Essen. Fraktionschef Hans-Peter Schöneweiß spricht im Interview über die Rolle der Liberalen im Rat, das für ihn „alternativlose“ Viererbündnis, das Verbot der E-Zigarette als Eingriff in die Rechte des Menschen und darüber, dass NRW keine Umweltzone braucht.
Hans-Peter Schöneweiß führt die Essener Liberalen seit den 90er-Jahren. Liberal zu sein heißt für ihn, anh am Menschen zu sein, sagt er im Interview.
Herr Schöneweiß, wir vermuten mal, auch Sie haben manchmal an der Bundespolitik Ihrer Partei gelitten. Da kommt die Gauck-Nominierung wie gerufen, oder?
Hans-Peter Schöneweiß: Meine Partei hat das gut gemacht, als sie sich für Joachim Gauck aussprach. Das ist der richtige Bundespräsident zur richtigen Zeit.
Die FDP dürfte dennoch weiter unter Druck stehen, auch im Kommunalen. Warum soll man eigentlich die Essener FDP wählen?
Schöneweiß: Wir legen zum Beispiel Wert auf vernünftiges Haushalten. Das ist in der Kommunalpolitik das wichtigste, denn erst dann ist eine Stadt überhaupt handlungsfähig.
Darauf legen andere Parteien auch Wert.
Schöneweiß: Wir schützen konsequent die Freiheitsrechte der Bürger. Nehmen wir das generelle Verbot der E-Zigarette. Derartige Maßnahmen greifen massiv in die Rechte der Menschen ein. Wenn es dabei sauber und vernünftig zugeht, Verbote aus Gesundheitsgründen unabdingbar sind, ist das in Ordnung. Aber wir mögen keine Schnellschüsse beim Verbieten, weil uns die Freiheit des Einzelnen wichtiger ist als anderen Parteien. Das gilt auch bei einem Thema wie Ladenschluss. Man muss erwachsenen Menschen nicht vorschreiben, wann sie einkaufen sollen.
Das ist eher eine Debatte auf Landesebene, weil dort darüber entschieden wird. Was sind liberale Themen in der Kommunalpolitik?
Schöneweiß: Das ist sicherlich schwieriger. Ich würde es mit dem Wort Bürgernähe umschreiben. Es geht darum Politik mit gesundem Menschenverstand zu machen, nicht mit der ideologischen Brille. Nehmen wir den Kanuverein Heisinger Aue. Da kommt das Amt und will denen das Vereinsheim schließen. Aus Gründen des Naturschutzes, und 50 Meter weiter ist dann der Dauerstau auf der Wuppertaler Straße. Das erschien mir sehr stark übertrieben. Da konnten wir helfen, da haben wir eine Wächterfunktion: Die Sportler können bleiben. Dann die Brauchtumsförderung – auch ein urliberales Thema. Ohne uns gäbe es den Rosenmontagszug vielleicht schon gar nicht mehr. Wegen der Sicherheitsverschärfungen nach der Loveparade stand der vor dem Aus.
Liberal heißt also, nah bei den Menschen zu sein?
Schöneweiß: Das sollte man in der Kommunalpolitik sowieso, wenn es auch nicht jedem Kollegen gelingt. Mein Credo ist: Die Bürger sollen sich entfalten können, ohne dass es immer neue Regularien gibt. Wir schauen genauer hin, ob bestimmte Einschränkungen wirklich sein müssen oder ob nur jemand gerne andere bevormundet.
Hört sich gut an. Es scheint aber, sie müssen oft klein beigeben. Nehmen wir die Umweltzonen…
Schöneweiß: Wir als Essener FDP und als NRW-FDP haben nicht zugestimmt, aber da konnten wir uns nicht durchsetzen. Umweltzonen brauchen wir nicht, dabei bleibe ich.
Und das Sozialticket? Eine neue, rein kommunal beschlossene Wohltat. Wollten sie die?
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Schöneweiß: Beim Sozialticket war es uns wichtig, dass der Stadt keine weiteren Kosten entstehen. Einer muss die Wohltat ja bezahlen, in diesem Fall die anderen Fahrgäste. Es wurde eine kostenneutrale Lösung versprochen die wir zu Recht angezweifelt haben. Wir haben jedenfalls nicht dafür gestimmt, andererseits ist klar, dass sich eine 6,8-Prozent-Partei nicht überall durchsetzen kann. Aber wir haben auch einiges erreicht.
Nämlich?
Schöneweiß: Ohne uns hätte es eine Übernachtungssteuer, mit schlimmen Folgen für die Essener Hotels und die dort arbeitenden Menschen gegeben. Auch beim Maßhalten in puncto Gewerbesteuer haben wir uns durchgesetzt, da wollten nur die CDU und wir nicht draufsatteln.
Sie sagen es: Die CDU wollte nicht. Das war doch sicher wichtiger.
Schöneweiß: Aber wir sind in solchen Fällen die Schrittmacher. Wir haben uns auch durchgesetzt beim Bäderkonzept. Das neue Bad auf dem Thurmfeld war unsere Idee, die Grünen wollten das Hesse-Bad weghaben, das konnten wir verhindern.
Wenn einige in der FDP sagen, die Grünen haben im Viererbündnis zu oft die Nase vorn, dann ist das also übertrieben?
Schöneweiß: Eigentlich schon. Ein solches Bündnis ist immer ein Geben und Nehmen. Mit den Essener Grünen kann man außerdem ganz vernünftig reden. Wenn die Grünen ein Welcome-Center wollen, um hoch qualifizierte Migranten, die in Essen investieren wollen, besser betreuen zu können, sagen wir nicht Nein, nur weil die Grünen das wollen.
Zu wenige FDP-Leute mit Erfahrung in Führungspositionen?
Die Grünen sind im Verwaltungsvorstand bestens vertreten. Sie sind neulich krachend gescheitert, als ein FDP-Mann Personaldezernent werden sollte. Haben Sie sich verhoben?
Schöneweiß: Nein. Es war ein offenes Rennen, und mit Thomas Uebrick hatten wir einen geeigneten Kandidaten. Das ist bei uns so oft nicht der Fall, weil wir einfach zu wenige Leute haben, die in Führungspositionen im öffentlichen Dienst arbeiten und dort Erfahrungen gesammelt haben. Unser Pool ist relativ klein.
Warum muss überhaupt ein FDP-Mann in den Verwaltungsvorstand?
Schöneweiß: Gegenfrage: Warum nicht? Wenn ich die Dezernentenriege so sehe, wären wir schon rein rechnerisch mal dran. Unser Mann war dann ja auch unter den letzten drei. Und er hatte eine Chance, bis der OB Christian Kromberg vorschlug. Das war ein taktischer Schachzug, die CDU konnte dann nicht anders als ihren eigenen Mann zu wählen. Da war die Sache gelaufen.
Als im Viererbündnis für Uebrick keine Mehrheit zustande kam, wollten Sie das Bündnis aufkündigen.
Schöneweiß: Nicht ich, sondern unser Parteichef Ralf Witzel.
Sie haben ähnliche Drohungen ausgesprochen, wenn auch weniger harsch.
Schöneweiß: Wir drohen nicht, das hätte keinen Sinn. Eine gestaltungsfähige Mehrheit außerhalb des Viererbündnisses gibt es nicht, wird es in dieser Ratsperiode auch nicht mehr geben. Die Alternative wäre Stillstand. Das will ich nicht riskieren.
Also bleibt alles beim Alten, weil die FDP den Mund viel zu voll genommen hat?
Schöneweiß: Ich selbst habe nur gesagt, wir denken über den Ausstieg nach. Und die Fraktion bestimmt selbst auf Basis des Parteiprogramms, mit wem sie im Rat zusammenarbeitet. Da lassen wir uns von der Partei nicht reinreden. Im Viererbündnis stimmt einfach die Chemie, viel Vertrauen ist entstanden. Das gilt auch nach der Dezernentenwahl, deren Ergebnis wir uns natürlich anders gewünscht hätten.
Was werden Ihre politischen Schwerpunkte sein in den nächsten Jahren?
Schöneweiß: Die Haushaltskonsolidierung steht ganz oben.
Kann man damit die Leute faszinieren?
Schöneweiß: Ich glaube schon, dass den Leuten wichtig ist, wie wir mit ihrem Geld umgehen. Alle schimpfen über die Banken, aber wir als Stadt werfen ihnen die Zinsen hinterher. Aber das ist ja nicht alles. Essen hat großes Entwicklungspotenzial, das wollen wir mitgestalten, denken Sie nur an den Krupp-Gürtel. Oder an den Weiterbau der A 52 – wir vergeben hier eine Riesenchance.
Was halten Sie von einem Ratsbürgerentscheid A 52?
Schöneweiß: Nichts. Die Bürger sind doch gefragt worden bei der Kommunalwahl und haben Parteien so gewählt wie sie es für richtig hielten. Die A 52-Frage spielte dabei ja durchaus eine Rolle.
Schöneweiß: Glauben Sie im Ernst, dass sie den Autobahnweiterbau auf die hergebrachte Weise durchbekommen?
Wenn Sie einen Bürgerentscheid anberaumen, müssten sie anschließend rasch mit dem Bauen loslegen können, sonst ist das sinnlos. Soweit sind wir aber noch lange nicht.
Das Gespräch führte Frank Stenglein