Essen. Konkurrenz durch Supermärkte und Nachwuchsmangel machen den Essener Metzgereien das Leben schwer. Die Innung hat nur noch 13 Betriebe gelistet.

Deutschlandweit schließen immer mehr Metzgereibetriebe. Essen ist da keine Ausnahme. Nur noch 13 Essener Betriebe hat die Fleischereiinnung Rhein-Ruhr auf ihrer Internetseite gelistet, unlängst schloss die Metzgerei Colligs in Rüttenscheid ihr Verkaufsgeschäft. Wer überleben will, muss sich entsprechende Strategien einfallen lassen - und hat mit diversen Problemen zu kämpfen.

Die Ausgangslage der deutschen Metzgereien ist eigentlich gar nicht schlecht - sollte man zumindest meinen. Denn trotz Vegantrend und Klimaschutzbemühungen essen die Bundesbürger laut Deutschem Fleischer-Verband (DFV) unverändert 60 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr. Doch für viele bedeutet der Fleischkauf heute eben nicht mehr den Gang zum Metzger, sondern zum Supermarkt oder Discounter.

Metzgerei Ziegler in Stoppenberg gibt es seit 82 Jahren

Die Metzgerei Ziegler in Stoppenberg ist eine der wenigen, die überlebt hat. Seit nunmehr 82 Jahren gibt es den Fleischereibetrieb mit heute 15 Mitarbeitern, Ulrich Ziegler führt ihn gemeinsam mit seiner Frau Monika in der dritten Generation. „Wir haben viele Stammkunden aus ganz Essen und Umgebung“, nennt Monika Ziegler einen Grund für den Erfolg der Metzgerei. Die Kunden wüssten die Qualität der täglich frisch produzierten Fleisch- und Wurstspezialitäten zu schätzen - und gäben dafür auch gerne etwas mehr aus.

Von selbst läuft das Geschäft gleichwohl dennoch nicht. Die Zieglers mussten im Laufe der Jahre Trends erspüren und auf Kundenwünsche reagieren, wie sie sagen. „Die Leute haben früher viel mehr gekocht, da waren Fleisch und Wurst zu gleichen Teilen gefragt. Heute haben viele nach der Arbeit keine Lust mehr, sich an den Herd zu stellen“, erzählt Monika Ziegler zum Beispiel.

Auch interessant

Die Leute kochen weniger - große Nachfrage nach Fertiggerichten

Dementsprechend gebe es eine große Nachfrage nach „Convenience Food“, also Gerichten, die für den Verzehr schon vorbereitet sind und meist nur noch aufgewärmt werden müssen. Die Zieglers bieten nun zum Beispiel seit vier Jahren eingekochte Speisen in Glaskonserven an - Rouladen, Sauerbratengulasch oder auch Gemüsesuppe. Außerdem hat die Metzgerei einen Lieferservice, der fertige Mahlzeiten direkt zum Kunden nach Hause bringt.

Ein Ausschnitt aus dem Mittagestischangebot der Metzgerei Gronau.
Ein Ausschnitt aus dem Mittagestischangebot der Metzgerei Gronau. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Dass man mit Qualität im Geschäft bleibt, weiß auch Peter Vogel, Inhaber der Metzgerei Gronau mit zwei Filialen in Rüttenscheid und Frohnhausen. Statt einmal pro Woche eine große Menge wird in seinem Betrieb zum Beispiel sechsmal die Woche Fleischwurst produziert, der Laden lebt vom schnellen Warenumschlag und der Frische. „Dafür bezahlen die Kunden bei mir teilweise das doppelte wie im Supermarkt“, so Vogel.

„Es gibt insgesamt keine Bereitschaft, für Essen viel Geld auszugeben“

Doch Vogel glaubt auch: Seine Kundschaft ist nicht repräsentativ. Den meisten Konsumenten ginge es nämlich eben doch um den billigen Preis. „Es gibt insgesamt keine Bereitschaft, für Essen viel Geld auszugeben“, kritisiert er. Durch die hohe Verfügbarkeit von Lebensmitteln habe sich eine Wegwerfgesellschaft entwickelt, in der Essen keine hohe Wertigkeit mehr habe - heutzutage müsse man für eine Mahlzeit nicht mehr richtig einkaufen, sondern könne in jeder Ecke günstig etwas „mitbringen“.

Und nicht nur die Konkurrenz durch Supermärkte und Discounter erschwert das Geschäft der lokalen Metzgereibetriebe. Viele leiden auch unter Nachwuchssorgen, junge Menschen wollen häufig den elterlichen Betrieb nicht übernehmen. „Die Eltern sagen dann: Meinen Kindern soll es mal besser gehen als mir selbst“, so Vogel. Viele vermittelten ihrem Nachwuchs gar nur noch, dass der Job anstrengend sei, die positiven Aspekte kämen zu kurz. „Dabei kann man mit einer eigenen Metzgerei genauso viel verdienen wie ein Akademiker.“

In der Metzgereibranche herrscht großer Fachkräftemangel

Auch das Fehlen von Fachkräften ist ein großes Problem in der Branche. „Uns fehlen Mitarbeiter, deren Arbeitsleistung die anderen kompensieren müssen“, erzählt Vogel aus seinem Betriebsalltag. Und das, obwohl sich unter seinen 56 Angestellten auch einige befinden, die eigentlich aus anderen Bereichen kommen und eine Umschulung gemacht haben.

Von den Nachwuchsproblemen der Branche seien sie bisher nicht so hart getroffen worden wie andere, berichtet dagegen Monika Ziegler: „Bisher konnten wir unsere offenen Stellen immer relativ schnell besetzen.“ Aber: Seit über zehn Jahren gab es keinen Auszubildenden mehr in der Metzgerei Ziegler. Mit den Lehrlingen habe es immer wieder Probleme gegeben, erzählt Ulrich Ziegler. Viele hätten die Ausbildung noch vor der Gesellenprüfung abgebrochen.

Stark rückläufige Azubi-Zahlen bei den Metzgern und Fleischereifachverkäufern

Irgendwann gaben die Zieglers die Ausbildung junger Nachwuchskräfte schließlich resigniert auf. „Seitdem hat auch noch nie jemand bei uns nach einem Ausbildungsplatz gefragt“, sagt Monika Ziegler. Der Grund?„Handwerkliche Arbeit ist bei den jungen Leuten nicht mehr beliebt. Die meisten wollen lieber ins Büro und mit dem Computer arbeiten“, vermutet sie.

Die stark rückläufigen Lehrlingszahlen bestätigte auch Josef Grüneböhmer, Geschäftsführer der Fleischerinnung Rhein-Ruhr, im Sommer 2019 im Gespräch mit der WAZ. Er ist Schulleiter der Bildungsstätte im Frischezentrum Essen, das Metzger und Fachverkäufer ausbildet. „Hatten wir früher 500 Schüler allein aus Essen, sind es mittlerweile noch 130 aus dem gesamten Einzugsgebiet, auch aus dem Sauerland und vom Niederrhein“, sagte Grüneböhmer.

Image-Problem: Viele junge Leute wollen Fleisch nicht mehr zu nahe kommen

Vogel sieht den Grund für das sinkende Interesse an der Metzger- und Fleischereifachverkäufer-Ausbildung nicht nur in der allgemeinen Unpopularität von Handwerksberufen, sondern auch speziell im Ruf des Metzgerei-Gewerbes. Das habe nämlich schon länger ein Image-Problem: „Früher hat man sich gefreut, wenn ein Schwein geschlachtet wurde, weil es dann etwas zu essen gab. Heute gilt es als verwerflich, ein Tier zu töten.“ Viele wollten mit Fleisch einfach nicht so stark in Berührung kommen.

So komme es, dass er für seinen Betrieb kaum noch qualifizierte Auszubildende fände: „Die meisten kommen vom Arbeitsamt - da ist es schwierig, jemanden zu finden, der überhaupt zur Arbeit erscheint.“ Von den vier Azubi-Stellen der Metzgerei Gronau - zwei in der Produktion, zwei im Verkauf - sind zurzeit drei unbesetzt.

Ein Metzger hat Hoffnung für die Zukunft, der andere sieht eher schwarz

Ulrich Ziegler hat trotz aller Schwierigkeiten der Branche Hoffnung für die Zukunft. „Wir erleben gerade, dass junge Menschen sich zunehmend bewusster ernähren und bereit sind, dafür auch mehr Geld auszugeben“, sagt er. In diesem Zusammenhang sei vor allem die Online-Präsenz der Metzgereien von existenzieller Bedeutung. „Wir haben eine Internetseite und sind auf Facebook und Instagram aktiv. So konnten wir schon einige junge Neukunden gewinnen“, erzählt Monika Ziegler.

Vogel sieht die Lage pessimistischer - auch wenn er ebenfalls erlebt, dass vermehrt junge Leute ihr Fleisch wieder beim Metzger kaufen. Um eine Trendwende einzuläuten, seien das aber zu wenig, glaubt er. Vogel vermutet, dass es wirtschaftlich erfolgreiche Metzgereien - zumindest so wie wir sie heute kennen - in 15 Jahren nicht mehr geben wird. „Die Kunden werden nicht mehr kommen“, prognostiziert er.