Essen. . Im Jobcenter am Berliner Platz wurde das Bild des Bundespräsidenten a.D. schon durch den Aktenvernichter geschoben. Die Fotos werden von der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg verschickt, die sie vom vom Bundespresseamt in Berlin erhält.
Es ist ein trauriger Anblick: Wo früher im Erdgeschoss des Jobcenters Essen vor den Besprechungsräumen ein prachtvolles Porträt des Bundespräsidenten a.D. hing, ist nun eine kahle Stelle. Eiskalt abgehangen hat es Oliver Rahn schon am Tag des Großen Zapfenstreichs von Christian Wulff. Als Mitarbeiter der Abteilung Interner Service kümmert er sich im Jobcenter um die räumliche Ausstattung.
„Das ist so üblich“, sagt Rahn. Da sei man immer auf dem neuesten Stand. Jetzt hat er mit dem Bild des Präsidenten kurzen Prozess gemacht, wie Heike Börries, Sprecherin des Jobcenters berichtet: „Wir bewahren die Bilder nicht auf. Die laufen bei uns durch den Aktenvernichter, wenn die Amtszeit des Bundespräsidenten offiziell beendet ist.“ So ereilte das Bildnis Christian Wulffs das gleiche Schicksal wie das seiner Vorgänger – nur eben schon nach gerade mal anderthalb Jahren Amtszeit.
Aushangpflicht abgeschafft
Die Fotos werden von der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg verschickt, die sie vom vom Bundespresseamt in Berlin erhält. Bis vor einigen Jahren gab es eine öffentliche Weisung aus Nürnberg, bundesweit die Zweigstellen der Bundesagentur mit präsidialem Glanz aufzupolieren und die Bilder aufzuhängen. „Das hat man 2004 durch eine Reform abgeschafft“, sagt Sprecherin Ilona Mirtschin. „Man wollte die Arbeitsabläufe von Bürokratie entschlacken.“
Wo nun auch das Jobcenter von Wulffs Konterfei frisch entschlackt ist, wird wohl nach der Wahl am 18. März dessen mutmaßlicher Nachfolger Joachim Gauck dort hängen. Dessen Bilder seien aber noch nicht vorgedruckt worden, versichert eine Sprecherin des Bundespräsidialamts. „Sonst müssten wir ja auch Bilder von Beate Klarsfeld vorproduzieren. Da würden sich die Steuerzahler bedanken...“
So patriotisch wie im Jobcenter geht es in anderen städt-ischen Einrichtungen nicht zu. Zu denken geben muss einem die Praxis des Zollfahndungsamtes, wo Wulffs Bild einer Renovierung zum Opfer gefallen ist. „Stimmt, der hing da mal“, so ein Sprecher. „Dann haben wir die Wand gestrichen und es nicht wieder aufgehängt.“ Auch in anderen Amtsstuben scheint die präsidiale Dekoration nicht wirklich punkten zu können: Denn auch bei der Stadt, der Ausländerbehörde, beim Bürgeramt, der Deutschen Rentenversicherung, den Schulen im Regierungsbezirk Düsseldorf sowie bei den Beratungsstellen der Bundeswehr West und Ost hat man auf jegliche Gedenkschreine für das Staatsoberhaupt verzichtet. Wenn vom Bundespräsidenten nur noch Schnipsel bleiben, nennt man das wohl einen Kollateralschaden der Demokratie.
Eine Ehre – auch ohne Stimmrecht
So spannend wie beim letzten Mal wird es am Sonntag sicher nicht. Und doch darf die absehbare Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten in Berlin als Ereignis gelten, das auch an den Politikbetrieb gewöhnte Zeitgenossen nicht kalt lässt. Essens CDU-Fraktionschef Thomas Kufen jedenfalls empfindet seine Teilnahme in der Hauptstadt „als „Ehre – auch ohne Stimmrecht“. Denn ob der 38-jährige Essener zur Wahl schreiten darf, entscheidet sich erst beim Zählappell der 49-köpfigen nordrhein-westfälischen CDU-Delegation. Sollten dabei zwei Personen fehlen, rückt Kufen als zweiter Stellvertreter in den Kreis der Wähler auf. Ähnlich ergeht es NRW-Justizminister Thomas Kutschaty auf sozialdemokratischer Seite: Er rangiert auf Stellvertreter-Rang 9.
Definitiv unter den 1240 Wahlleuten sind sieben andere Essener: die Bundestagsabgeordneten Petra Hinz und Rolf Hempelmann (beide SPD), Kai Gehring (Grüne) und Ulla Lötzer (Linke) sowie der grüne Landtagsabgeordnete Mehrdad Mostofizadeh, sein FDP-Kollege Ralf Witzel und – als einziger Essener „Promi“ diesmal – Otto Rehhagel. Die 73-jährige Fußball-Trainer-Ikone aus Heisingen wurde übrigens von der Berliner CDU nominiert. Rehhagel hat ja derzeit mehr als nur einen Koffer in der Hauptstadt: In Abstiegsnot geholt, soll Rehhagel die Kicker von Hertha BSC Berlin vor dem Abstieg aus der 1. Bundesliga retten. Eine Frage der Ehre, auch das.