Essen-Rüttenscheid. Die Rüttenscheider Hausbrauerei schließt. 400 Gäste feierten ein letztes Mal Weiberfastnacht. Über eine wilde Party mit Wehmut.
Es ist das letzte große Karnevalsfest in Essens Brauhaus: Ende Februar schließt die Rüttenscheider Hausbrauerei im Girardethaus nach drei Jahrzenten für immer. Doch vorher wird noch einmal richtig Gas gegeben.
Weiberfastnacht, 5 Uhr nachmittags – während der Feierabendverkehr die Rü verstopft, stehen Indianer und Piraten, Hexen und Prinzessinnen, Hippies und Vampire, Teufel und Engel an der Kasse der Rüttenscheider Hausbrauerei und warten auf Einlass in die Partyzone.
Wirt von Rüttenscheider Hausbrauerei mit Bierkrug auf dem Kopf
Inhaber Afshin Sadaghiani, der jeden verkleideten Gast wohlwollend in Augenschein nimmt, hat sich für diesen Anlass das passende Kostüm ausgesucht: Auf seinem Kopf thront ein überdimensionaler Bierkrug und ein Bierfass umschließt den Rumpf – alles aus weichem Stoff. „Wir haben für heute schon 170 Reservierungen“, sagt er, „am Ende werden wir um die 400 Gäste haben“. Mehr würde der Gastronom nicht hereinlassen, „sonst kann man sich ja gar nicht mehr bewegen“.
Gefühlt ist die Hausbrauerei schon jetzt am Limit, gefüllt mit einer wogenden, bunten, gut gelaunten und einfallsreich kostümierten Masse Mensch, die jeden Song, den DJ Michael auflegt, textsicher mitsingt. Vorrangig deutsche Schlager und klassische Karnevalshits dröhnen aus den Lautsprechern. Dazu wird geschunkelt, zeigen Paare ihr tänzerisches Können beim Discofox, während andere Gäste sich spontan zu kleinen Polonaisen zusammenfinden.
Gäste der Rüttenscheider Hausbrauerei entsetzt über Schließung
Mittendrin sticht die Leibgarde plus Queen ins Auge: Die sechs Freundinnen tragen voller Grandezza die unechten Bärenfellmützen, während die Königin huldvoll winkt. „Wir sind zum ersten Mal an Weiberfastnacht hier“, erzählen sie, „und sind echt begeistert von der tollen Stimmung“. Dass es auch das letzte Mal sein wird, an dem hier Karneval gefeiert wird, haben sie bereits gehört und gelesen: „Warum eine gut funktionierende Gastronomie nicht weitermachen kann, ist uns ein Rätsel.“
Einen Tisch weiter funkeln zwei Herren in paillettenbesetzten Anzügen um die Wette. Tatsächlich glitzern an diesem Abend die Männer deutlich mehr als die Frauen. So wie Martin, der einen silbernen, astronautenähnlichen Anzug trägt. Der Mittfünfziger kommt häufig und gerne auch außerhalb der fünften Jahreszeit auf ein Bier und ein zünftiges Essen ins Brauhaus. „Ich bin echt entsetzt, dass Ende Februar hier Schluss ist. Der Laden ist doch in Essen einzigartig“, sagt er und fügt hinzu: „Hoffentlich kommt keine weitere gesichtslose Systemgastronomie hierhin.“
Wir hat Rüttenscheider Hausbrauerei vor 15 Jahren übernommen
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Afshin Sadaghiani lässt sich vor seinen Gästen den Frust über das nahe Ende der Hausbrauerei, die er vor 15 Jahren übernommen hat und mit viel Herzblut führt, nicht anmerken. „Jetzt steht das Feiern im Vordergrund“, sagt er, um dann doch noch kurz zu erklären, was ihn bewegt. Denn er kann immer noch nicht verstehen, warum der Mietvertrag nicht verlängert wurde.
„Mir wurde als Grund genannt, dass der Vermieter etwas Moderneres und Stabileres in die Räume bringen wolle. Hausbrauereien hätten angeblich keine Zukunft.“ Das sei für ihn nicht nachvollziehbar: „Uns gibt es seit 30 Jahren, wir haben ein gutes Stammpublikum. Ich habe immer pünktlich die Miete zahlen können. Was soll daran bitte instabil sein?“.
Stammkunden bedauern Ende der Rüttenscheider Hausbrauerei
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Viele Stammkunden, darunter große Essener Firmen, hätten ihr Bedauern über das unfreiwillige Ende der Hausbrauerei ausgedrückt. „Ich habe sogar Anrufe aus Kanada bekommen. Da wohnen Unternehmer, die immer zur Messe nach Essen kommen und anschließend gerne bei mir eingekehrt sind.“
Gerne hier sind auch Silvia und ihre beiden Freundinnen, die für den heutigen Abend einen identischen Look mit schwarzem Zylinder, Lederjacken und Spitzenhandschuhen gewählt haben: „Weiberfastnacht in der Hausbrauerei war für uns in den vergangenen Jahren ein fest gesetzter Termin. Wo sollen wir bloß im nächsten Jahr hin?“, fragt sie. Speziell für ihre Altersgruppe jenseits der 40 gebe es in Essen nicht so viele gute Gastronomien, „eigentlich ein Armutszeugnis für so eine große Stadt“.
Doch die gute Laune wollen sie sich deswegen nicht nehmen, sondern es noch ein letztes Mal im Brauhaus so richtig krachen lassen. Wenn es die Konstitution zulässt, sogar bis 4 Uhr morgens. So lange wird nämlich in Essens einziger Hausbrauerei getanzt und gefeiert. In zwei Wochen wird das Brauhaus Geschichte sein.
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