch immer die Sachen von meinen Geschwistern auf." Sonja Beckmann, Hartz IV-Empfängerin © JSR
"Hartz IV bedeutet für mich, dass ich meinem Baby Taylor gebrauchte Anziehsachen kaufen muss. Auch Schwimmen wäre mal wieder schön. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie es ist, ins Wasser zu springen." Jasmin Kettlitz, Hartz IV-Empfängerin © JSR
"Hartz IV bedeutet für mich, dass ich für eine Waschmaschine betteln muss. So etwas braucht man doch mit Baby. Es ist erniedrigend." Samia, Hartz IV-Empfängerin © JSR
"Hartz IV bedeutet für mich, dass wir uns die Geburtstagsparties für unsere beiden Töchter vom Munde absparen müssen." Dirk Grigoleit, Hartz IV-Empfänger © JSR
"Arbeitslosengeld II bedeutet für mich, regelmäßig zur Essener "Tafel" zu gehen. Dabei gehe ich sogar arbeiten - doch es reicht einfach nicht." © JSR
"Hartz IV bedeutet für mich nur einmal im Jahr zum Friseur zu gehen. Das letzte Mal war ich im Dezember - ein Weihnachtsgeschenk." Heike, Hartz IV-Empfängerin © JSR
"Hartz IV bedeutet für mich, sich den neuen Fahrradschlauch zusammen zu sparen. Und so lange muss man halt laufen, denn öffentliche Verkehrsmittel: viel zu teuer." Frank Neuhaus, Hartz IV-Empfänger © JSR
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