Essen. Drei respektable Kandidaten hat der Rat heute fürs Personaldezernat zur Wahl, zwei gelten als chancenreich. Doch die Politik ist völlig zerstritten. Eine Analyse
Der ungewöhnliche, bis zur letzten Minute durchgehaltene Polit-Poker um den Posten des Personaldezernenten zeigt eines sehr deutlich: Der Rat der Stadt läuft wegen der schwierigen Mehrheitsverhältnisse immer öfter Gefahr, sich an den Rand der Handlungsfähigkeit zu bugsieren. Dass sich unter diesen verqueren Umständen überhaupt drei Kandidaten fanden, die nach Meinung der Ratsfraktionen alle respektabel sind, ist schon fast überraschend:
Andreas Meyer-Falcke ist Arbeitsmediziner und Leiter des Strategiezentrums Gesundheit auf dem Gesundheitscampus Bochum. Der 53-Jährige mit Wohnsitz in Essen hat seit kurzem eine Professur an der Universität Wuppertal und ist Oberstarzt der Reserve bei der Bundeswehr. Nach Angaben von Teilnehmern bei der Vorstellungsrunde am Montag legte er einen souveränen Auftritt hin. Meyer-Falcke ist parteilos.
Auch Christian Kromberg machte nach Aussagen von Ratsleuten eine gute Figur. Der 45-Jährige Jurist leitet seit 2009 das Rechtsamt, war davor zehn Jahre lang enger Mitarbeiter des früheren Oberbürgermeisters Wolfgang Reiniger, zuletzt als dessen Büroleiter. Der Christdemokrat genießt naturgemäß bei der CDU viel Sympathien, obwohl er bisher nicht offizieller Kandidat der CDU war - Fraktionschef Thomas Kufen war bei unklaren Mehrheitsverhältnissen darauf bedacht, sich keinen personalpolitischen Spielraum zu verbauen. Kromberg gilt auch als Favorit der Grünen und kann zudem bei den Sozialdemokraten auf einiges Ansehen bauen.
Erwartungsgemäß schwerer hatte es Thomas Uebrick. Der 49-jährige Rechtsanwalt war bis 2009 Ordnungsdezernent in Wuppertal und kann als einziger Erfahrung in Verwaltungsvorständen vorweisen. Als FDP-Mitglied stieß er aber von Anfang an bei den anderen Parteien auf Zurückhaltung. Sein Auftritt kam zwar „in der Sache kompetent“ rüber, wie es hieß, jedoch konnte er seinen parteipolitischen Malus offenbar dadurch nicht wettmachen.
Die FDP hatte im Viererbündnis Uebricks Wahl zur Bedingung für eine weitere Zusammenarbeit gemacht. Begründung: Nachdem alle Parteien in der Verwaltungsspitze vertreten sind, seien auch die Liberalen mal dran, sofern sie - wie mit Uebrick - einen geeigneten Kandidaten vorweisen könnten. Fraktionschef Hans-Peter Schöneweiß legte sich allerdings von Anfang an weniger rigide fest als Parteichef Ralf Witzel.
Uberick ist weder bei der CDU noch den Grünen durchsetzbar
Seit Montag scheint endgültig klar: Uebrick ist weder bei CDU noch Grünen durchsetzbar. Ist damit der Konfliktfall da? Die FDP-Fraktion rudert inzwischen rhetorisch zurück, vom möglichen Bruch des Bündnisses war schon länger keine Rede mehr, die CDU nimmt die Drohung kaum noch ernst. „Gleichwohl ständen die Liberalen als zahnlose Umfaller da, würden sie Uebrick nun umstandslos zurückziehen“, sagt ein Insider.
Das Viererbündnis kann bei denkbar knapper Stimmenmehrheit nur dann gestaltende Kraft sein, wenn es sich auf einen Kandidaten verständigt und diesen dann vorschlägt. Das war bis gestern nicht abzusehen. Die SPD wiederum sieht keine Veranlassung, den Leidensdruck bei Kufen und Co. zu verringern und blieb gestern folglich lieber stumm, statt sich aktiv in die Mehrheitsfindung einzuschalten. Das, obwohl Kufen die Sozialdemokraten mit der Aussicht zu locken versuchte, sie hätten in der verfahrenen Situation „den Schlüssel zur Lösung“.
Meyer-Falcke als Kompromisslösung?
Möglich, dass diese Lösung am Ende Andreas Meyer-Falcke heißt. Dieser Kandidat wäre gesichtswahrend für die FDP, zumindest nicht schädlich für die CDU und auch für alle anderen Fraktionen im Zweifel wählbar. Doch gibt es auch hier ein Aber: „Ob die engen Kromberg-Weggefährten in der CDU-Fraktion Meyer-Falcke wollen, ist zweifelhaft“, meint ein Beobachter.
Anders gefragt: Kann Kufen Kromberg einfach ignorieren? Politiker anderer Parteien wollen bei Krombergs Auftritt jedenfalls „glänzende Augen“ bei manchem Christdemokraten gesehen haben. Die Aussicht vielleicht gegen die FDP, dafür mit einigen Stimmen der SPD einen weiteren Christdemokraten an der Seite von OB Reinhard Paß zu platzieren, könnte übermächtig sein.