Essen. Die Ruhrbahn in Essen wird Donnerstag und Freitag bestreikt. Folge: Gespenstische Leere auf dem Gleis, positiver Stress am Taxistand.
Die Bahnsteige für U-Bahnen und Tram unter dem Essener Hauptbahnhof sind gespenstisch leer. Dafür geht‘s oben am Taxi-Stand zur Freiheit hin zu wie im Taubenschlag. „Keine Zeit, ich habe viel zu tun“, wimmelt ein Taxi-Fahrer ab und fährt mit seinem Fahrgast vondannen.
Der zweitägige Warnstreik bei der Ruhrbahn ist für die Taxibranche ein Geschenk, ein bisschen so, als falle Ostern und Weihnachten auf einen Tag. Es ist kurz vor 10 Uhr. Kaum ein Taxi steht länger als zwei Minuten am Südeingang, dann steht die nächste Fahrt an. Die Fahrer haben Stress, aber er ist positiver Natur. An diesen Tagen spült der Warnstreik der Bus- und Straßenbahnfahrer ordentlich Geld in ihre Kassen.
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Taxifahrer berichten von vollen Straßen in Essen: „25 Minuten für drei Kilometer“
Die Einnahmen können womöglich noch größer sein, wenn der Straßenverkehr besser fließen würde. „Für die letzte Fahrt vom Hauptbahnhof zur Girardetstraße, das sind nur drei Kilometer, habe ich 25 Minuten gebraucht“, berichtet Ahad Faizy, der vor 13 Jahren aus der afghanischen Stadt Herat nach Deutschland geflüchtet ist. Drüben sei er Beamter in der Stadtverwaltung gewesen, hier hält er sich als Droschkenkutscher über Wasser.
Auch Taxifahrer Luis Miguel Cardoso hat an diesem Donnerstagmorgen sehr gut zu tun. Er habe sich auf Krankenfahrten spezialisiert, aber jetzt steuert er auch den Taxi-Stand am Hauptbahnhof an, um spontane Fahrgäste, so genannte „Einsteiger“, zum Ziel zu bringen. Seine Fahrgäste reagierten unterschiedlich. „Die einen schimpfen auf die Ruhrbahn, die anderen begrüßen den Warnstreik.“
Im Laufe des Tages dürfte die Nachfrage nach Taxis zusätzlich befeuert werden. Die Reise- und Campingmesse, die viele Besucher anzieht, beginnt an diesem Donnerstag.
Uninformiert und ratlos: Viele Ruhrbahn-Kunden wissen gar nicht, dass gestreikt wird
Überraschend viele Menschen erwischt der Ausstand bei der Ruhrbahn auf dem falschen Fuß. Obwohl schon vor einer Woche groß angekündigt, haben sie schlichtweg nicht mitbekommen, dass die Busse und Trams heute und morgen im Depot bleiben. Dass das Nahverkehrsunternehmen sogar einen Streikfahrplan aufgestellt hat, wissen sie ebenfalls nicht.
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An der großen Treppe zum U-Bahnhof Hauptbahnhof informiert die Digitalanzeige normalerweise über die Abfahrtzeiten der U- und Straßenbahnen. Jetzt heißt es dort lediglich: „Die Ruhrbahn wird von Betriebsbeginn bis Betriebsende bestreikt“. Auch am Kundenzentrum der Ruhrbahn sind die Türen verschlossen. „Wir bitten um Ihr Verständnis“, heißt es auf der Warnstreik-Information.
Service-Kräfte der Ruhrbahn, allesamt beschäftigt bei einem externen Dienstleister, stehen ratlosen Fahrgästen Rede und Antwort. Ein älterer Herr weiß nicht, wie er vom Hauptbahnhof zum Krupp-Krankenhaus in Rüttenscheid kommt. Der nächste muss zur Uni-Klinik, ein anderer zum Freistein. Die Frauen in den gelben Westen schauen aufs Smartphone und geben Tipps. Sie erteilen nicht nur Auskünfte, sie sind an diesem Vormittag auch Blitzableiter. „Viele Leute sind genervt und meckern.“
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