Essen. . Seit die Stadt Essen als Optionskommune die Hartz-IV-Empfänger in Eigenregie verwaltet, gibt es hohe Bearbeitungsrückstände. Nun räumt auch Jobcenter-Chef Dietmar Gutschmidt ein, dass es Probleme mit der Software und entsprechende Bearbeitungsrückstände gebe.
Die Beschwerden von Hartz IV-Empfängern über die Essener Jobcenter reißen nicht ab. Nun räumt auch Jobcenter-Chef Dietmar Gutschmidt ein, dass es Probleme mit der Software und entsprechende Bearbeitungsrückstände gebe. „Ich rechne nicht damit, dass wir diesen Rückstand bis zum Sommer abarbeiten können.“ Die Krux: Seit dem ersten Januar ist die Stadt in Eigenregie für die Verwaltung von 80 000 Hartz IV-Empfängern zuständig. Eine neue Software musste gekauft werden, „und die läuft teilweise schleppend und hakt“, sagt Gutschmidt.
Nun ist dies ein Fortschritt zum vergangenen Monat, in dem das System teils stunden- und tageweise gänzlich lahm lag. Doch selbst jetzt, wo es läuft, muss nachjustiert werden. Wurden vorher die Formulare für Folgeanträge unaufgefordert an Hilfeempfänger versandt, so war dies im neuen System nicht vorgesehen. „Ich hatte große Sorge, dass ich ab dem nächsten Ersten kein Geld mehr bekomme“, sagt ein Hartz-IV-Empfänger, der sich neben anderen an die Redaktion wandte.
"Das ist eine Unart, da haben wir nachgesteuert“
Vergeblich habe er versucht, das Jobcenter anzurufen. „Doch da gerate ich entweder in die Warteschleife, oder es ist besetzt.“ Ein Zustand, der sich seit Wochen hält. Zwar versicherte Gutschmidt schon im Februar, man wisse um das Problem und arbeite daran – doch noch immer laufen die Telefone nicht. So kann Gutschmidt nur erneut aufs Nachjustieren der Anlage verweisen: „Aber im Spätsommer bekommen wir eine neue, dann wird es besser laufen“, fügt er an.
Bis dahin werden Beschwerden in den Jobcentern angenommen. Doch der Weg dahin steht nicht jedem offen. „Ich wollte mich beschweren, weil ich kein Geld bekommen habe. Ich konnte die Miete nicht überweisen und hatte auch kein Geld mehr, um etwas zu essen zu kaufen“, sagt ein 42-Jähriger. Die Krux: Auch Fahrscheine für den öffentlichen Personennahverkehr kosten Geld. „Also bin ich gelaufen und als ich im Jobcenter ankam, hat man mir gesagt, ich müsse zur Ruhrallee, dort säße jetzt das zentrale Kundenreaktionsmanagement. Das wäre noch mal eine halbe Stunde Fußweg gewesen.“
Gutschmidt räumt ein, dass es Kommunikationsprobleme gab: „Selbstverständlich können sich alle Hartz IV-Empfänger weiterhin in den zuständigen Jobcentern bei Team- oder Standortleitung beschweren. Es war nie so gedacht, dass die Leute jetzt alle zur Ruhrallee geschickt werden. Das ist eine Unart, da haben wir nachgesteuert“, sagt Dietmar Gutschmidt.
„Wir haben es in den Jobcentern jeden Tag mit Schicksalen zu tun"
Dennoch wirbt er um Verständnis für seine Mitarbeiter. „Die Arbeit im Jobcenter ist psychisch sehr belastend. Die Leute arbeiten so gut es geht und machen regelmäßig Überstunden, um die Rückstände abzuarbeiten.“ Von bis zu zehn Stunden monatlicher Mehrarbeit seit Anfang Dezember sprechen Mitarbeiter, führen überdurchschnittlich hohe Krankenstände wegen psychischer Überlastung an, was Gutschmidt so nicht bestätigt. „Wir hatten hohe Krankenstände im Februar und März, aber sicherlich auch wegen der Grippewelle.“
Dennoch: „Wir haben es in den Jobcentern jeden Tag mit Schicksalen zu tun. Das ist ein besonderer Arbeitsplatz und eine Belastung, die wir nicht unterschätzen.“ Für zusätzliche Verunsicherung im Jobcenter sorgte nun der Weggang von zehn Mitarbeitern. Denn es hieß, die Stadt mache von ihrem „Rückgaberecht“ Gebrauch. Mit Inkrafttreten der Optionskommune im Januar übernahm die Stadt 320 Mitarbeiter der Arbeitsagentur, zehn Prozent des Personals kann sie bis zum 31. März zurück schicken. Doch „die zehn, die jetzt gehen, tun das auf eigenen Wunsch“, sagt Gutschmidt. Arbeitsagentur-Chef Torsten Withake ergänzt, man habe mit allen Wechslern gesprochen und neue Einsatzorte in umliegenden Städtenfür sie gefunden.
Im Jobcenter sollen die Stellen neu besetzt werden, „anders ist die Arbeit nicht zu bewältigen“, sagt Gutschmidt, der personell an Brennpunkten in den vergangenen Wochen immer wieder „nachsteuerte“, um Warteschlangen und Bearbeitungszeiten in den Griff zu bekommen. Was Not tut: Wie Amtsgerichtssprecher Niklas Nowatius bestätigt, geben Menschen, die Rechtsberatungsgutscheine in Anspruch nehmen, seit Januar immer häufiger an, dies wegen Problemen mit dem Jobcenter zu tun.