Essen-Rüttenscheid. Durchnummerierter Kaffee, Filter aus Skateboards: Was ein Mülheimer Kaffeeröster ab dem 6. April auf der Rüttenscheider Straße plant.

Kaffee ist bekanntlich Genuss und Handwerk, Kaffee signalisiert gleichermaßen modernen Lifestyle und alte Tradition. Kaffee ist aber auch Leidenschaft. Gerade letzteres ist eine Erkenntnis, die sich mehr und mehr verfestigt, wenn man Oliver Kraus zuhört, dem Inhaber und Betreiber von „Pottschwarz“, einem Mülheimer Kaffeehaus mit eigener Rösterei: „Unsere Kaffees haben ein kräftiges Aroma, sind aber nicht komplett totgeröstet. Die Bohnen sind also noch hell, damit das Aroma auch wirklich ausgespielt wird. Wir bewegen uns da eher im schokoladigen Bereich.“ Zuhören kann man Kraus in Essen ab sofort häufiger: Am Samstag, 6. April, eröffnet er auf der Rüttenscheider Straße 121 die „Brühbar“.

Im Namen steckt eigentlich schon alles: Hier wird Kaffee gebrüht und verkauft. Allerdings plant Kraus eher eine stylische Bar, denn ein plüschiges Café. Und: Die Buchstaben R und Ü sind großgeschrieben, was natürlich auf die Rüttenscheider Straße hinweist.

Selbstgerösteten Kaffee wird Kraus hier anbieten – fertig zubereitet oder als Bohne. Die angebotenen Kaffeesorten tragen übrigens keine hochtrabenden Namen, sondern sind durchnummeriert. „Am Anfang sind die Leute bei uns in Mülheim hereingekommen und haben gesagt: Ich möchte den Kaffee vom letzten Mal. Welchen denn? Den in der schwarzen Tüte. Bei uns sind alle in schwarzen Tüten.“ Später habe man versucht, den Kaffee nach dem Herkunftsland zu sortieren, doch: „Das konnte sich auch keiner merken.“

„Pottschwarz“ bezieht Kaffee direkt von den Produzenten

Daher also jetzt Zahlen, die aber nichts über die Stärke des Kaffees aussagen. „Eins ist unser Hauptkaffee aus El Salvador.“ Der mit der eingangs erwähnten schokoladigen Note. „Ein ganz kleines bisschen Frucht, aber nicht übertrieben. Keine Säure. Drei ist der Brasilianer, der ist komplett ohne Fruchtnoten, und unsere italienischen Gäste trinken den als Espresso sehr gerne. Und die neun ist unser Peruaner. Der ist auch kräftig, hat aber eine schöne eigene Süße.“

Die Kaffeebohnen bezieht „Pottschwarz“ zum großen Teil direkt von den Produzenten. „Wir arbeiten zudem mit gut organisierten Importeuren in Amsterdam und Antwerpen zusammen, die die Röster mit den Produzenten direkt in Verbindung bringen“, erklärt Kraus. „Wir haben beispielsweise einen sehr guten Kontakt nach Myanmar. Dieser Kaffee war lange nicht zu kriegen, wir beziehen ihn direkt von dort.“

Die „zugelaufene“ Mitarbeiterin Leonie Immerz kennt sich mit den Kaffeemaschinen aus: Der „Mokka Master“ soll besonderen Genuss versprechen.
Die „zugelaufene“ Mitarbeiterin Leonie Immerz kennt sich mit den Kaffeemaschinen aus: Der „Mokka Master“ soll besonderen Genuss versprechen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Was man bei all dem Fachwissen kaum glauben mag: Kraus ist Quereinsteiger. Arbeitete ursprünglich als „Operative Leitung Station“, sprich: Flugbetriebsleitung, bei der Lufthansa und anschließend sechs Jahre lang bei Apple in Oberhausen. „Da hatte ich einen Kollegen, der ist immer mit einer Aeropress und einer Handmühle in den Pausenraum gerannt und hat da dann Kaffee gemacht“, erzählt er. „Der war ein absoluter Kaffee-Freak, und in ganz kurzer Zeit habe ich mich da in die gleiche Richtung entwickelt. Das war für mich wie Segel setzen in Richtung Kaffeerösterei.“

Ausbildung in der Bonner Kaffeeschule

Gemeinsam mit seiner Frau Martina ließ sich Kraus mit Anfang 50 in Bonn zum Kaffeeröster ausbilden. „Der Ausbilder hat damals zu mir gesagt, in dem Alter habe man zwei Optionen: irgendwas mit Kaffee oder mit Wein. Und ein Weingut war gerade nicht frei.“ Und wohl auch nicht erschwinglich. In der Bonner Kaffeeschule erhielten die beiden Mülheimer das Grundwissen. „Danach ist alles ,learning by doing‘ oder auch ,learning by burning’, wie der Kaffeeröster sagt.”

2016 war es dann soweit: Kraus eröffnete in Mülheim das Café „Pottschwarz“ und kurz darauf die hauseigene Rösterei gleichen Namens. Auch in Rüttenscheid hat er erste Erfahrungen gesammelt – Ende 2023 mit einem Pop-up-Store an der Rüttenscheider Straße 128. „Das war für uns die Einstiegsmöglichkeit, um mit einem geringen finanziellen Mietaufwand mal zu gucken, ob das hier funktionieren würde.“

Ganz offensichtlich funktionierte es. Denn als Rolf Krane, erster Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid, Kraus auf den freien Laden unweit des Rüttenscheider Sterns hinwies, griff dieser zu.

Mülheimer hat Lust auf die Rüttenscheider Straße

In den kommenden Wochen wird Kraus selbst vor Ort sein und „fühlen, wie das hier so läuft“. Zwar ist mittlerweile die gesamte Familie ins Geschäft eingestiegen, doch auch die Rösterei und das Café in Mülheim bedürfen seiner Aufmerksamkeit. Ihm seien aber sehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „zugelaufen“, die die Beratung übernehmen könnten, sagt Kraus.

Und Beratung ist durchaus notwendig, wenn man als Kunde erstmal den eigenen Geschmack herausfinden möchte. Oder wenn es um den Kauf von Zubehör geht. Nimmt man jetzt am besten die „Chemex“, eine manuelle Filterkaffeemaschine aus Glas, oder den „Mokka Master“, der laut Kraus dem Handaufbrühverfahren noch am nächsten kommt? Außerdem bietet das Unternehmen Filterzubehör für Siebträgermaschinen an, die – man glaubt es kaum – aus recycelten Skateboards hergestellt wurden.

Die Kaffeesorten von „Pottschwarz“ sind durchnummeriert.
Die Kaffeesorten von „Pottschwarz“ sind durchnummeriert. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Das alles können sich Besucherinnen und Besucher zur Eröffnung am Samstag, 6. April, aus der Nähe angucken. Und sich dabei auch gleich durch die verschiedenen Bohnen, aber auch durch Espresso, Cappuccino, Flat White und Latte Macchiato hindurchtesten. Auch ein alter VW-Bulli aus den 60er Jahren, umgebaut in eine fahrende Kaffeemaschine, wird vor der Tür stehen.

„Ich habe schon jetzt unheimlich Spaß an dem Laden in Rüttenscheid“, grinst Kraus. „Eine kleine Espressobar mit Warenpräsentation, mit den Leuten direkt im Austausch zu sein, ohne eine Küche betreiben zu müssen – hier liegt der Fokus wirklich auf dem Kaffee.“ Wie gesagt: Genuss und Handwerk, Lifestyle und Tradition. Und Leidenschaft.

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