Essen. . Die Gruppe Slow Food wirbt für qualitativ hochwertige Produkte und eine bewusste Esskultur. 125 Mitglieder zählt die Ortsgruppe der Organisation “Slow Food“ mittlerweile in Essen - und die kommen ohne esoterischen Bio-Schnickschnack aus.
War früher alles besser? So pauschal ganz bestimmt nicht. Aber es gab zum Beispiel mal Äpfel mit Charakter zu kaufen, nicht solche mit glatt geschliffenen Aromen, die irgendwie immer normiert schmecken.
Und wer wissen will, wie Apfelsaft schmecken kann, wenn das Grundprodukt stimmt, der sollte mal bei der Naturschutzjugend Essen-Mülheim in Borbeck vorbeifahren. Gesammelt auf Streuobstwiesen der Region und versaftet bei einem Traditionsbetrieb in Heiligenhaus, ist hier ein Apfelsaft zu kaufen, der die Supermarktware weit hinter sich lässt. Solcherart Genuss mit Stil, aber ohne Zwang zum esoterischen Bio-Schnickschnack, hat sich die Organisation „Slow Food“ auf die Fahnen geschrieben. Seit einem Jahr existiert auch in Essen eine Ortsgruppe, eine so genannte „Convivien“. Vorsitzender Manfred Weniger kann stolz auf mittlerweile 125 Mitglieder verweisen.
"Gut, sauber, fair"
„Gut, sauber, fair“ - diesem Dreiklang folgen die Slow Food-Richtlinien. „Gut“ steht für: gute Qualität, steht für Genuss. Was sich so selbstverständlich anhört, muss nach Ansicht des 62-jährigen früheren Managers gleichwohl quasi wieder ganz von vorne gelernt werden. Schließlich lebe man in Zeiten, da Kinder meinen, Spinat wachse bereits rechteckig in die bekannten Verpackungen mit dem Blubb hinein. Dass man Spinat auf dem Markt so kaufen kann, wie er tatsächlich vom Feld kommt und dass dieser ganz andere Geschmacks-Nuancen hat - wer wisse das noch?
Generell gilt für Weniger: „Was man retten will, muss man essen.“ Das gescheckte Bentheimer Weideschwein etwa - früher in vielen Bergmannsställen präsent - war akut vom Aussterben bedroht, weil es sich für die Turbo-Massenzucht nicht eignet. Mehr und mehr geriet in Vergessenheit, wie gut gerade dieses Schweinefleisch schmeckt - bis Genuss-Menschen es wieder entdeckten und einen Markt schufen, der für Züchter interessant war. Man sieht: Bei Slow Food sind zwar auch Vegetarier aktiv, doch es fehlt das Missionarische, auch Genussfeindliche, das der Fleischlos-Fraktion schon mal anhaftet.
"Saubere Produktion"
Zum „gut“ muss sich bei Slow Food das „sauber“ gesellen. „Die Art, wie produziert wird, ist uns sehr wichtig“, sagt Weniger. Kein Gift, keine Wachstumshormone, keine gentechnische Optimierung und ganz am Ende auch keine Geschmacksverstärker - so müssen für Slow Food Lebensmittel entstehen. Das heißt nicht, dass jede Veränderung vom Teufel ist - fast jede Weißwein-Rebe und viele Getreidesorten sind schließlich Ergebnis von Kreuzungen.
Goldener Windbeutel 2011
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Schließlich: das „fair“. Bauern und andere Lebensmittelproduzenten hätten ein Recht auf gute Entlohnung, wenn sie Gutes produzieren. Slow Food will den Abschied von einer Billig-Kultur, die den Landwirt entmündigt und seiner Würde beraubt hat - und ihn zu geschmacksneutraler Massenproduktion nötigt.
Gastronomie als Zielgruppe
„In Geschmacksseminaren, Verkostungen und auch politischen Diskussionen wollen wir unsere Philosophie populär machen“, sagt Weniger. Essen lernen - das müsse etwa in den Schulen eine viel größere Rolle spielen. Eine Zielgruppe sei auch die Gastronomie, die im Ruhrgebiet in der Breite noch längst nicht jene regionalen Qualitäten aufweist, wie sie beispielsweise der deutsche Südwesten zu bieten hat. Weniger sieht aber keinen prinzipiellen Grund, weshalb sich das nicht ändern könnte. Ein Schlüssel für bessere Restaurants sind für ihn regionale Vermarktungskreisläufe, die wegen der kurzen Transportwege auch für das Schlachtvieh verträglicher sind.
Bei all dem muss freilich am Ende auch der Kunde mitspielen. Hier ist Weniger optimistisch: „Wenn die Leute wissen, dass sie etwas Gutes bekommen, dann sind sie auch bereit, mehr zu zahlen.“
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