Berlin. . Das Klima in der Koalition ist nach dem Streit um Joachim Gauck angespannt. Merkel wollte Gauck unbedingt verhindern und bot der SPD noch eine weitere Alternative an. Doch der Schachzug der FDP setzte die Kanzlerin matt. Nun muss die FDP mit einer Revanche rechnen.

Nach dem dramatischen Koalitionsstreit bei der Suche nach einem Präsidentschaftskandidaten ist das Klima bei Schwarz-Gelb stark angespannt: CDU-Politiker warfen der FDP am Montag „Vertrauensbruch“ vor, weil sie sich trotz des Widerstandes der Union auf die Wahl des früheren DDR-Bürgerrechtlers Joachim Gauck zum Bundespräsidenten festgelegt hatte.

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach drohte, seine Partei werde bei anderer Gelegenheit ebenfalls eigenständige Entscheidungen treffen: „Man sieht sich im Leben immer zweimal“. In der Union heißt es, man könne schon beim Mindestlohn oder der Finanztransaktionssteuer ein Exempel statuieren.

Intern wurde bestätigt, dass Kanzlerin Angela Merkel gegenüber FDP-Chef Philipp Rösler warnend von einem Ende der Koalition gesprochen hatte. Wenn er Neuwahlen riskieren wolle, „sei es vorbei“, wird Merkel zitiert.

Gaucks Wahl findet am 18. März statt

Die Verständigung der Spitzen von Union, FDP, SPD und Grünen am Sonntagabend auf die gemeinsame Nominierung von Gauck für die Bundespräsidentenwahl am 18. März wurde in den Parteien durchweg begrüßt. Allerdings wurde bekannt, dass Merkel der SPD am Sonntagnachmittag sogar noch angeboten hatte, den früheren Hamburger SPD-Regierungschef Henning Voscherau gemeinsam zum Bundespräsidenten zu wählen,um Gauck zu verhindern. Dies lehnte die SPD-Spitze aber ab.

Ausgangspunkt der Koalitionskrise war laut Beteiligten eine Fehleinschätzung Merkels: Sie hatte für die Nominierung des Bundesverfassungsgerichts-Präsidenten Andreas Voßkuhle zwar am Samstag die Zustimmung von Koalition, SPD und Grünen erhalten - doch trotz interner Warnungen war Merkel völlig überrascht, dass Voßkuhle absagte.

Danach brachte Gauck Bewegung in die Gespräche: Er habe am Sonntagvormittag erstmals signalisiert, dass er auch ohne die erhoffte Unterstützung der Union für das Staatsamt kandidieren könnte, hieß es. Die SPD avisierte daraufhin, Gauck werde womöglich ohne weitere Konsenssuche nominiert.

Linke kritisieren Gauck

Die FDP hätte in dem Fall riskiert, dass ein Teil der liberalen Wahlleute so oder so den früheren DDR-Bürgerrechtler unterstützen würde. Am Sonntagnachmittag schwenkte die FDP-Führung zu Gauck und zwang damit am Ende auch Merkel, ihn zu unterstützen. Kritik an der Nominierung kam am Montag von der Linkspartei, aber auch von Arbeitsloseninitiativen, die Gauck fehlende Sensibilität für soziale Gerechtigkeit vorwarfen.

Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck hat unterdessen dazu aufgerufen, energischer für Freiheit und Menschenrechte einzutreten. „Sind wir zu vornehm und satt geworden, um für die Werte zu streiten, die für den Westen Deutschlands seit 60 Jahren selbstverständlich geworden sind?“, mahnt Gauck in seinem am Montag veröffentlichten Buch „Freiheit“. Toleranz dürfe nicht mit Gleichgültigkeit verwechselt werden.