Stoppenberg. . Die Zeiten, als es an jeder Ecke eine Fleischerei gab, sind lange vorbei. Der Name Ziegler steht hingegen seit 80 Jahren für Fleisch und Wurst.
Als Karl Ziegler mit seiner Frau Else 1938 sein Geschäft gründete, war die Welt der Fleischer in Stoppenberg noch in Ordnung. Selbst in den 1950er-Jahren zählte die Innung in Essen noch 350 Betriebe. Der Metzger an der Ecke gehörte zum Bild in jedem Stadtteil. Man kannte sich. Man hielt ein Pläuschchen. Und die freundliche Bedienung hinter der Theke spendierte den kleinen Kindern ein großzügig geschnittenes Stück Fleischwurst. Heute gibt es in Essen nur noch 16 Fleischereien, die der Innung angehören. Eine davon trägt immer noch den Namen Ziegler und wird in dritter Generation von Ulrich und Monika Ziegler geführt.
„Wir gewinnen und halten unsere Kunden nicht über den Preis, sondern über Frische, Qualität und guten Service“, erklärt der 63-jährige Chef, warum sein Geschäft nicht wie so viele andere im Konkurrenzkampf mit den Discountern die Segel streichen musste.
Vater erwartete, dass Ulrich Ziegler Abitur macht
Qualität setzt Leidenschaft für seinen Beruf voraus. Die bringt Ulrich Ziegler mit. Schon als 15-jähriger Teenager hilft er in den Ferien mit. Am liebsten wäre er gleich dabei geblieben. Da war der Vater dagegen. Der erwartete von seinem Filius, dass er das Abitur macht. „Mein Vater war in einem Kegelverein und da ließen es die Akademiker ihn manchmal spüren, dass er kein Abitur hatte. Das sollte mir nicht passieren“, sagt Ulrich Ziegler und muss unweigerlich schmunzeln. So musste die Ausbildung in Mülheim und Bayern noch etwas warten.
Die Leidenschaft fürs Fleischerhandwerk hat ihm die längere Schulzeit nicht vergällt. Das frühe Aufstehen beim Job um 5.15 Uhr auch nicht. „Es muss ja jeden Morgen alles vorbereitet werden“, sagt der 63-Jährige. Die, die nur einmal in der Woche Fleischwurst machten, gebe es längst nicht mehr. Frische sei Trumpf.
Tiere wurden früher per Handschlag gekauft
Früher wurden die Tiere auf dem Fleischmarkt in Essen gekauft. Der Handel wurde per Handschlag abgeschlossen. „Danach ging es für die Tiere eine Tür weiter“, sagt Ulrich Ziegler. Soll heißen: zur Schlachtung. Der Schlachthof in Essen ist seit 31. März 2018 Geschichte. Die Zieglers mussten nach einer Lösung suchen. „Unser Fleischlieferant, mit dem wir schon 50 Jahre zusammenarbeiten, schlachtet nun in Unna und bringt das Fleisch ins Frischezentrum nach Essen zur Kühlung.“ Von dort holt es sich Ulrich Ziegler, um es zu veredeln.
Tradition ist die eine Seite. Die mit dem „Oscar“ des Fleischerhandwerks ausgezeichnete Fleischwurst aus der Küche an der Gelsenkirchener Straße hat seit über 40 Jahren die gleichen Zutaten: Fleisch, Fett, Gewürze. Und Eis. Letzteres sorgt für die nötige Festigkeit. Eine Rezeptur, die bei der Kundschaft ankommt, die schon lange nicht mehr nur aus Stoppenberg, sondern aus ganz Essen und auch Gelsenkirchen kommt. „Würde ich sie mal anders machen, würden es die Kunden sofort merken“, ist sich Ulrich Ziegler sicher. Fleisch sei Vertrauenssache. Wurst erst recht, denn da könne man ja nicht sehen, was alles drin ist. Bis auf wenige Wurst- und Schinkenwaren wird alles in Stoppenberg hergestellt.
Nutellawurst war mehr ein Gag
Auf der anderen Seite darf man sich nicht den Trends und den Wünschen der Kunden verschließen. So wurde im Laufe der Jahre zum Beispiel das Angebot zur Grillsaison stetig erweitert. Und auch in der Wursttheke taucht neben dem Bewährten schon mal ein Exot auf. „Wir hatten schon mal eine Nutellawurst im Angebot, aber das war mehr ein Gag“, sagt Monika Ziegler. Die 63-Jährige arbeitete zuvor in einer Werbeabteilung, bevor sie den Job aufgab und seitdem mit in die Fleischerei arbeitet. „So etwas kann man nur zu zweit schaffen“, sagt sie. Und ohne das entsprechende Team, zu dem aktuell 16 Beschäftigte gehören, gehe es auch nicht.
Das Stückchen Fleischwurst für die kleinen Kinder gibt es immer noch. Ulrich und Monika Ziegler hoffen, dass Oberbürgermeister Thomas Kufen am Samstagmorgen zu Beginn der Jubiläumswoche auf dem Weg zum NRW-Tag auf einen Sprung hineinschauen wird. Bei ihm würden sie die Altersgrenze für das Stückchen Fleischwurst sicher anheben.
>>> Alles begann 1938 an der Essener Straße
Das erste Ladenlokal stand in der Essener Straße. Es wurde durch Bomben zerstört. Ab 1945 ging es „Am Schultenhof 5“ weiter, bevor 1964 der Umzug an die Gelsenkirchener Straße 22 folgte, dem heutigen Standort. Zum „80-Jährigen“ gibt es eine Woche lange Aktionen für die Kunden.
Zur Fleischerei gehört auch ein Mittagstisch und Lieferservice.