Essen. Der 55-jährige Essener ist seit 35 Jahren Busfahrer bei der Ruhrbahn. Vieles hat sich zum Schlechten verändert, sagt er.

Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten der Ruhrbahn abermals zu einem Warnstreik aufgerufen. Verdi geht davon aus, dass 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diesem Ruf folgen und die Arbeit nicht aufnehmen. Thomas Schneider ist einer davon. So wie es läuft im öffentlichen Personen-Nahverkehr, so könne es nicht weitergehen, sagt der 55-Jährige.

Ja, Thomas Schneider wusste, worauf er sich einlässt, als er vor nunmehr 35 Jahren bei der Ruhrbahn anfing, die damals noch Essener Verkehrs-AG hieß. Schon sein Vater war Busfahrer. Nach dem Wehrdienst bei der Bundeswehr folgte Thomas Schneider seinem Vater und fing als Fahrer beim kommunalen Nahverkehrsbetrieb an.

Der Straßenverkehr hat in Essen stark zugenommen

„Damals war alles noch entspannt“, beschreibt Schneider seinen Arbeitsalltag, wie er einmal war. Es hört sich an, als erzählte er von guten alten Zeiten, die nie mehr wiederkehren. Heute sei der Alltag eines Busfahrers ein anderer. „Der Verkehr auf den Straßen hat enorm zugenommen. Die Leute fahren viel aggressiver, eine rote Ampel zählt nicht mehr, aus Parklücken wird einfach herausgezogen. Dazu kommen die vielen Baustellen. Als Fahrer muss man zu 200 Prozent konzentriert sein“, berichtet Thomas Schneider und rät nich ganz ernst gemeint zu einem Selbstversuch: „Fahren Sie mal mit einem Linienbus vier Stunden im Berufsverkehr durch die Stadt. Viel Spaß dabei.“

Für die äußeren Umstände, die Thomas Schneider so anschaulich beschreibt, kann sein Arbeitgeber nichts. Doch die Ruhrbahn bestimmt die Rahmenbedingungen, unter denen die Fahrerinnen und Fahrer ihren Job erledigen müssen. Fahr- und Pausenzeiten aber seien zu knapp bemessen. Oft reiche die Zeit an einer Endhaltestelle nicht einmal für einen Gang zur Toilette oder eine Zigarette.

Verspätungen lassen sich im ÖPNV in Essen oft nicht aufholen

„Früher stand einer mit der Stoppuhr neben dir, um zu ermitteln, wie lange du von einer Haltestelle zur nächsten brauchst“, erzählt Schneider. Heute erledige dies künstliche Intelligenz (KI). Nur sei die Realität auf den Straßen eine andere. Verspätungen ließen sich oft nicht mehr aufholen.

Dazu kommen zehrende Wechselschichten. Auf zwei Spätdienste, folgen zwei Mitteldienste, auf zwei Mitteldienste folgen zwei Frühdienste. Zwischen zwei Schichten liegen elf Stunden, die Fahrt zur Arbeit inklusive. Darunter leidet das Privatleben, berichtet der zweifache Familienvater. Eine Handvoll Freunde seien ihm noch geblieben. „Das grenzt an soziale Isolation.“

35 Jahre als Busfahrer haben auch körperlich ihre Spuren hinterlassen. Thomas Schneider klagt über Schmerzen im Nacken, wie so viele seiner Kollegen. Hinzu kommen Schlafstörungen. Der Knochenjob belastet neben dem Körper auch die Psyche. Nach Angaben von Verdi liegt die Krankenquote bei öffentlichen Verkehrsbetrieben bei 20 Prozent und auch darüber.

Gewalttätige Übergriffe auf Ruhrbahn-Fahrer belasten auch die Kollegen

„Die Leidtragenden sind die Fahrgäste“, sagt Schneider. Immer wieder komme es vor, dass jemand seinen Frust an den Fahrern auslasse darüber, dass der ÖPNV nicht richtig funktioniere. Überhaupt seien die Leute im Vergleich zu früher viel aggressiver. „Mir wurde schon unvermittelt ein Döner vor die Scheibe geworfen.“ Auch ein voller Kaffeebecher sei dort schon gelandet.

Die Scheibe zum Innenraum soll den Fahrer vor gewalttätigen Übergriffen schützen. Dass es in Fahrzeugen aber keine absolute Sicherheit gibt, zeigte sich erst am Dienstagabend dieser Woche, als ein Straßenbahnfahrer in Borbeck von Unbekannten zusammengeschlagen wurde. Auch das mache etwas mit einem, sagt Thomas Schneider.

Am Freitag will er für bessere Arbeitsbedingungen streiken, für kürzere Lenkzeiten, für längere Pausenzeiten und für Freizeitausgleich. Die Arbeitgeberseite habe sich bislang nicht bewegt. Thomas Schneider schließt nicht aus, dass die Tarifauseinandersetzung auf einen längeren Streik hinauslaufen könnte. Soweit müsse es nicht kommen. Die Arbeitgeber hätten es selbst in der Hand. Nicht nur bei der Ruhrbahn fehlen Fahrer. Da läge es doch nahe, den Arbeitsplatz attraktiver zu machen, meint Schneider, der sich dafür bei Verdi engagiert.

Und was sagen die Fahrgäste zum Warnstreik bei der Ruhrbahn? Wo doch gerade erst die Deutsche Bahn über mehrere Tage bestreikt wurde? Thomas Schneider gibt wieder, wie eine ältere Dame dieser Tage darauf reagierte. „Schlimmer“, habe sie gesagt und damit den öffentlichen Personen-Nahverkehr gemeint, „schlimmer kann es ja nicht werden.“

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