Essen-Stoppenberg. Jedes Jahr aufs Neue wird die Essener Metzgerei Ziegler mit Goldmedaillen des Fleischerverbands ausgezeichnet. Ein Besuch.
Auf der Theke der Essener Fleischerei Ziegler steht ein dicker silberner Pokal, an den Wänden ist kein Platz mehr für all die eingerahmten Urkunden, also baumeln sie auch von der Decke. Goldmedaille über Goldmedaille sahnt das Team jedes Jahr beim Wettbewerb des Fleischerverbands NRW ab.
Die Spezialitäten bei der Traditionsmetzgerei sind so simpel wie beliebt: Fleischsalat und Fleischwurst. Das bestätigt jedes Jahr die Jury bestehend aus Verbrauchern, also Normalo-Menschen, Experten aus dem Bereich Lebensmittelüberwachung und Fleischermeistern. Dieses Jahr hatten 100 Teilnehmer rund 700 Proben eingereicht.
Essener Metzgerei bezieht aus Unna
Wie schmeckt also ein ausgezeichneter Fleischsalat? „Da muss richtig gute Mayonnaise rein, die besten Gurken und frische Mortadella“, erklärt Ulrich Ziegler und betont, dass in seinem Fleischsalat keine Reste landen. Die Stoppenberger Wurst werde täglich frisch im Laden zubereitet, das Fleisch, also die Tiere kommen zweimal in der Woche in Teilen zerlegt von einem Schlachthof in Unna.
Das sei kein Massenbetrieb wie Tönnies, sondern ein kleineres Unternehmen. Die Tiere würden dort nach der Anlieferung noch eine Nacht zur Ruhe kommen und dann einzeln geschlachtet. Laut Ziegler schmecke man die Entspannung der Schweine und Kühe dann auch in Fleischsalat und Wurst. Bei der Wurst sei nicht nur der Salzgehalt wichtig - das sei ja subjektive Geschmackssache – sondern auch, ob sie wässrig sei oder gar Knorpel enthalte. „Sie darf nicht zu fettig im Biss sein“, sagt der Experte.
Die Auszeichnungen gibt es nicht nur für den Geschmack, sondern auch für den Erhalt der regionalen Vielfalt bei Fleisch und Wurst, für besonders umfangreiche Qualität und die sorgfältige Herstellung der Produkte.
Nutria-Ragout und Fleisch-Ersatz sucht man bei Essens Metzgerei Ziegler vergeblich
Dabei setzt das Ziegler-Team auf Tradition statt Trends. Die Verkäuferin tragen weiße Kittel mit roten Streifen, für die Kinder gibt es ein Stück Fleischwurst auf die Hand. Nutria-Ragout und Fleisch-Ersatz sucht man in dem Betrieb an der Gelsenkirchener Straße vergeblich. „Bei uns gibt es Schwein, Rind und Geflügel“, erklärt Monika Ziegler. Was es auf der 55-Quadratmeter Verkaufsfläche auch gibt, ist das, was unter Umständen im Kühlschrank noch fehlt: Der Liter Milch, ein Paket Spinat und ein paar Eier.
„Wir haben uns immer auf die Kundenwünsche eingestellt“, sagt Ulrich Ziegler, das sei eines der Erfolgsrezepte – seit 1938. Früher hätten die Kunden noch viel zu Hause gekocht und gebraten. Heute brauche es mehr Convenience-Produkte; Gyros, was nur noch schnell in die Pfanne muss, Currywurst und Rindergulasch wird auch direkt im Weck-Glas verkauft, muss nur erwärmt werden. Rund 800 Kilo werden laut Ziegler jede Woche an der Gelsenkirchener Straße 22 verarbeitet.
Supermärkte als Konkurrenz zu Metzgereien
Seit einigen Jahren bietet sein Team Mittagstisch an und bringt den auch direkt zu den Kunden nach Hause. Eine Portion Wirsing mit Gehacktem und Salzkartoffeln kostet beispielsweise 8,50 Euro. Kunden, die das Zeitfenster dafür verpassen bekommen auf Wunsch immer ein frisches Reibeplätzchen im Laden. Zubereitet wird das in den hinteren Räumen. Dort wo täglich auch das zerlegte Schwein durch den Fleischwurst gedreht und die Mettwürstchen für die Räucherkammer vorbereitet werden.
Die gibt es allerdings auch im Supermarkt und Discounter. Genau das macht den Metzgereien in Essen und überall anders das Leben schwer. „Als der Rewe hier im Stadtteil aufgemacht hat, haben wir die Mittagspause abgeschafft“, so Monika Ziegler, die sich auch an den BSE-Skandal erinnert: „Da haben plötzlich alle nach Straußenfleisch gefragt.“ Grundsätzlich hätten Fleischereien einen schweren Stand. Jetzt gerade mache ihnen die Energiekrise schwer zu schaffen, man könne nicht alles auf den Preis umlegen. 100 Gramm Fleischsalat kosten derzeit 2 Euro.
Essener Fleischerei Ziegler als Gewinner der Coronakrise
Ziegler ist als eine von 13 Metzgereien in Essen übrig geblieben. „Es waren mal 500“, sagt Ulrich Ziegler. Die goldenen Zeiten seien lange vorbei. Seine Familie blickt zurück auf den Zweiten Weltkrieg, diverse Fleisch-Skandale in Deutschland, die Verbreitung von Supermärkten und zuletzt auf die Coronakrise. „Da waren wir die Gewinner“, sagt Monika Ziegler. Restaurants und Kantinen waren geschlossen, die Leute konnten nicht in den Urlaub fahren und haben sich bei Zieglers was gegönnt.
„Metzgereien sind heutzutage Spezialitätenhändler“, sagt Jörg Bischoff, Obermeister der Fleischerinnung Rehin-Ruhr. Ernährungs-, Lebens- und Einkaufsgewohnheiten der Kunden hätten sich in den vergangenen Jahres massiv verändert, das hätten auch die Fleischereien zu spüren bekommen: „Der tägliche Bedarf wird mittlerweile woanders gedeckt.“ Das Ende komme dann meist, wenn der Nachwuchs fehle. Der ist bei Zieglers gesichert. Der 68-Jährige gibt den Staffelstab jetzt an seinen Nachfolger Volker Exner (56) weiter. Das Ehepaar Ziegler freut sich darauf „endlich mal in Ruhe frühstücken zu können“.
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