Essen. . Zum Neujahrsempfang hatte die FDP in die Orangerie eingeladen. Die Resonanz war spärlich wie die Mitglieder-Kartei, die im vergangenen Jahr um 10,5 Prozent schrumpfte. Daran konnte auch Bundesminister Daniel Bahr nichts ändern, der sich routiniert durch seinen Vortrag zur Gesundheitspolitik hangelt.

Wir rechnen mal: 380 minus 40 macht knapp 10,5 Prozent liberale Parteimitglieder, die im vergangenen Jahr allein in Essen auf der Strecke blieben. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Peter Schöneweiß wollte die Herrschaften unbefragt nicht ziehen lassen: „Die meisten sind ausgetreten, weil sie mit der Bundespolitik nicht einverstanden waren.“ Das klingt nicht abwegig. Es bestätigt vielmehr aktuelle Trends. Wäre morgen Wahl, würden 2,2 Prozent der Bürger ihr Kreuzchen bei Blau-Gelb machen.

Und gerade wegen dieser Querelen um den liberalen Überbau in Berlin ist man schon ein wenig erstaunt, dass Essens FDP zu ihrem Neujahrsempfang einen Bundespolitiker geladen hat, ausgerechnet. Schlimmer noch, einen Bundesminister.

Schöneweiß also spricht in der Orangerie ein paar launige und durchaus unterhaltende Worte ins Auditorium. Ein klares Bekenntnis zum A 52-Ausbau und dem der A 44. Der Verkehr, der nach Essen rolle, müsse irgendwie auch wieder weg kommen. Klar, sonst wird’s voll. Also Applaus. Über die bittere Niederlage bei der Besetzung des Postens des Personaldezernenten, die den Liberalen ihren Stellenwert im Essener Vierer-Bündnis deutlich machte, sagt Schöneweiß lieber so gut wie nichts. Stattdessen: „Ich hoffe, dass Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht nur Splitterpartei sind, sondern vernünftige Arbeit machen.“ Wieder Applaus.

"Man müsste mal alle FDP-Mitglieder bitten, aufzustehen. Das wären bestimmt nicht viele“

Das macht hoffen. Zumal der Saal nicht einmal zur Hälfte mit Liberalen bestückt ist. Rot-Grün-Schwarz sitzen gut gestimmt nebeneinander. Einträchtig lauschen auch Planungsdezernentin Simone Raskob, Bürgermeister Rolf Fliß (Grüne) und SPD-Fraktionschef Rainer Marschan den Worten Schöneweiß’. „Man müsste mal alle FDP-Mitglieder bitten, aufzustehen. Das wären bestimmt nicht viele“, witzelt einer, der kein Liberaler ist und schränkt dann ein: „Ist ja aber auch ein Neujahrsempfang und keine Mitgliederversammlung.“

Eben. Dann kündigt Essens FDP-Fraktionsvorsitzender den Bundesminister Daniel Bahr an – und der soll es nicht leicht haben. „Ein sperriges Thema“, sei die Gesundheitspolitik, wird Schöneweiß nach dem Vortrag des Bundes-Liberalen sagen.

Und in der Tat hangelt sich der studierte Krankenhausmanager Bahr arg routiniert durch seinen Wortbeitrag. Werbung in eigener Sache macht er mit dem ambitionierten Slogan: „Sie können sich auch im Jahr 2012 darauf verlassen, dass Sie und Ihre Gesundheit im Mittelpunkt unserer Politik stehen.“

Tja, was wünscht man sich zu Geburt und Hochzeit, zur Weihnacht und an Silvester? Richtig: „Gesundheit“, sagt Bahr. Es folgt ein kleiner Exkurs zum Nichtraucherschutz, ein Abstecher durchs Thema gesunde Ernährung. All das ist gut, sagt Bahr, denn Berufe, die sich der Gesundheit widmen, die könne man nicht einfach ins Ausland verlagern. Ein starker Wirtschaftsfaktor vor Ort, auch in Essen. Schöner noch, der mit den meisten Arbeitsplätzen bundesweit. Das ist gut gedacht. Zwischenfragen sind auch gar nicht vorgesehen. Und so bleibt ungeklärt, ob „das Ausland“ nicht längst hierher kommt, um für günstige Löhne zu pflegen.

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Der Applaus bleibt verhalten. Vielleicht ist es von einer Partei, die mit eiligen Schritten der Bedeutungslosigkeit entgegen flitzt, auch einfach nicht vorausschauend gedacht, so viele Menschen einzuladen, die fest zu anderen Parteien stehen. Der CDU-Landtagsabgeordnete Franz-Josef Britz also klatscht artig, aber wenig enthusiastisch, Bürgermeister Rudolf Jelinek (SPD) schließt sich an. Dafür lässt Ralf Witzel Begeisterung erkennen – doch der sitzt ja auch mit liberalem Mandat im Landtag.

Noch ein paar triumphierende Sätze zum Thema „Stuttgart 21“ - dann weht vom Buffet her angenehmer Duft durch die Orangerie. Der Rest des Abends ist Plaudereien gewidmet. Ein wenig resigniert wirkt Schöneweiß, als er erklärt, warum vor Ort die Mitglieder schwinden, wenn auf Bundesebene gestritten wird. Und man fragt sich, ob der so wenig begeisternde Minister dies Ruder herumreißen kann.

Dann geht Schöneweiß durch die Reihen. Ihn mag man parteiübergreifend wohl ganz gern. Durch und durch Lokalpolitiker, der er ist.

Diese Kandidaten vertreten Essen im Landtag

Thomas Kutschaty (SPD) ist Sieger im Wahlkreis 65 (Borbeck, Altenessen, Karnap, Mülheim-Winkhausen). Er erreichte 52,2% (+2,4) der Stimmen. Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 27,8% (-6,2); Grüne 6,9% (+2,3); FDP 2,7% (-1,0), Linke 6,0%(+1,2).
Thomas Kutschaty (SPD) ist Sieger im Wahlkreis 65 (Borbeck, Altenessen, Karnap, Mülheim-Winkhausen). Er erreichte 52,2% (+2,4) der Stimmen. Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 27,8% (-6,2); Grüne 6,9% (+2,3); FDP 2,7% (-1,0), Linke 6,0%(+1,2). © WAZ FotoPool
Dieter Hilser (SPD) holte den Wahlkreis 66 (Steele, Kray, Stoppenberg). Er erreichte 50,2% (+1,8). Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 28,1%% (-6,9); Grüne 7% (+1,9); FDP 3,3% (-0,5), Linke 7,2%(+2,6).
Dieter Hilser (SPD) holte den Wahlkreis 66 (Steele, Kray, Stoppenberg). Er erreichte 50,2% (+1,8). Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 28,1%% (-6,9); Grüne 7% (+1,9); FDP 3,3% (-0,5), Linke 7,2%(+2,6). © WAZ FotoPool
Die Wähler im Wahlkreis 67 (Altendorf, Frohnhausen, Holsterhausen, Haarzopf)sprachen Britta Altenkamp (SPD) mit 47,2% (+0,7) ihre Vertrauen aus.  Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 26,3% (-6,5); Grüne 11,9% (+3,6); FDP 3,8% (-0,6), Linke 8% (+3,4).
Die Wähler im Wahlkreis 67 (Altendorf, Frohnhausen, Holsterhausen, Haarzopf)sprachen Britta Altenkamp (SPD) mit 47,2% (+0,7) ihre Vertrauen aus. Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: CDU: 26,3% (-6,5); Grüne 11,9% (+3,6); FDP 3,8% (-0,6), Linke 8% (+3,4). © WAZ FotoPool
Manfred Kuhmichel gewann mit 39,3% (-3,7) das Kopf-an-Kopf-Rennen im Essener Süd-Wahlkreis 68 ((Rüttenscheid, Bergerhausen, Rellinghausen, Stadtwald, Ruhrhalbinsel, Werden, Kettwig, Bredeney). Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: SPD: 38,1% (+0,2); Grüne 11,6% (+3,4); FDP 5,1% (-1,4), Linke 4,1% (+1,3).
Manfred Kuhmichel gewann mit 39,3% (-3,7) das Kopf-an-Kopf-Rennen im Essener Süd-Wahlkreis 68 ((Rüttenscheid, Bergerhausen, Rellinghausen, Stadtwald, Ruhrhalbinsel, Werden, Kettwig, Bredeney). Die weiteren Ergebnisse des Wahlkreises: SPD: 38,1% (+0,2); Grüne 11,6% (+3,4); FDP 5,1% (-1,4), Linke 4,1% (+1,3). © WAZ FotoPool
Über die Landesliste ihrer Parteien ziehen Neuling Mehrdad Mostofizadeh (Grüne)... in den Landtag ein.
Über die Landesliste ihrer Parteien ziehen Neuling Mehrdad Mostofizadeh (Grüne)... in den Landtag ein. © Ulrich von Born / NRZ
...und Peter Witzel (FDP) in den Landtag ein. Für den Linken Holger Vermeer, der im Essener Osten (Wahlkreis 66) kandidierte, wird der Platz 14 auf der  Landesliste seiner Partei voraussichtlich nicht reichen.
...und Peter Witzel (FDP) in den Landtag ein. Für den Linken Holger Vermeer, der im Essener Osten (Wahlkreis 66) kandidierte, wird der Platz 14 auf der Landesliste seiner Partei voraussichtlich nicht reichen. © Fremdbild
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