Essen. Die Fleischerei Ziegler schließt nach 86 Jahren. „Obwohl der Umsatz stimmt und genug Kunden da sind“, sagen die Betreiber. Was ist los?

Im Laden von Ulrich und Monika Ziegler hängen etwa 40 Urkunden, und das sind nur die aus den letzten zwei Jahren. „Gold“ vom Fleischerei-Fachverband für: die Fleischwurst, die Mortadella, das Rindergulasch, die Leberwurst, die Bierknacker, den Altdeutschen Backschinken, die Zwiebelmettwurst, den Fleischsalat . . .

„Wir machen unsere Wurst und die Salate teilweise nach Rezepten, die schon Generationen alt sind“, sagt Monika Ziegler. „Das macht den Unterschied. Das schmeckt man.“

86 Jahre gibt es die Fleischerei Ziegler jetzt, immer schon sitzt sie in Stoppenberg, seit 1964 an der Gelsenkirchener Straße mitten im Ortszentrum, immer mit eigener Wurstküche, eigener Produktion, es ist die dritte Generation, Ulrichs Großvater hatte den Betrieb im Jahr 1938 gegründet.

Gewohntes Bild im Stoppenberger Ortskern in Essen: Doch „Ziegler“, seit Jahrzehnten an der Gelsenkirchener Straße, macht dicht.
Gewohntes Bild im Stoppenberger Ortskern in Essen: Doch „Ziegler“, seit Jahrzehnten an der Gelsenkirchener Straße, macht dicht. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Unsere Kunden kommen teilweise aus dem ganzen Ruhrgebiet“, sagt Monika Ziegler. „Wir versorgen nicht nur Stoppenberg und Umgebung.“ Manche ziehen aus Essen weg und bleiben Ziegler trotzdem treu: „Wir haben eine Kundin, die wohnt mittlerweile in Hannover, doch die nimmt sich immer noch unsere Fleischwurst mit, wenn sie hier ist.“

Ziegler: Kunden bleiben ewig treu, auch wenn sie aus Essen wegziehen

Seit wenigen Tagen hängen nicht nur die Urkunden im Ladenlokal von Ziegler, sondern auch ein Abschiedsschreiben. Es hängt im Fenster und an der Kasse, und auf die Rückseite des Speiseplans vom Mittagstisch, den sie als Handzettel rausgeben, haben sie‘s auch gedruckt: „Wir haben und schweren Herzens dazu entschlossen, unsere Fleischerei zu schließen“, ist da zu lesen. Am 1. Juni ist Schluss für immer. Die Entscheidung, schreiben die Zieglers, sei ihnen „sehr schwer gefallen, zumal unser Geschäft gut läuft.“

Mehr als drei Jahre, berichtet Ulrich Ziegler, habe man erfolglos nach Nachfolgern gesucht. Vor einiger Zeit habe man extra einen Geschäftsführer eingestellt, doch der könne den gesamten Betrieb alleine nicht stimmen. „Ein solcher Betrieb macht Arbeit rund um die Uhr“, sagt Monika Ziegler. Sie wird in dieser Woche 69 Jahre alt, Ulrich ist schon 69. „Noch sind wir gesund, und unser Entschluss steht fest, dass wir 2024 in Ruhestand gehen wollten. Das Leben muss schließlich weitergehen“, sagen die beiden Geschäftsleute. „Auch wenn wir es immer gern gemacht haben, und für unsere Kundinnen und Kunden tut es uns sehr leid.“

Essener Traditions-Metzger: Manche Kunden haben geweint, als sie vom Ende Zieglers erfuhren

Nicht wenige hätten geweint, als sie vom Ende des Traditionsbetriebs erfuhren; ganz abgesehen von der Versorgungsfrage, die sich für viele ganz neu stellt: „Rund 50 bis 60 warme Mittagsessen geben wir jeden Tag raus, wir liefern auch“, erzählt Ulrich Ziegler. Die Gerichte, 8,50 Euro pro Portion, genießen einen sehr guten Ruf und bedienen den klassischen Geschmack: Montag Wirsingeintopf mit Frikadelle, Dienstag Schnitzel mit Bohnensalat und Kroketten, Mittwoch Bratwurst mit Rahmporree und Salzkartoffeln - und so weiter. „Wir haben mit Ihnen im Laden gute Gespräche geführt, gelacht und manchmal auch geweint“, schreiben die Zieglers in ihrem Abschiedsbrief. 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, inklusive der Aushilfen, schauen sich derzeit nach neuen Beschäftigungen um. „Wobei unsere Kräfte stark gefragt sind“, sagen Ulrich und Monika Ziegler. „Die haben so gut wie alle schon Angebote erhalten.“

Metzgerei Ziegler in Essen: Sogar ungelernte Küchenhilfen haben sie Ewigkeiten gesucht

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Womit wir wieder beim Thema wären. Dem Fachkräftemangel, der jetzt auch das Ende von Ziegler bedeutet. Wobei, was heißt hier Fachkräftemangel: „Wir haben sogar Ewigkeiten nach ungelernten Aushilfskräften für die Küche gesucht, einfach nur zum Kartoffelnschälen.“ Und was die Gesamtleitung des Betriebs angeht: „Niemand möchte sich mehr der Verantwortung stellen, ein solches Geschäft zu führen. Zumindest haben wir niemanden gefunden.“ Dabei hatten sie bis zuletzt gehofft, jemanden zu finden, die Geschäfte florierten schließlich.

„Allein die Einführung der Glaskonserven für das Mitnehm-Geschäft hat unheimlich viel Anklang gefunden“, erzählt die Fleischer-Familie. Man hätte gern noch ausgebaut, auch in Richtung Online-Versand, das geht nur mit Metalldosen, eine entsprechende Maschine war schon angeschafft worden. „Sie sehen, an Ideen hat‘s nie gemangelt“, sagt Monika Ziegler traurig. „Aber es ist eben auch viel Arbeit.“ Der Einkauf, die Wurstküche, die Produktion, das Geschäft, der Lieferservice. . . „Und jeden Abend das Büro, Rechnungen und Papierkram bis zehn oder halb elf.“ Doch, keine Frage, es sei ein 24-7-Job gewesen, diese Metzgerei zu führen, aber „es hat aber auch immer Spaß gemacht.“

Und jetzt? „Ausruhen, Zeit für Hobbies, und endlich nicht mehr so viel Verantwortung“, das ist das, worauf sich die Zieglers freuen. Sie wohnen auch in Stoppenberg, gleich um die Ecke. „Für den Stadtteil ist das ein Schlag“, sagt Ulrich traurig. „Aber wir können es nicht ändern.“ Essen habe mal 500 Metzgereien gehabt, jetzt sind es nur noch etwa ein Dutzend.

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